Für wen schreibst du?
Für MICH!So simpel diese Aussage erscheinen mag, umso mehr Überzeugung, Ausdauer und Biss bedarf jener offensichtliche Standpunkt immer häufiger. Denn wenn man erst einmal damit begonnen hat, seine Zeilen mit einem öffentlichen Publikum zu teilen — sei dies nun in Form einer regelmäßig erscheinenden Kolumne, eines Blogs, eines Buches, eines Liedes, eines Drehbuchs—, sobald man nicht mehr nur für die eigene Schublade schreibt, stellen sich Fragen, müssen Entscheidungen getroffen und Wege eingeschlagen werden.
Natürlich wachsen wir mit unseren Aufgaben, Herausforderungen und unseren kleinen und größeren Erfolgen. Wäre auch irgendwie tragisch, wenn nicht, schließlich bietet gerade das "kreative Business" unerschöpfliche Möglichkeiten, sich selbst auszuprobieren, die eigene Wohlfühlnische zu finden. Doch bevor wir durchstarten, sollten wir uns eine Frage selbst und ganz ehrlich beantworten: Für wen mache ich das Ganze?
Klar, ich schreibe, um gehört zu werden. Doch welche Ambitionen hege ich darüber hinaus?Lockt mich am meisten die Chance, tatsächlich berühmt zu werden und in die Fußstapfen von J. K. Rowling, Sir Arthur Conan Doyle & Co. zu treten? Möchte ich mich vor Anfragen kaum retten können und im Auftrage anderer schreiben? Oder schreibe ich "einfach nur", weil es meine von Herzen kommende Passion ist, die ich nach meiner Façon leben möchte und deren unbezahlbarer Bonus es ist, dass sie (rein zufällig) den Geschmack meiner Mitmenschen trifft und reflektiert wird?! Um wahrgenommen und anerkannt zu werden, neigen wir häufig dazu, uns anzupassen. Weshalb? Vielleicht ist es manchmal bequemer. Möglicherweise ist es gefragter, in diese eine Schublade zu passen. Eventuell verschaffe ich mir auf diese Weise schlichtweg schneller Gehör. Das soll keinesfalls ein Vorwurf sein, vielmehr ist es eine Feststellung und nicht zuletzt eine persönliche Entscheidung.
Doch wer sich dafür entschieden hat, auf die Nachfrage "Für wen schreibst du?" mit "Für MICH!" zu antworten, der lebt seine ganz individuelle kreative Ader aus — und zwar in allererster Linie, um dem eigenen Glück ein Stückchen näher zu kommen. Wenn dabei Bekanntheitsgrad, finanzielles Polster und/oder Einfluss ganz nebenbei wachsen, dann ist das sehr angenehm, doch keinesfalls Grund, übermütig zu werden.
Was ich festgestellt habe, ist, dass in der heutigen Zeit eine aufrichtige, deutlich spürbare Bescheidenheit und Dankbarkeit für mir gegebene Chancen trotz des Wissens um das eigene Talent, die persönliche Wirkung auf andere, das eigene Können immer weniger Wert beigemessen werden. Warum eigentlich? Für mich sind Künstler — egal welchen Genres und welcher Popularität — Menschen wie du und ich, die zwar "so manches mit großer Kompetenz reißen" und dabei dennoch ihre Wurzeln nie aus dem Auge verlieren, wahre Sympathieträger. Lange Rede, kurzer Sinn: Wenn wir unserer Leidenschaft Flügel verleihen, weil sie von Herzen kommt, dann hat das letztlich doch die allergrößte Überzeugungskraft — für mich jedenfalls. Da passt dieses Zitat des amerikanischen Autoren Dr. Seuss doch perfekt und sollte die Steilvorlage für unser Schaffen sein:
“Today you are You, that is truer than true. There is no one alive who is Youer than You.”