Die toten Schulkinder von Newtown sind begraben und nachrichtentechnisch schon so gut wie vergessen. Die Diskussion um strengere Waffengesetze in den USA wird aber vermutlich noch eine Weile anhalten – bislang hat sie aber vor allem dafür gesorgt, dass das Weihnachtsgeschäft der Waffenhändler noch einmal richtig angezogen hat – im Dezember wurden laut FBI so viele Hintergrundprüfungen potenzieller Waffenkäufer beantragt wie noch nie zuvor. Das weist darauf hin, dass die Leute sich schnell noch mit Schusswaffen eindecken, bevor es schwieriger wird, welche zu erwerben. Und das, obwohl sich gerade wieder gezeigt hat, dass solche Waffen die Sicherheit keineswegs erhöhen, sondern im Gegenteil zu schrecklichen Dingen benutzt werden können. Verrückt.
Der Besitz einer Schusswaffe steigert nicht die persönliche Sicherheit,
sondern das Risiko erschossen zu werden.
Ob die Anzahl der Schusswaffentoten in der Folge auch ansteigt, bleibt abzuwarten, es sind aber seit dem Amoklauf am 14. Dezember schon wieder eine ganze Menge. Das Internetmagazin Slate hat auf seiner Seite eine interaktive Grafik veröffentlicht, auf der bekannt gewordene Schusswaffenopfer seit dem 14. Dezember eingetragen wurden. Es waren zum Stichtag 1. Januar 2013 insgesamt 409. Für jeden Toten ist eine Figur abgebildet. Mit einem Klick kann man weitere Informationen abrufen, außerdem führt ein Link zur jeweiligen Quelle der Information, meistens ein Artikel in einem regionalen Medium, das über den jeweiligen Vorfall berichtet hat. Natürlich gibt es Morde aus Eifersucht, bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Straßengangs und so weiter, erschütternd ist aber, dass es auch über Kinder berichtet wird, die bei Jagdunfällen erschossen wurden oder über mehrere Kleinkinder, die sich bei Spielen mit den Waffen ihrer Eltern tödlich verletzt haben.
Ich gebe zu, nicht alle der 409 Figuren angeklickt zu haben, aber mir ist aufgefallen, dass es sich erstaunlich häufig um Unfälle oder unglückliche Zufälle handelt, bei denen Menschen erschossen werden und eben nicht um geplante Morde. Was aber durchaus dafür spricht, dass man die Todesrate durch Schusswaffen erheblich senken könnte, wenn diese Waffen nicht so leicht verfügbar wären. Hierzulande hat ein Kleinkind kaum eine Chance, in der Nachttischschublade von Mama oder Papa eine geladene Waffe zu finden, mit der es sich tot spielen könnte – und das ist auch gut so. Interessanterweise ist das in den ansonsten so sicherheitsbessenen USA anders. Woran das liegen könnte, habe ich in einem weiteren Artikel analysiert.
Wer einen Mord begehen will, ist in der Regel auch in der Lage, sich eine Waffe zu verschaffen – daran zweifle ich nicht. Eine Mordwaffe muss schließlich nicht unbedingt eine Schusswaffe sein. Dass man einen entschlossenen Mörder stoppen kann, bevor er zumindest einen Mord ausgeführt hat, bezweifle ich dagegen sehr – auch wenn das von den Waffenbefürwortern ja immer wieder als Argument für Waffenbesitz genannt wird. Außerdem hat gerade das Schulmassaker von Newtown gezeigt, dass ein halbwegs intelligenter Mörder Sicherheitssysteme relativ leicht überwinden kann.
Das Problem ist doch, dass halbwegs intelligente Mörder es unendlich viel leichter haben, wenn sie auf ein bereits vorhandenes Waffenarsenal zurückgreifen können und sich nicht erst Gedanken machen müssen, wie sie sich überhaupt eine Waffe verschaffen können. Ich wette, dass so mancher Amoklauf hierzulande nicht statt findet, weil der potenzielle Amokläufer gerade keine Waffe zur Hand hat. Und das finde ich ziemlich beruhigend angesichts der Tatsache, dass es auch hier mehr als genügend Anlässe gäbe, mal so richtig Amok zu laufen.
Allerdings denke ich schon, dass ein gut ausgebildeter bewaffneter Wachmann vielleicht eine Chance gehabt hätte, den Newtown-Mörder zu stoppen – es ist aber genauso gut möglich, dass der Wachmann einfach über den Haufen geschossen worden wäre. Es ist nämlich durchaus wahrscheinlich, dass der bad guy schneller schießt als der good guy. Außerdem: Wer soll denn die gut ausgebildeten Wachleute an den US-Schulen bezahlen? Meines Wissens ist das Schulsystem der USA (wie so viele andere öffentliche Einrichtungen auch) chronisch unterfinanziert. Oder sollen das Freiwillige übernehmen? Ich habe meine Zweifel, dass bis an die Zähne bewaffnete freiwillige Bürgerwehren an den Schulen die Sicherheit der Schulkinder tatsächlich erhöhen würden. Vermutlich wären dann noch mehr tote Kinder durch Schießunfällen zu beklagen.