Schumanns Bargespräche
3DokumentationVom Poster blickt ernst ein alter Mann im Anzug mit schütterem langem Haar. Bei seinem Anblick haben die meisten Barkeeper der Welt wohl den gleichen Gedanken: Wer ist das eigentlich?
Der Protagonist von Marieke Schroeders Kinohommage, der vor der Kamera immer mit offenem Hemdkragen in einer Reihe verschiedenfarbiger Anzüge herumspaziert, ist Betreiber eines der bekanntesten Etablissements Deutschlands. Ah, Rolf Eden? Doch nicht der, das hier ist Charles Schumann, Betreiber des Münchener „Schumann’s“! Die 1981 eröffnete Bar ist angeblich eine Institution und als solche betrachtet sich auch ihr Manager. Oh, Pardon! Nicht Manager.
„I’m not the manager of a bar, I’m the personality of a bar“, verkündet der Unternehmer in akzentlastigem Englisch „people come because I’m working there.“ Wenn das bei einem Barbetrieb funktioniert, warum dann nicht auch im Kino? Das dachten sich augenscheinlich die Produzenten und der erfahrene Selbstvermarkter. Er besucht auf einer Drink-Safari internationale Metropolen, die für kosmopolitisches Flair sorgen sollen. Jeder Aufenthalt läuft nach dem gleichen Muster ab. Ein pittoresker Tourismus-Katalog vermittelt Lokalkolorit. Dann läuft Schumann durch die Straßenschluchten New Yorks oder die Gassen Havannas zielstrebig auf eine Tür zu. Die einzige Abwechslung liefern dabei die Farbe seiner Anzüge und der Schriftzug auf den Eingangstüren.
Sie führen in legendäre Cocktailschmieden wie die Hemingway Bar, El Floridita, Dead Rabbit oder High Five in Tokio. Der joviale Doku-Star genießt die Aufmerksamkeit neugieriger Passanten, die das Filmteam generiert, und lässt sich von den weltbesten Barkeepern hofieren. Immerhin ist er der Autor von Schumann’s Barbuch und American Bar. Die beiden Werke erschienen im schlichten Look der Bibel. Deren Auflage war zwar etwas höher, aber das schmälert nicht den Nimbus der Werke – nicht in den Augen des Schreibers. Er heißt übrigens eigentlich Karl Georg, aber das klingt nicht so cool nach Barkeeper. Für sie gilt, was ein Historiker der Cocktailkultur bescheinigt: Es geht stets auch um den Mythos. Am besten formt man den mit Literatur und Kino. Schumann weiß das.
Regie und Drehbuch: Marieke Schroeder, Filmlänge: 102 Minuten, gezeigt auf der Berlinale 2017
Autor
Lida Bachä&post;