Schritt für Schritt kommst Du besser voran!

Von Wernerbremen


Ihr Lieben,
heute Nachmittag möchte ich Euch eine Geschichte von Michael Ende aus dem Buch Momo erzählen. Die Geschichte habe ich zwar vor längerer Zeit bereits einmal erzählt, aber immer dann, wenn ich bei Geschichten, die ich in der Kurzform erzählt habe, die ausführliche Form finde, dann erzähle ich diese Geschichten gerne noch einmal, damit Ihr diese ausführliche Form kennenlernt:

„Beppo Straßenkehrer“

Er fuhr jeden Morgen lange vor Tagesanbruch mit seinem alten, quietschenden Fahrrad in die Stadt zu einem großen Gebäude. Dort wartete er in einem Hof zusammen mit seinen Kollegen, bis man ihm einen Besen und einen Karren gab und ihm eine bestimmte Straße zuwies, die er kehren sollte.

Beppo liebte diese Stunden vor Tagesanbruch, wenn die Stadt noch schlief.
Und er tat seine Arbeit gern und gründlich. Er wusste, es war eine sehr notwendige Arbeit.
Wenn er so die Straßen kehrte, tat er es langsam, aber stetig:

Bei jedem Schritt einen Atemzug und bei jedem Atemzug einen Besenstrich.
Dazwischen blieb er manchmal ein Weilchen stehen und blickte nachdenklich vor sich hin. Und dann ging es wieder weiter: Schritt - Atemzug - Besenstrich.
Während er sich so dahin bewegte, vor sich die schmutzige Straße und hinter sich die saubere, kamen ihm oft große Gedanken. Aber es waren Gedanken ohne Worte, Gedanken, die sich so schwer mitteilen ließen wie ein bestimmter Duft, an den man sich nur gerade eben noch erinnert, oder wie eine Farbe, von der man geträumt hat.
Nach der Arbeit, wenn er bei Momo saß, erklärte er ihr seine großen Gedanken.
Und da sie auf ihre besondere Art zuhörte, löste sich seine Zunge, und er fand die richtigen Worte.

Momodenkmal in Hannover
www.bild.de

"Siehst Du, Momo", sagte er dann zum Beispiel,
"Es ist so: Manchmal hat man eine sehr lange Straße vor sich. Man denkt, die ist so schrecklich lang; das kann man niemals schaffen, denkt man."

Er blickte eine Weile schweigend vor sich hin, dann fuhr er fort:
"Und dann fängt man an, sich zu beeilen. Und man eilt sich immer mehr.
Jedes Mal, wenn man aufblickt, sieht man, dass es gar nicht weniger wird, was noch vor einem liegt. Und man strengt sich noch mehr an, man kriegt es mit der Angst, und zum Schluss ist man ganz außer Puste und kann nicht mehr. Und die Straße liegt immer noch vor einem. So darf man es nicht machen.
"
Er dachte einige Zeit nach. Dann sprach er weiter:
"Man darf nie an die ganze Straße auf einmal denken, verstehst Du?
Man muss nur an den nächsten Schritt denken, an den nächsten Atemzug, an den nächsten Besenstrich. Und immer wieder nur an den nächsten.
"
Wieder hielt er inne und überlegte, ehe er hinzufügte:

"Dann macht es Freude; das ist wichtig, dann macht man seine Sache gut.
Und so soll es sein.
"
Und abermals nach einer langen Pause fuhr er fort:
"
Auf einmal merkt man, dass man Schritt für Schritt die ganze Straße gemacht hat.
Man hat gar nicht gemerkt wie, und man ist nicht außer Puste.
"
Er nickte vor sich hin und sagte abschließend:

"Das ist wichtig."

Ihr Lieben,

diese Geschichte ist ganz wichtig für uns.
Sie kann uns helfen, unsere Kräfte richtig einzuteilen.
Oft haben wir große Aufgaben vor uns oder wissen, dass eine große Anstrengung auf uns zukommt und dann sind wir schon vorher entmutigt, weil wir denken:
Das schaffe ich nie!“ Dazu reichen meine Kräfte nicht aus!
Und dann fühlen wir uns schlecht und als Versager.

Dabei zeigt uns der Straßenkehrer, wie einfach es gehen kann.
Wir dürfen nicht die ganze Aufgabe im Blick haben, sondern wir sollten mit innerlicher Ruhe und Gelassenheit an die vor uns liegenden Aufgaben herangehen und dann diese Aufgaben Schritt für Schritt erledigen. Der Zauber dabei ist, dass die Aufgabe dann gar nicht mehr so schwer ist.

Auch wenn einige von Euch das Beispiel schon kennen, so möchte ich Euch gerne noch einmal das Beispiel erzählen, das mir mein Jugendfreund Hans-Christoph beigebracht hat:

An einem schönen Sommertag nahm er einen Zollstock und maß genau eine Strecke von 10 Metern ab. Dann bat er mich, diese 10 Meter weit zu springen, was mir natürlich nicht gelang, denn das wäre ja Weltrekord.

Anschließend bat er mich, die 10 Meter zu gehen,
was natürlich eine ganz leichte Übung war.

Dann sagte er:
Werner, die meisten Menschen schaffen ihre Aufgaben nicht, weil sie immer gleich alles auf einmal schaffen wollen, weil sie unbedingt 10 Meter weit springen wollen.
Würden die Menschen die 10 Meter gehen, also ihre Aufgaben Schritt für Schritt erledigen, dann wären die allermeisten Aufgaben ganz einfach.

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.
Ich wünsche Euch ein erholsames Wochenende, viel Freude im Kreis Eurer Familien und ich grüße Euch ganz herzlich aus Bremen

Euer fröhlicher Werner

Quelle: Karin Heringshausen