Schuhe als neues Trainings-Wundermittel

Von Doxidox

Gäbe es ein Trainingsgerät, mit dem man im Alltag ganz nebenbei und unbewusst trainieren bzw. etwas für seinen Körper tun könnte, dann wäre es doch vermutlich der Traum jedes stressgeplagten Menschen. Genau das versprechen diverse Wellness-Schuhe, die angeblich zum einen Gelenke entlasten und so körperliche Beschwerden lindern können und zum anderen beim Gehen und Stehen viele verschiedene Muskeln in Beinen und Rumpf aktivieren und somit zur körperlichen Fitness beitragen.

Wir haben uns mal ein wenig genauer mit dem Thema auseinandergesetzt um herauszufinden, ob diese Produkte wirklich halten was sie versprechen.

Spezielle Sohlenform für neuartiges Geherlebnis

Der Unterschied zwischen normalen Schuhen und den speziellen Wellness-Schuhen besteht hauptsächlich in der Sohle. Diese ist erst einmal wesentlich dicker und weicher, um ein angenehmes Geherlebnis zu vermitteln, das dem Barfußgehen auf Sand nachgeahmt ist. Viel wichtiger aber ist die runde Formung der Sohle, die eine deutliche Instabilität beim Stehen und Gehen erzeugt und damit das Halten des Gleichgewichts erschwert.

Durch diese beiden Innovationen soll angeblich dir Körperhaltung beim Gehen und Stehen verbessert werden und dadurch eine Entlastung der Knie- und Hüftgelenke sowie der unteren Wirbelsäule erzeugt werden. Zum anderen wird durch die zusätzliche Instabilität aufgrund der runden Sohle vor allem beim Stehen die Haltungsmuskulatur verstärkt aktiviert, was zu einem permanenten Trainingsreiz für diese Muskeln führen soll.

Zusammengefasst werden also auf der einen Seite Schmerzen in Gelenken gelindert und auf der anderen Seite schwache oder vernachlässigte Muskeln, die für die Haltung zuständig sind, trainiert.

Entlastung von Gelenken und Aktivierung von Muskeln – bringt man das unter einen Hut?

Für all jene, die vielleicht schon mal ein wenig mit Biomechanik zu tun gehabt haben, stellt sich hier aber sofort eine große Frage: Kann man denn eine Entlastung der Gelenke, sprich eine Verringerung der Gelenkkräfte erreichen, wenn auf der anderen Seite die Muskeln um diese Gelenke stärker aktiviert werden?

Das Problem ist nämlich, dass Gelenkkräfte (Kräfte mit deinen ein Gelenk zusammengedrückt wird) zu einem großen Teil von Muskelspannungen bestimmt werden und äußere Lasten nur einen eher geringen Anteil haben. Diese Tatsache entsteht dadurch, dass Muskeln immer relativ nah am Gelenk ansetzen und dadurch sehr hohe Kräfte erzeugen müssen um den kleinen Kraftarm auszugleichen.

Wird ein Muskel also mehr angespannt, erhöht sich auch der Druck auf die Gelenksflächen, ganz besonders wenn nicht nur ein Muskel um das Gelenk aktiviert wird, sondern auch seine Gegenspieler (Antagonisten), wie es normalerweise beim Versuch der Fall ist, ein Gelenk zu stabilisieren.

Diese Schuhe sollen also die Belastung eines Gelenks verringern, obwohl viele Muskeln um das Gelenk herum stärker angespannt werden und es daher fester zusammengedrückt wird – das scheint doch eher unlogisch.

Möglich ist es aber dennoch. Nämlich dann, wenn man in Betracht zieht, dass sich beim Gehen eventuell die Körperposition positiv verändert. Hat man z.B. beim Gehen in normalen Schuhen immer eine leichte Oberkörper-Vorlage, so muss unser Rückenstrecker ständig angespannt sein, um das Gleichgewicht aufrecht zu halten und man hat permanent eine erhöhte Belastung im unteren Bereich der Wirbelsäule.

Nimmt man aber durch das Gehen in Wellness-Schuhen automatisch eine aufrechtere Position ein, können sich die Rückenmuskeln mehr entspannen und die Belastung auf die Wirbelsäule wird geringer. Genauso wäre es theoretisch auch möglich, durch eine Haltungsänderung im Knie- und Hüftgelenk eine leichte Entlastung zu erzeugen.

Studien zeigen geteilte Ergebnisse

Das ist zwar in der Theorie alles schön und gut, wichtig ist jedoch nur, ob sich diese Überlegungen auch in die Praxis umsetzen lassen. Um das zu überprüfen wurden schon einige Untersuchungen mit verschiedenen Schuhprodukten durchgeführt und ich möchte hier kurz die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassen.

Um zu überprüfen, ob es beim Tragen von Wellness-Schuhen tatsächlich zu einer höheren Muskelaktivierung kommt, untersuchten Lohrer et al. (2008) die Muskelaktivitäten von Testpersonen im Einbeinstand mit verschiedenen Schuhprodukten bzw. barfuß. Dabei stellte sich heraus, dass es nur beim ReflexControl-Schuh zu signifikant höheren Aktivitäten kam, nicht jedoch bei den Produkten von MBT oder Finnamic, die viel eher als alternative Alltagsschuhe angepriesen werden.

Andriacchi et al. (2008) versuchten herauszufinden, wie sich das Tragen von MBT-Schuhen auf das Gangbild auswirkt, insbesondere auf die Belastung im Kniegelenk. Dabei fanden sie heraus, dass es zwischen den Versuchspersonen zu sehr unterschiedlichen und individuellen Anpassungsmechanismen kam und nur die Hälfte dieser Anpassungen zu geringeren Kniebelastungen führt. Die andere Hälfte würde die Belastung ganz im Gegenteil noch erhöhen.

Eine ähnliche Untersuchung führten New et al. (2006) durch und konnten dabei zeigen, dass das Tragen von MBT-Schuhen zu einer geringeren Oberkörper- und Hüftbeugung sowie zu einer geringeren Kippung des Beckens führt. Dadurch könnte es zu einer Entlastung dieser Bereiche kommen und folglich zu einer Linderung von Rücken- oder Gelenksschmerzen.

Eine weitere Untersuchung mit MBT-Schuhen führten Hoppeler et al. (2008) durch und untersuchten den Sauerstoffverbrauch beim Stehen und Gehen mit diesem Produkt und damit den Energieverbrauch. Es zeigte sich, dass es beim Stehen mit MBT-Schuhen zu einem höheren Energieverbrauch kam, wobei sich der Mehrverbrauch aber nur ca. in einem Bereich von 20 kJ (Kilojoule) pro Stunde befindet, was in etwa dem Brennwert von 10 ml Orangensaft oder 1 g Schokolade entspricht. Beim Gehen wurden keine Unterschiede im Energieverbrauch festgestellt.

Gollhofer (2007) verglich die Trainingseffekte des Tragens von MBT-Schuhen mit den Effekten eines sensomotorischen Trainings im Bezug auf die Gleichgewichtsfähigkeit. Dabei fand man heraus, dass die Gleichgewichtsfähigkeit der sensomotorischen Trainingsgruppe sowohl nach 4 als auch nach 8 Wochen wesentlich besser war als die der MBT-Gruppe. Die MBT-Gruppe zeigte aber auch Verbesserungen und war nach 8 Wochen ca. auf demselben Niveau wie die SMT-Gruppe schon nach 4 Wochen. Auf lange Zeit gesehen scheinen also auch Wellness-Schuhe die Gleichgewichtsfähigkeit zu verbessern, auch wenn ein konventionelles sensomotorisches Training bessere und schnellere Effekte erzielt.

Nicht nutzlos, aber auch kein Wundermittel

Es zeigt sich also wie so oft ein eher geteiltes Bild. Die Verkaufsargumente der Schuhhersteller sind nicht alle völlig aus der Luft gegriffen, bewiesen sind sie aber meistens nur teilweise. Man kann auf jeden Fall festhalten, dass in der Gleichgewichts- bzw. Stabilisationsfähigkeit Verbesserungen erwartet werden können und dass es bei einigen Personen zu Entlastungen von Gelenken kommen kann, je nachdem wie man sein Gangbild aufgrund der Schuhe verändert.

Eine Erhöhung der Muskelaktivität in den Beinen konnte nicht bei allen Schuhmodellen gemessen werden, genauso kann man vermutlich nicht generell von einem höheren Energieumsatz beim Tragen von Wellness-Schuhen ausgehen (und wenn dann nur beim Stehen und in sehr geringem Ausmaß).

Wellness-Schuhe können also eventuell eine gewisse Ergänzung zum Training bieten, ersetzen aber sicherlich nicht ganze Trainingseinheiten oder –methoden. Wundermittel gibt es demnach noch immer nicht, wer also wirklich etwas für seinen Körper tun will muss auch weiterhin ein wenig Energie und Schweiß in ein richtiges Trainingsprogramm investieren.