Schritt 15: Erkenne Deine Lebensaufgabe!

Von Loveroflife

Heute fahren wir fort mit dem dritten und letzten Teil der Einführung in das Enneagramm, das für mich eines der hervorragendsten und einleuchtendsten Modelle für mehr Selbsterkenntnis ist. Du hast die einzelnen Persönlichkeitstypen jetzt bereits ein wenig kennengelernt und mithilfe des Tests inzwischen vielleicht auch herausgefunden, wo Du Dich selbst darin wiederfindest. Heute wollen wir uns einmal anschauen, welche unterschiedlichen Lebensaufgaben sich aus diesen Beschreibungen ergeben. Steigen wir also ohne lange Vorrede gleich wieder ein.

Lebensaufgaben

Für die vorgestellten Enneagramm-Typen 1 bis 9 gibt es jeweils ganz besondere Herausforderungen, die sich aus ihren Ängsten, Fähigkeiten und Abwehrmechanismen ergeben. Wenn wir uns dieser Herausforderung stellen, müssen wir immer unsere Komfortzone überwinden. Das bedeutet, dass wir unsere Denkgewohnheiten, unser typisches Verhalten und unseren Handlungsspielraum erweitern und neue Wege gehen. Das sah bei mir als FÜNF zum Beispiel so aus, dass ich mit dem von mir so fleißig gehorteten Wissen irgendwann den Schritt aus meinem Elfenbeinturm hinaus wagen musste, damit es Früchte tragen konnte. Ein Freund sagte einmal zu mir, ich müsse “aus der Schale kommen”. Für Dich wird es vielleicht eine andere Herausforderung sein, der Du Dich stellen musst, um immer mehr Du selbst zu werden.

Was die einzelnen Persönlichkeiten brauchen, um ihre Lebensaufgabe zu erfüllen, sind nämlich jeweils ganz bestimmte Fähigkeiten und Grundhaltungen, die über ihr “normales” Muster hinausgehen. Und als dynamisches Persönlichkeitsmodell beschreibt das Enneagramm neben den Verhaltensweisen und Persönlichkeitsstilen auch, in welche Richtung unser individueller Entwicklungsweg positiv verläuft, weil wir unsere besonderen Gaben entfalten und unsere Persönlichkeit ins Gleichgewicht bringen können. Für mich ist das der große Vorteil dieses Modells, denn ich möchte ja nicht nur wissen, wer ich bin. Ich möchte vor allem erfahren, wer ich sein kann! Und das wird im Enneagramm anhand dieser Pfeile dargestellt. Wenn wir für uns erkannt haben, welcher Typ wir überwiegend sind, dann schauen wir uns einfach an, zu welchem Typ der Pfeil weist (von der 5 zum Beispiel auf die 8). Und anhand der positiven Eigenschaften und Verhaltensweisen dieses Typs können wir genau das lernen, was wir für unsere Weiterentwicklung und unser inneres Gleichgewicht noch brauchen.

Wenn Du aufmerksam durchs Leben gehst, kannst Du beobachten, dass Menschen das oft sogar ganz unbewusst tun. Das Enneagramm ist ja nicht erfunden worden, um Dir vorzuschreiben, wie Du Dich zu entwickeln hast. Es beschreibt und strukturiert vielmehr in seinem System die unzähligen Beobachtungen, wie Menschen sich im Laufe ihres Lebens verändern, wenn sie in guter seelischer Verfassung und auf einem guten Weg sind.

Wie bereits in Schritt 13 möchte ich auch heute wieder systematisch vorgehen, und mir gemeinsam mit Dir die einzelnen Typen der Reihe nach ansehen. Diesmal nur weniger allgemein, sondern mit dem Schwerpunkt Lebensaufgabe.

Typ 1

Für Menschen vom Typ 1 heißt die zentrale Lebensaufgabe, zu akzeptieren, dass es nicht nur richtig und falsch gibt, sondern dass es mehr als nur einen “richtigen” Weg gibt.

Die Fähigkeit, in Wahlmöglichkeiten zu denken, können sie bei SIEBENern lernen, genauso wie das Alle-Fünfe-gerade-sein-Lassen. Wenn EINSer diese Hürde meistern, dann werden ihre visionären und reformerischen Anteile auch von anderen gewürdigt. Dann brauchen sie nicht mehr mit Strenge zu (be)urteilen, sondern können manche Ungereimtheiten, Widersprüche und Unvollkommenheiten lassen, wie sie sind, und sich vom Zwang des eigenen Anspruchs lösen. Mit ihrer heiteren Ausgeglichenheit erreichen sie wesentlich mehr an Veränderungen als mit kritischem Perfektionismus.

Wenn EINSer in einer guten Verfassung sind, sind sie entspannt und gelöst und gehen humorvoll mit sich und anderen um. Diabolo – der bei ihnen normalerweise oft zu Wort kommt – tritt in den Hintergrund, sie richten ihr Augenmerk mehr auf positive Entwicklungen als auf Fehler und erleben Leichtigkeit und Lebensfreude.

Typ 2

Für ZWEIer heißt die zentrale Lebensaufgabe, sich selbst anzunehmen und zu lieben und sich in seinem Selbstwertgefühl von der Zustimmung anderer unabhängig zu machen. Diesen Kurs habe ich also vor allem für die ZWEIer unter uns geschrieben und produziert.

Der Pfeil geht zu Punkt 4, wo ZWEIer die Fähigkeit, sich mit sich selbst und den eigenen Gefühlen zu beschäftigen, sehr stark ausgeprägt finden. Was für VIERer eine Selbstverständlichkeit ist, sich selbst wahrzunehmen und bei der eigenen Befindlichkeit zu verweilen, ist für ZWEIer eine manchmal unüberwindlich scheinende Hürde. Sie zu nehmen beschenkt ZWEIer mit tiefer Demut und macht sie zu ZWEIern, die ihren Wert in sich selbst finden.

Wenn Menschen vom Typ 2 in einer guten Phase sind, erspüren sie ihre persönlichen Bedürfnisse und entdecken ihre eigene Kreativität. Dadurch werden sie frei, ihr natürliches Talent, etwas für andere zu tun, zu entfalten, ohne darauf angewiesen zu sein, dass ihnen durch Dankbarkeit gezeigt wird, wie liebenswert und unersetzlich sie sind.

Typ 3

Für Menschen vom Typ 3 heißt die zentrale Lebensaufgabe, Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu entwickeln und die Wirklichkeit ohne Beschönigung anzunehmen, wie sie ist. Für DREIer habe ich die Themen der ersten Etappe behandelt.

Für ihre Entwicklung können sie sehr viel von Punkt 6 lernen. Besonders können sie sich solche Menschen zum Vorbild nehmen, wenn es darum geht, sich für Menschen oder eine Sache zu entscheiden und dann loyal dazu zu stehen, unabhängig davon, wie die Lage sich entwickelt. SECHSer sind Meister darin, Schwachstellen zu entdecken und vorauszusehen, was schief gehen kann. Die bei der SECHS übertriebenen Selbstzweifel bewirken bei DREIern, dass sie sich in ihrer einseitigen Leistungsorientierung selbst in Frage stellen. Sie helfen ihnen, Versagen nicht zu beschönigen, sondern es zu akzeptieren und sich zuzugestehen. Wenn DREIer sich darauf einlassen können, ohne Schönfärberei und Zweckoptimismus die Realität anzuschauen und auf Schein zu verzichten, kommt ihr Talent, tüchtig und effizient zu sein und andere motivieren zu können, zu seiner besten Entfaltung, weil sie es nicht mehr dazu benutzen müssen, Schönheitsfehler zu verdecken und ihr Mäntelchen nach dem Wind zu drehen. DREIer, die glaubwürdig sind und auf die man sich verlassen kann, haben sich aus ihrer Selbstverstrickung befreit.

Wenn DREIer in einer guten Phase sind, treten Erfolg und Leistung in den Hintergrund. Sie finden Zugang zu ihren persönlichen Gefühlen, erkunden, wer sie wirklich sind, und entdecken Tätigkeiten, die nicht nur nützlich sind, sondern einen tieferen Sinn in sich selbst haben.

Typ 4

Für VIERer heißt die zentrale Lebensaufgabe, zufrieden zu sein mit dem, was ist, und das einfache Glück zu schätzen. Menschen vom Typ 4 werden vor allem von Etappe 4 profitieren.

Bei Typ 1 finden sie das, was sie dazu brauchen, in hohem Maße. Von EINSern können sie lernen, von ihrer subjektiven Befindlichkeit abzusehen und allgemeine Wertmaßstäbe, Normen und Verbindlichkeiten zu entwickeln und anzuerkennen. Das bedeutet beispielsweise, ordentlich zu sein um der Ordnung willen und unabhängig davon, wie sie sich gerade fühlen. Damit entkommen VIERer dem Zwang, sich immer wieder neu für oder gegen etwas entscheiden zu müssen und gerade das nicht zu schaffen, weil sie dabei das wirklich Große, Wahre verpassen könnten. Extravertiert zu sein und sich wie EINSer der Welt zuzuwenden, holt VIERer aus ihrer Isolation, in der sie nur um sich selbst kreisen, und ermöglicht ihnen, ihre Sensibilität im Engagement für reale, wirklichkeitsnahe Projekte ausleben zu können, ohne sich immer wieder als etwas Besonderes erleben und darstellen zu müssen.

Wenn VIERer in besonders guter Verfassung sind, verfügen sie über eine klare Sicht der Dinge. Sie entwickeln Prinzipien und verbindliche persönliche Wertvorstellungen und setzen sie in konkretes Handeln um, ohne sich von ihren Gefühlen überwältigen zu lassen.

Typ 5

Für FÜNFer wie mich heißt die zentrale Lebensaufgabe, sich auf andere Menschen einzulassen und freigebig sich selbst, ihr Wissen und Materielles mit anderen zu teilen. Du siehst also, dass ich mit diesem Kurs genau auf dem richtigen Weg bin, um meiner Bestimmung zu folgen!

Dazu brauchen sie die Fähigkeit, nach außen aufzutreten und ohne Aufforderung von sich aus etwas verlauten zu lassen. Das kann auch heißen, laut zu werden (das fällt mir noch sehr schwer). Diese Fähigkeiten können wir FÜNFer von Punkt 8 lernen. Wenn FÜNFer auf diese Weise ihre Neigung zum Rückzug und zur Verweigerung überwinden, ernten sie wahre innere Freiheit und Unabhängigkeit (war das mit 95% nicht mein oberster Wert?!), die nichts mit Isolation und Elfenbeinturm zu tun hat. Das Talent der FÜNFer, objektiv zu beobachten und weise zu interpretieren, kommt allen am meisten zugute, wenn sie sich unter die Leute mischen und sich mitteilen. (Ich denke, das kannst Du bestätigen, oder?)

Für SECHSer heißt die zentrale Lebensaufgabe, ihre Skepsis und Vorsicht zu überwinden und sich selbst und anderen zu vertrauen.

Um das zu können, müssen sie lernen, ihre Gedankenspielereien und Projektionen zu relativieren und deren Bedeutung nicht so wichtig zu nehmen. Diese Lektion holen sie sich am besten bei NEUNern ab. Die Gelassenheit der NEUNer und ihre Fähigkeit, von sich selbst abzusehen, geben SECHSern den Mut, zu akzeptieren, dass sie sich nicht gegen alles absichern können, die Courage, auch mal ein Risiko (auch in Bezug auf Menschen) einzugehen und die Zuversicht, dass die Welt nicht untergeht, wenn mal was schief geht. Wenn SECHSer das schaffen, wird ihr Talent, umsichtig und vorbeugend zu handeln, zum Segen für alle, weil es nicht aus dem Zwang geschieht, sich absichern zu müssen, sondern in gelassener Umsicht und Zuverlässigkeit.

Wenn SECHSer in einer guten Phase sind, strahlen sie Selbstvertrauen und innere Ruhe aus. Sie vertrauen darauf, dass die Dinge sich zum Guten wenden, und reagieren flexibel auf Menschen und Situationen, ohne ständig alle Eventualitäten zu hinterfragen. Sie sind in Kontakt mit ihrem Körper und vertrauen ihrer eigenen Intuition.

Typ 7

Für SIEBENer heißt die zentrale Lebensaufgabe, Maß zu halten und konsequent bei einer Sache zu bleiben. Wenn Du das hier liest, hast Du schon eine Menge Disziplin bewiesen. Immerhin sind wir schon bei Schritt 15! Die noch kommenden 37 Schritte schaffst Du jetzt mit links.

Dazu müssen Menschen vom Typ 7 die Fähigkeit erwerben, nicht die Abwechslung zu suchen, sondern sich auf ausgewählte Dinge zu konzentrieren. Dies können sie bei FÜNFern lernen (!), die Meister darin sind, in die Tiefe zu gehen und sich zum Experten zu entwickeln. Dann wird es ihnen auch gelingen, Dinge zu Ende zu bringen, bevor sie etwas Neues anfangen, und sie werden in ihren Beziehungen verlässlicher und berechenbarer.

Unter solchen Voraussetzungen können andere sich anstecken lassen von ihrer Lebensfreude und ihrem Optimismus, und ihre Genussfähigkeit kommt in angemessener Weise zum Tragen und nicht als Zwang zu immerwährendem Frohsinn. Erst wenn SIEBENer in der Konzentration auch den dunklen Seiten des Lebens nicht ausweichen, können ihre Talente, immer noch etwas Positives zu sehen und immer noch eine Alternative in petto zu haben, die größtmögliche Wirkung für sie selbst und für andere entfalten.

Wenn SIEBENer in einer guten Verfassung sind, schotten sie sich zeitweise von äußeren Reizen ab und wenden sich nach innen. Sie gehen langfristige Bindungen an Menschen und Lebensumstände ein und erleben eine tiefere Dimension von Glück, das gewonnen wird durch die zeitweilige Annahme von Schmerz, Auseinandersetzung oder auch Langeweile.

Typ 8

Für Menschen vom Typ 8 heißt die zentrale Lebensaufgabe, sensibel zu werden für die innere Befindlichkeit anderer und mit Stärke und Macht angemessen umgehen zu können.

Dazu brauchen sie die Fähigkeit, die Bedürfnisse anderer Menschen wahrzunehmen und sich auf sie einzustellen, die sie hervorragend bei Punkt ZWEI erwerben können. Wenn es ACHTern dann noch gelingt, ihre weiche Seite zu spüren und zu zeigen, werden sie die Menschen in ihrem Umfeld nicht mehr einschüchtern, sondern sich für sie einsetzen und sich selber Einhalt gebieten, wenn sie Gefahr laufen, die Grenzen anderer zu überschreiten. Auf diese Weise “gezähmt” wird ihre Energie zum Segen für ihre Umgebung, weil sie so auch anderen die Kraft geben, ihr Potenzial zu entwickeln.

Wenn ACHTer in bester Verfassung sind, haben sie ein offenes Herz für andere Menschen und stellen sich schützend vor Familie, Freunde und Mitarbeiter. Ihre harte Schale wird dünner und sie können ihren weichen Kern, ihre eigene Verletzlichkeit und Schwäche wahrnehmen, sichtbar machen und berücksichtigen.

Typ 9

Für NEUNer heißt die zentrale Lebensaufgabe, ins Handeln zu kommen, die Motive dafür in sich selbst und nicht bei anderen zu finden, ihre eigenen Interessen ernst zu nehmen und für sich selbst zu sorgen. (Lange hatte ich gedacht, ich wäre eine NEUN, und die hier genannten Herausforderungen musste ich auch meistern, wie viele andere der unter den einzelnen Typen genannten.)

Die dafür nötigen Lektionen bekommen sie bei DREIern, die als “Macher” pragmatisch entscheiden und dann ohne zu zögern handeln. Wenn es NEUNern mit dieser Strategie gelingt, sich nicht schicksalsergeben mit den Gegebenheiten abzufinden, sondern Stellung zu beziehen und etwas zu verändern, dann entfalten ihre vermittelnden Talente ihre stille Kraft. Sie überwinden Ablenkung, Selbstbeschwichtigung und Vergesslichkeit und handeln tatkräftig und entschlossen.

Wenn Menschen vom Typ 9 in einer guten Phase sind, sind sie aktiv und finden Erfüllung in effizientem, zielorientiertem Handeln. Sie spüren und berücksichtigen ihre Bedürfnisse nach Autonomie und können es wohlwollend akzeptieren, im Mittelpunkt zu stehen, während sie schwierige Situationen managen.

Ich denke, bei diesen Ausführungen ist noch deutlicher geworden als in Schritt 13, dass es für uns wichtig ist, so viele dieser positiven Eigenschaften wie möglich zu entwickeln, wenn wir eine rundum gesunde Persönlichkeit sein wollen.

Wer jetzt aber denkt, dass er das alles sein müsste, damit er wertvoll ist, den möchte ich auf die Einstimmung zu diesem Kurs verweisen. DU BIST SCHON WERTVOLL! Doch wie einem Diamanten können wir unser wahres Wesen noch mehr zum Funkeln bringen, wenn wir ans Licht kommen und all unsere Facetten entfalten. Wir müssen uns dabei gar nicht vom Leben schleifen lassen. Wir können das ganz einfach selbst tun und Spaß daran haben. Dafür bist Du in diesem Kurs!

Und damit das mit dem Wohlbefinden und der Freude auch etwas wird, verlassen wir nun diese recht trockene Teilstrecke auf Deinem Weg zu einem gesunden Selbstwertgefühl und wenden uns wieder angenehmeren Dingen zu. Die kommenden Wochen sind ganz Deinen körperlichen und seelischen Bedürfnissen gewidmet. Ich zeige Dir, wie Du Dich einmal so richtig verwöhnen kannst. Denn Du bist es wert!

Denke immer daran: So wichtig Selbsterkenntnis auch ist, so wichtig ist es auch, die Seele einmal baumeln zu lassen und einfach nur zu SEIN. Denn was zählt ist das Hier und Jetzt. Was Du jetzt gerade denkst, was Du im Moment fühlst und was Du in diesem Augenblick tust, das alles sagt viel mehr über Dich aus als alle Modelle und Tests der Welt!

Ich wünsche Dir eine schöne Zeit,
Dein Jürgen

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