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- Text: Schritt 3 – Achte auf Deine Wahrnehmungen! (PDF, 10 Seiten)
Schritt 3 – Achte auf Deine Wahrnehmungen!
Wie vergangene Woche bereits angekündigt, wird es heute sinnlich. Du hast Dich ja schon ein wenig in Deiner kleinen Welt umgesehen. Vielleicht hast Du Dich auch etwas umgehört, auf Düfte geachtet oder irgendwelche Dinge berührt. Wie Du in den Kommentaren nachlesen kannst, habe ich von ein paar Teilnehmern bereits sehr ausführliche Rückmeldungen über ihre Erfahrungen mit den Achtsamkeitsübungen erhalten. Auch viele E-Mails sind bei mir eingegangen, die mir zeigen, wie intensiv und bereichernd die vergangenen zwei Wochen waren. Das freut mich sehr.
Durch Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken und Tasten entdecken wir die Welt. Heute wollen wir uns den schon etwas geweckten Sinnen und den vielen Eindrücken, die wir durch sie gewinnen können noch etwas ausführlicher und bewusster widmen, und so Dein Leben noch reicher und wertvoller machen.
Wahrnehmung und Wahrheit
Als Kinder spielten wir gerne „Ich sehe was, was du nicht siehst!“ Und da ist mehr dran, als wir damals ahnten. Denn jeder Mensch nimmt sich selbst und seine Umwelt auf eine ganz besondere Art und Weise wahr. Auch Du! Vielleicht hast Du das gerade auch während dieses Kurses schon festgestellt, in dem ich Dich ja immer wieder auffordere, Deine gewohnte Sicht etwas zu verändern.
Ist Dir bewusst geworden, dass Du selbst mit noch so viel Aufmerksamkeit immer nur einen Ausschnitt aus der unendlichen Vielfalt von Sinneseindrücken auswählen kannst, die Dich in jedem Augenblick erreichen? Das, was wir als „Wahrheit“ betrachten, ist tatsächlich nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit, eben der, den wir wahr-nehmen. Oder wie es Pablo Picasso ausdrückte: „Wenn es nur eine einzige Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen.“ Dazu eine kleine Geschichte:
Die Blinden und der Elefant
Es waren einmal sechs weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt.
Die sechs Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von dem Elefanten zu machen.
Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm über den Elefanten berichten. Der erste Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel des Elefanten betastet. Er sprach: „Ein Elefant ist wie ein langer Arm.“
Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: „Nein, ein Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer.“
Der dritte Gelehrte sprach: „Aber nein, ein Elefant ist wie eine dicke Säule.“ Er hatte ein Bein des Elefanten berührt.
Der vierte Weise sagte: „Also ich finde, ein Elefant ist wie eine kleine Strippe mit ein paar Haaren am Ende“, denn er hatte nur den Schwanz des Elefanten ertastet.
Der fünfte Weise meinte: „Der Elefant ist glatt und spitz“, denn er hatte den Stoßzahn in der Hand.
Und der sechste Weise berichtete seinem König: „Also ich sage, ein Elefant ist wie eine riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf.“ Dieser Gelehrte hatte den Rumpf des Tieres berührt.
Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist. Doch der König lächelte weise: „Ich danke euch, denn ich weiß nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der wie ein langer Arm ist, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, die wie starke Säulen sind, mit einem Schwanz, der einer kleinen Strippe mit ein paar Haaren daran gleicht, mit glatten, spitzen Stoßzähnen und mit einem Rumpf, der wie eine große Masse mit Rundungen und ein paar Borsten ist.“
Die Gelehrten senkten beschämt ihren Kopf, nachdem sie erkannten, dass jeder von ihnen nur einen Teil des Elefanten ertastet hatte und sie sich zu schnell damit zufriedengegeben hatten.
Du siehst also, jeder hat seine eigene Sicht der Dinge. Sogar der König hat nur einen Bruchteil der Wahrheit erkannt, denn wir wissen ja, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Und es kommt noch besser: Deine Wahrnehmung ist nicht nur einzigartig, sondern sie verändert sich auch laufend. Beim Aufwachen kommt Dir die Welt anders vor als am Abend. Als Kind hast Du die Dinge anders gesehen als heute. Und morgen wirst Du wieder eine andere Sichtweise haben, vor allem als Teilnehmer dieses Programms.
Über dieses Thema könnte man ganze Bücher schreiben, und das haben auch schon viele kluge Leute getan. Doch Dein Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl ist ein Praxis-Kurs. Deshalb hier ein paar Übungen, um Deine Sinne zu schärfen und Dir etwas Gutes zu tun.
Sehen
Kannst Du Deinen Augen trauen? Betrachte einmal nebenstehende Abbildung. Was erkennst Du?
Du erkennst wahrscheinlich einen Kreis, obwohl nur eine Anzahl gebogener und kreisförmig angeordneter Linien zu sehen ist. Dein Auge wählt aus und konstruiert aus wahrgenommenen Details Figuren und den dazugehörigen Hintergrund. Dabei spielt sich mehr in Deinem Kopf ab als in den Augen selbst. Und das kannst Du bewusst steuern, indem Du Deine Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Dinge richtest.
Übung 3.1: Zwei Maler
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Sieh Dich in Deinem Zimmer um wie ein Maler, der es auf horizontale und vertikale Linien abgesehen hat. Entdecke Dein Zimmer als ein Muster aus diesen Linien. Vielleicht bekommst Du Lust, es genau so einmal zu zeichnen.
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Versuche danach, Dein Zimmer zu sehen als ein Muster in der Farbe Braun. Sieh Dir alles Braune intensiv an und lasse es deutlich und wichtig werden. Du kannst natürlich auch gerne eine andere Farbe wählen, die oft in dem Raum vorkommt, in dem Du gerade bist. Auch hier könntest Du eine Farbskizze anfertigen, die ganz anders ist als die erste.
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Sind es eher Farben oder Formen, die Dir auffallen?
Ist Dir klar geworden, wie sehr Du Dein Leben allein dadurch beeinflussen kannst, dass Du Deine Aufmerksamkeit bewusst lenkst? Vielleicht auf das Schöne und Gute, das Dir auch heute wieder begegnet? Vielleicht auf die freundlichen Menschen, mit denen Du heute zu tun hast? Vielleicht auf all Deine wertvollen Eigenschaften? Probiere einmal aus, wie sehr sich das auf Deine Stimmungen, Gedanken und Gefühle auswirken kann.
Übung 3.2: Farben fühlen
Am eindringlichsten kannst Du den Einfluss des Sehens auf Dein Befinden bei den Farben spüren. Schaue Dir einmal folgendes Video an und achte darauf, wie sich Deine Stimmung verändert. Um den Effekt zu verstärken, schalte am besten den Vollbildmodus ein.
Hast Du die Unterschiede wahrgenommen? Empfindest Du Rot anders als Blau? Achte heute einmal darauf, wie Deine Lieblingsfarben mit Deinen Stimmungen zusammenhängen, wie die Farben Deiner Kleidung und die Farben Deiner Wohnung Dein Befinden beeinflussen und ob Du jetzt farblich etwas ändern willst.
Übung 3.3: Erholung für Deine Augen
Deine Augen leisten Schwerstarbeit, nicht nur heute bei diesen Übungen. Deshalb hier ein paar Möglichkeiten, wie Du ihnen etwas Entspannung gönnen kannst:
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Stell Dir vor, dass von Deiner Nasenspitze ein gerader Lichtstrahl einen Punkt auf die entfernte Zimmerwand wirft.
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Bewege Deinen Kopf nun so, dass dieser Lichtpunkt eine liegende Acht beschreibt und verfolge diesen Lichtpunkt mit Deinen Augen.
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Achte während der Bewegung Deines Kopfes und Deiner Augen auch darauf, dass Du ruhig atmest und auch ab und zu blinzelst.
Diese Übung kann Deinen Augen vor, während und nach der Bildschirmarbeit und auch beim Fernsehen etwas Erholung bringen. Du kannst aber auch in Deiner eigenen Umgebung Deine Augen ab und zu verwöhnen. Zum Ausruhen ist es immer gut, in lebendiges Grün zu schauen oder auch in den Himmel.
Auch die folgende Übung lässt sich einfach und schnell durchführen und hat eine wunderbare Wirkung:
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Schließe die Augen im Stehen, Sitzen oder Liegen.
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Reibe die Hände aneinander, bis sie gut warm geworden sind.
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Lege nun beide Hände so auf die Stirn, dass die hohlen Handflächen wie kleine Höhlen über den geschlossenen Augen liegen.
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Lasse die Hände leicht und ohne Druck in dieser Haltung und spüre, wie die Wärme und Energie von Deinen Händen in die Augen eindringt.
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Atme dabei ruhig fünf- bis zehnmal ein und aus und genieße den Schutz Deiner Augen. Gib Dich einfach der angenehmen Dunkelheit oder Deinen inneren Bildern hin.
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Öffne dann ganz vorsichtig die beiden Hände wie ein Visier und spüre dabei, wie die Außenwelt sich wieder für die immer noch geschlossenen Augen bemerkbar macht.
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Öffne nun vorsichtig die Augen und schaue auf eine nicht zu helle Umgebung.
Ich kann Dir diese Übung, die auch unter der Bezeichnung „Palmieren“ bekannt ist, aus eigener täglicher Erfahrung nur bestens empfehlen.
Hören
Das war jetzt schon wieder eine ganze Menge für heute, deshalb kommt hier nur eine allgemeine Übung, um Dein Gehör zu schulen:
Übung 3.4: Achtsam hinhören
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Achte auf das, was Du hörst: Was hörst Du zuallererst? Was hörst Du am deutlichsten? Woher kommen die Geräusche, wie weit sind sie entfernt? Horche in die Vielfalt der Geräusche, die Dich umgeben, hinein. Wenn Du Dich eine Weile konzentrierst, was kommt alles hinzu? Lenke die Aufmerksamkeit auf bestimmte Geräusche, zum Beispiel menschliche oder technische Geräusche, den entfernten Verkehrslärm, den Vogel vor dem Fenster, den Fernseher des Nachbarn. Spüre, ob die Aufmerksamkeit auf bestimmte Geräusche die Qualität Deines Befindens verändert.
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Schließe eine Weile die Augen und lausche im Dunkeln. Verändert sich Deine Wahrnehmung? Deine Empfindungen? Deine Stimmung?
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Bedecke Deine Ohren mit den Händen und lausche in Deine Ohren hinein.
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Hast Du eine große Muschel, in die Du hineinhorchen kannst?
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Konzentriere Dich eine kleine Weile nur auf ein Geräusch, zum Beispiel das Ticken einer Uhr. Was geschieht mit Deiner Wahrnehmung?
Wie aus der Aromatherapie bekannt ist, lassen sich mit Düften Deine Stimmungen verändern und heilende Wirkungen erzielen. Therapeuten und Massagepraxen verwenden sie, und auch viele Hotels mit eigenem Wellness-Bereich bieten Aromatherapie an. In Japan werden sogar je nach Tageszeit die Mitarbeiter pausenlos mit unterschiedlichen Duftmischungen bedampft, damit sie entweder konzentrierter, effektiver oder entspannter, aber in jedem Fall gut gelaunt ihre Arbeit verrichten. Tatsächlich wird damit viel erreicht. Denn Aromen sprechen unmittelbar unser Riechzentrum an.
Auch Du kannst das ganz leicht selbst ausprobieren und damit Dein Wohlbefinden steigern. Dabei kannst Du getrost auf Deinen Geruchssinn vertrauen, der Dich garantiert zu den Düften führt, die Dir gerade guttun. Sinnvoll ist es allerdings, Dich zuvor über die Wirkung des jeweiligen ätherischen Öls und auch über dessen Anwendungsmöglichkeiten zu informieren. Grundsätzlich erfordert seine konzentrierte Form einen bewussten Umgang. Denn bestimmte ätherische Öle können in hohen Dosen und unverdünnt auch gefährlich und giftig sein und zu Verätzungen führen.
Bei der Auswahl eines ätherischen Öls ist es ratsam, auf die Reinheit und Qualität der Produkte besonders zu achten. Die Gewinnung eines ätherischen Öls ist aufwändig, langwierig und teuer. Meist werden die Essenzen durch Wasserdampfdestillation oder Pressung gewonnen. Nur so kann man den Charakter einer Pflanze in konzentrierter Form erhalten. Aufgrund der Verknappung an Rohstoffen findet man immer häufiger in Bade- oder Massageölen, aber auch in Duftessenzen synthetische, naturfremde Aromastoffe. Diese wirken aber niemals so intensiv und können außerdem Deinen Organismus belasten, da nuturfremde Stoffe nur schwer abgebaut werden können und deshalb häufig im Unterhautgewebe abgelagert werden. Auch Allergien sind eine häufige Folge.
Was Du mit ätherischen Ölen alles tun kannst
Ein großes Sortiment naturreiner ätherischer Öle bietet beispielsweise das deutsche Unternehmen Primavera oder auch die Firma Young Living an. Auch der Schweizer Hersteller Farfalla legt ein besonderes Augenmerk auf die Herkunft seiner Öle. Auf den Webseiten dieser Unternehmen findest Du auch weitere Informationen und Fachbücher. Du kannst dort unter unzähligen Essenzen von Ackerminze über Citronella, Eichenmoos bis hin zu Jasmin und Koriander wählen. Auch exotische Düfte wie Magnolienblätter, Mimose, Ylang-Ylang und Zitronenbasilikum sind hier zu finden.
Die Wirkungsweise der Öle ist umfassend. So können einige entweder desinfizierend (Teebaum, Eukalyptus, Nelke), immunstärkend (Geranium, Bergamotte) oder schmerzstillend wirken (Kamille, Pfefferminze). Wiederum andere können die Stimmung aufhellen (Rose, Rosenholz, Lemongras, Neroli), beruhigend wirken (Lavendel, Melisse, Mandarine, Basilikum) oder die Konzentration verbessern (Zypresse, Salbei). Und mit manchen kann man sogar erfolgreich Insekten abwehren.
Aktivierend sind Essenzen aus Fichtennadel, Rosmarin, Thymian, Muskatnuss oder Citronella. Und eine aphrodisierende Wirkung verspricht man sich von Aromen wie Sandelholz und Jasmin.
Tipps zur Anwendung
Besorge Dir einige ätherische Aromaöle, wie zum Beispiel Apfel, Pfirsich, Ringelblume, Flieder, Zitrone, Vanille, Orange, Zimt oder die oben bereits aufgeführten – was immer Du magst. Gieße etwas Wasser und ein paar Tropfen des Öls in eine Duftlampe aus Keramik und gib Dich ganz den anregenden oder beruhigenden Düften hin. Doch Vorsicht! Bitte erhitze diese Öle nicht. Lasse die Düfte sich also einfach nur im Wasser entfalten, ohne ein Teelicht darunter zu stellen.
Eine wunderbare Alternative ist die Verwendung von Duftsteinen. Sie eignet sich besonders für die Beduftung von kleinen Räumen sowie für Bad, Toilette oder Schreibtisch. Dazu brauchst Du nur 10 bis 15 Tropfen unverdünntes ätherisches Öl auf einen Stein zu geben.
Noch einfacher ist es, ein paar Tropfen des Aromaöls auf ein Baumwolltaschentuch zu träufeln. So kannst Du den Duft den ganzen Tag über immer wieder voll und tief und langsam einatmen.
Darüber hinaus erfreuen sich Aromamassage-Öle und Naturparfums wie die der Firma Lakshmi immer größerer Beliebtheit. Achte aber bitte auch hier darauf, dass sie keine synthetischen Stoffe enthalten.
So weit meine kleine Einführung in die Welt der Düfte. Wie schon beim Hören hier noch eine allgemeine Übung „für alle Tage“ zum Geruchssinn:
Übung 3.5: Achtsam schnuppern
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Achte auf das, was Du riechst, auf die Gerüche in Deiner Umgebung und der Luft, die Du ein- und ausatmest. Wenn Du Dich im Freien befindest, kannst Du auf die wechselnden Gerüche in Deiner Umgebung achten. Wie empfindest Du die Atemluft – kühl oder warm, schwer oder leicht, frisch oder schon etwas abgestanden?
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Nimm unterschiedliche Gegenstände, Gewürze, Obst, Pflanzen usw. und nimm wahr, wie diese riechen. Lasse Deiner Nase zwischen den Erfahrungen ausreichend Zeit.
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Gerüche sind oft eng mit Gefühlen oder Erinnerungen verbunden. Suche in Deiner Umgebung gezielt nach verschiedenen Gerüchen und lasse diese auf Dich wirken. Was ist Dir angenehm, was eher nicht? An was erinnerst Du Dich, was empfindest Du bei verschiedenen Gerüchen?
Schmecken
Essen ist eine sinnliche Angelegenheit, die Du zelebrieren kannst, indem Du jeden Bissen achtsam und dankbar isst. Und je abwechslungsreicher Du Deine Mahlzeiten gestaltest, desto feiner entwickelt sich Dein Geschmackssinn. Biete Deinem Gaumen verschiedene Gemüsesorten an. Schmecke die Feinheiten heraus. Und nimm Dir Zeit, vieeeel Zeit! Im Laufe des Kurses kochen wir gemeinsam auch noch ein paar leckere Gerichte. Spätestens dann kannst Du folgende Übung durchführen. Am besten aber schon heute.
Übung 3.6: Achtsam genießen
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Achte auf das, was Du schmeckst: Nimm einen Schluck oder einen Bissen in den Mund und spüre dem Geschmack nach (süß, sauer, salzig, bitter). Wie ist die Temperatur der Speise oder des Getränks? Ist sie Dir angenehm? Achte auch auf die Konsistenz – ist Dein Bissen weich, fest, hart, knusprig, schmelzend, körnig? Wie wirken sich die verschiedenen Geschmackserlebnisse auf Deine Empfindungen aus?
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Lasse einen Bissen im Mund herumwandern und schmecke, was sich dabei verändert. Nimm einen ganz winzigen Bissen und einen ganz großen Happen, sodass der Mund ganz ausgefüllt ist. Wie ist der Unterschied?
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Auch Geschmackserlebnisse sind sehr oft mit Gefühlen und Erinnerungen verbunden: Kaufe Dir Deine Lieblingsspeise oder bereite sie selbst zu und versuche, Dich so intensiv wie möglich auf den Genuss zu konzentrieren. Was schmeckst Du? Welche Empfindungen und Erinnerungen hast Du?
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Hattest Du als Kind eine Leibspeise? Dann gönne Dir auch diesen Genuss wieder einmal und achte da ganz besonders darauf, was mit Deiner Stimmung geschieht.
Berühren
Die bisher besprochenen Sinnesorgane sind auf einen kleinen Bereich des Körpers beschränkt: die Augen, die Ohren, die Nase, den Mund. Anders der Tastsinn. Er verteilt sich über unser größtes Organ: die Haut. Wusstest Du, dass Deine Haut etwa ein Sechstel Deines Körpergewichts ausmacht? Sie ist lebenswichtig! Grund genug, sie hin und wieder so richtig zu verwöhnen, was meinst Du?
Nimm Dir heute im Laufe des Tages oder während der kommenden Woche etwas Zeit und versuche, Dich einmal nur auf Deinen Tastsinn zu konzentrieren. Hier einige Anregungen, was Du tun kannst, um die Berührungen Deiner Haut besonders intensiv wahrzunehmen:
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Stelle Dich unter die Dusche oder lege Dich in die Badewanne und spüre das Wasser auf Deiner Haut, den Badeschaum oder die Duschcreme auf Deinem Körper. Halte den Duschkopf mal weiter weg, mal ganz dicht an Deine Haut und spüre den Unterschied. Experimentiere ein wenig: Wo gefällt Dir das Wasser besonders gut auf der Haut, an welcher Stelle spürst Du die Wassertropfen besonders intensiv? Welche Gefühle oder Stimmungen wecken diese Erfahrungen?
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Umhülle Dich unbekleidet mit einer weichen Decke, einem kuscheligen Federbett oder einem schmeichelnden Stoff und versuche, möglichst viel von Deiner Haut im Kontakt zu Deiner Umhüllung zu spüren. Welche Empfindungen, Erinnerungen, Bedürfnisse stellen sich ein? Wie ist Deine Stimmung?
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Fasse Dinge an, die Deinen Händen schmeicheln: glatte Steine, poliertes Holz, schön geschwungene Vasen, Schalen, Möbel. Und vor allem: die Haut der Menschen, die Du liebst! Berühre Menschen ruhig öfter beim Sprechen am Arm. Das hilft, Vertrauen herzustellen.
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Und hier noch etwas für die wärmere Jahreszeit, denn der nächste Sommer kommt bestimmt. Gehe in die Natur und lege Dich ins weiche Gras, in den Sand, auf den Waldboden oder ins Heu. Versuche, mit Deinem Tastsinn möglichst den ganzen Körper zu erfühlen. Was nimmst Du wahr? Wo liegst Du hart, wo weicher? Nimm die Sonne oder den Wind auf Deinem Körper wahr. Was empfindest Du? Was ist besonders intensiv?
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Sorge immer wieder für ein paar Streicheleinheiten. Das geht schon beim Eincremen. Betrachte Deine Haut als gute Freundin, die Du pflegst und schützt. All das wird Dir Dein Körper danken.
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Schenke Dir und anderen immer wieder eine Umarmung, nach der wir uns in unserem tiefsten Inneren alle so sehr sehnen.
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Und wenn Du Dir etwas besonders Gutes tun möchtest, dann gönne Dir regelmäßig einmal pro Monat eine Massage. Wenn Du eine Partnerin oder einen Partner hast, könnt ihr euch natürlich am besten gegenseitig verwöhnen.
Ich könnte hier noch seitenweise Übungen aufführen, die Dir dabei helfen können, Deine Sinne zu sensibilisieren. Im Prinzip eignen sich alle Situationen, in denen es Dir möglich ist, innezuhalten und Dich auf Deine Wahrnehmungen zu konzentrieren: an einem Bach, einem Wasserfall, in einer Winterlandschaft, im Regen, in der Sonne, in einer Kirche, beim Schwimmen und, und, und. Wichtig ist, dass Du Dir dafür ausreichend Zeit lässt. Und je öfter Du das tust, desto achtsamer wirst Du werden. Wie ich schon sagte: alles eine Frage der Übung.
Deine Sinne sind wertvoll
Hast Du gemerkt, wie gesegnet Du bist? Du kannst sehen, Du kannst hören, Du kannst riechen, Du kannst schmecken, Du kannst Dich selbst und andere berühren. Allein das ist es schon wert, auf dieser Welt zu sein, findest Du nicht auch? Doch wie oft vergessen wir das und sehen es als etwas Selbstverständliches an.
Wenn Du Dir hin und wieder bewusst machen möchtest, was für ein wundervolles und kostbares Geschenk Deine Sinne sind, und wenn Du lernen willst, diese Fähigkeiten noch mehr zu würdigen, dann lies einmal Biografien wie die von Helen Keller. Aus den Berichten von Menschen, die nicht mehr über einen oder mehrere der Sinne verfügen, die wir anderen gemeinsam haben – sei es von Geburt an oder aufgrund eines späteren Verlusts –, können wir sehr viel über uns selbst lernen. So können wir zumindest einmal darüber nachdenken, was eine solche Erfahrung für uns bedeuten würde, und wir können etwas von denen lernen, die Wege gefunden haben, mit solchen Behinderungen ein erfülltes Leben zu leben. Vielleicht machst Du dann wie ich die Erfahrung, wie sehr die eigenen Sinne plötzlich an Wert gewinnen.
Damit möchte ich für heute enden und einen kleinen Richtungswechsel vornehmen. Nachdem Du in den vergangenen drei Wochen Deine Außenwelt achtsamer wahrgenommen und erkundet hast, wenden wir uns nächsten Freitag Deiner Innenwelt zu und schauen uns Deine Denkgewohnheiten näher an.
Bis dahin eine schöne, erfahrungsreiche und sinnenfrohe Zeit,
Dein Jürgen
PS: Ich möchte dieses Programm für Dich und andere immer weiter verbessern. Deshalb würde ich mich über einen Kommentar von Dir sehr freuen. Wie hat Dir die heutige Ausgabe gefallen? Was war daran gut? Was hätte ich weglassen können? Worauf bist Du besonders neugierig? Schreibe mir bitte ein paar Zeilen. – Vielen Dank!