Mieterstrom bleibt ein aktuelles Thema in den Medien. Dafür sorgen zwei neue Projekte, die im August bekannt wurden, in Tübingen und in Berlin. Hinzu kommt, die Berliner SPD hat Mieterstrom in ihrem Wahlprogramm aufgenommen. Meines Wissens gab es das bisher noch nicht. Die politische Bedeutung ist aktuell besonders hoch, da im neuen EEG die Möglichkeit einer Rechtsverordnung aufgenommen wurde mit dem Ziel der Verringerung der EEG-Umlage für Mieterstrom-Projekte. Die politische Umsetzung steht jedoch noch aus.
Mieterstrom wird Thema im Berliner Wahlkampf
Im September ist in Berlin die Wahl zum Abgeordnetenhaus und die lokale SPD mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller möchte, dass Mieter angemessen an der Energiewende beteiligt werden. Daher setzt sie sich, laut Wahlprogramm, für die schnelle Umsetzung der Rechtsverordung auf der Grundlage des EEG 2017 ein. Allerdings bezieht sich der Text des Wahlprogramms nur auf die Berliner Stadtwerke, die damit wirtschaftlich erfolgreich aufgestellt werden sollen.
Das Berliner ImpulsE-Programm der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt zitiert Michael Müller von einem Pressegespräch mit dem Hinweis auf die sozialverträgliche Gestaltung der Energiewende und der fairen wirtschaftlichen Chance von umweltfreundlich und lokal erzeugtem Strom. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup, SPD, ergänzt, mit der Verordnung würden „private, genossenschaftliche oder kommunale Wohnungsbaugesellschaften und die von ihnen beauftragten Energiedienstleistungsunternehmen wieder mehr Solaranlagen bauen können“. Beide sehen dies als wichtige Aufgabe für die Energiewende und den Klimaschutz in der Stadt.
Es bleibt zu hoffen, dass sich im Herbst auch wirklich etwas bewegt für die Energiewende auf Mehrfamilienhäusern. Dies betrifft ja nicht nur Mieter, auch Wohnungseigentümer wollen den Solarstrom vom Dach nutzen können.
Lokale Strom- und Wärmeversorgung für 500 Einheiten in Berlin
Für das erste Beispiel kann ich in Berlin bleiben. Die Naturstrom AG hat den Auftrag erhalten eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung im Kreuzberger Quartier Möckernkiez zu realisieren. Die Möckernkiez eG errichtet derzeit 14 Wohngebäude im Passivhausstandard mit rund 470 neuen, modernen Wohnungen, 20 Gewerbeeinheiten, 98 Tiefgaragen-Stellplätzen und Raum für soziale Versorgungseinrichtungen.
„In dem Projekt ging es von Anfang an auch darum, hohe ökologische und soziale Standards zu setzen“, erklärt Frank Nitzsche, kaufmännischer Vorstand der Möckernkiez eG. „Im Möckernkiez sollen über 1.000 Menschen gemeinschaftlich und generationsübergreifend wohnen. Und sie sollen dies möglichst klimaschonend tun“, ergänzt Karoline Scharpf, technischer Vorstand der Möckernkiez eG.
Der Wärmebedarf des Areals wird, wenn alle Wohnungen und Ladenlokale vermietet sind, bei rund 2 Mio. Kilowattstunden (kWh) pro Jahr liegen. Außerdem werden die Mieter den Berechnungen zufolge jährlich rund 1,5 Mio. kWh Strom benötigen.
Die Wärmeversorgung der 14 Wohngebäude realisiert die Naturstrom AG mit einem Nahwärmenetz. Erzeugt wird die Wärme klimafreundlich in einem mit hundertprozentigem Biogas betriebenen Blockheizkraftwerk (BHKW) und einem Gas-Spitzenlastkessel. Das BHKW verfügt über eine elektrische Leistung von 140 kWel und eine thermische Leistung von 207 kWth, der Spitzenlastkessel hat eine Leistung von 900 kWth. Den Strom, welchen das BHKW neben der Wärme produziert, bietet Naturstrom den Haushalten und Unternehmen auf dem Gelände als günstigen Mieterstromtarif an. Zusätzlich prüfen die Partner die Installation von Photovoltaikanlagen auf drei oder mehr Dachflächen sowie die Errichtung von Ladestationen für Elektrofahrzeuge.
Universitätsstadt Tübingen mit PV-Mieterstrom
In Zusammenarbeit der Stadtwerke Tübingen (swt) und der Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau (GWG) wurde vergangene Woche das erste Tübinger Mieterstrom-Projekt eingeweiht.
Die neue Photovoltaik-Anlage im Hagellocher Weg ist rund 315 Quadratmeter groß und leistet bis zu 52 kWp. Gekostet hat sie rund 75.000 Euro. Den zwölf Parteien im Gebäude wird jetzt von den Stadtwerken angeboten, Strommieter zu werden und Energie vom Dach zu beziehen. Dafür bekommen sie zertifizierten Ökostrom zu günstigen Konditionen angeboten. Bei gleichem Grundpreis liegt der Mieterstrom-Tarif namens Solargrün im Arbeitspreis knapp 10 Prozent günstiger als der gängige swt-Ökostromtarif bluegreen 2016. Das bedeutet bei einem Verbrauch von 2500 kWh pro Wohnung aktuell eine jährliche Ersparnis von etwa 62 Euro.
Die Stadtwerke Tübingen werden die Anlage betreiben und den Strom den Mietern anbieten. Der GWG gehört das Gebäude, sie hat es in den vergangenen Monaten umfassend energetisch saniert und dabei die Photovoltaik-Anlage sowie alle für das Projekt nötigen Elektro-Installationen einbauen lassen.
Weitere Mieterstrom-Projekte in Tübingen sind bereits geplant oder im Bau. So zum Beispiel im Tübinger Ortsteil Hirschau oder im großen Güterbahnhofareal, wo 570 Wohnungen und 40 Büros entstehen.