Schöne neue Aussenpolitik: Krieg statt Völkerrecht

Krieg statt VölkerrechtDass Bundespräsident und Regierungsmitglieder in Deutschland für Militärinterventionen werben, wird durch Kirche und Parteien verstärkt. Besonders weit lehnen sich die Grünen mit ihrer Heinrich Böll-Stiftung aus dem Fenster, die auch gleich einen Reader unter dem Titel “Auf dem Weg zu mehr Verantwortung? Bestandsaufnahme und Perspektiven deutscher Außenpolitik  angesichts der Gefahren für die europäische Friedensordnung” veröffentlicht hat.

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Stiftungs-Namensgeber und ehemals Aufrüstungsgegner Heinrich Böll – Er wäre sicher wenig erfreut über die Haltung der Grünen - Foto: © Harald Hoffmann CC-BY-SA-3.0-de

Diese Propagandaschrift ganz im Sinne des US State Department spart nicht mit Klischeevorstellungen, unter anderem jener, dass diejenigen Herrschaften in Deutschland mit Moskau sympathisierten, die zum Beispiel auf Feminismus allergisch sind. Konsequenterweise wurde beim Reader dann eine 100%ige Männerquote eingehalten, denn die Beiträge stammen von Heinrich August Winkler, Ralf Fücks, Joscha Schmierer, Bodo Weber, Jan Techau, Robert Kappel, Vladislav Inotsentsev, John Kornblum, Stefan Meister, James Sherr. Kornblum war US-Botschafter in Deutschland, Weber ist beim Democratization Policy Council, Techau bei Carnegie Europa, Meister beim European Council on Foreign Relations, das aus der Zeit von Rotgrün stammt  – der Background passt also entsprechend der zu vermittelnden Botschaft.

Es geht mit dem ersten Beitrag “Die Spuren schrecken – Putins deutsche Verteidiger wissen nicht, in welcher Tradition sie  stehen” in die Vollen, denn Autor Heinrich August Winkler ist tatsächlich Geschichtsprofessor an der Berliner Humboldt-Universität.

Mit seriöser Wissenschaft oder gar Objektivität hat sein Text jedoch nichts zu tun. So behauptet Winkler, es habe keineswegs “1990 die ‘gemeinsame Überzeugung’ des Westens und der Sowjetunion gegeben, die Nato nicht über die Oder auszudehnen” “Der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher hat zwar, wie der SPIEGEL im November 2009 aufgrund unveröffentlichter Akten aus westlichen Archiven berichtete, gegenüber seinem sowjetischen Kollegen Eduard Schewardnadse am 10. Februar 1990 bemerkt, dass sich die Nato anlässlich der deutschen Wiedervereinigung nicht nach Osten ausdehnen würde: ein Verdikt, das der Chef der Bonner Diplomatie nicht nur auf das Territorium der noch existierenden DDR bezog, sondern auch ‘ganz generell’ verstanden wissen wollte.
Der Mann aber, auf den es ankam, Präsident George H. W. Bush, dachte gar nicht daran, der Sowjetunion eine derart umfassende Zusage zu geben, und er setzte sich damit durch. Was zwischen West und Ost vereinbart wurde, ist im Zwei-plus-Vier-Vertrag über die deutsche Einheit niedergelegt und wird seitdem eingehalten: ‘Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands (dem Territorium der DDR) weder stationiert noch dorthin verlegt.’ Die in letzter Zeit häufig wiederholte und auch von Putin aufgestellte Behauptung, die Nato habe ihr Versprechen gebrochen, sich nicht nach Osten auszudehnen, ist eine historische Legende.”  Dass es keineswegs eine Legende ist, kann Herr Winkler unter anderem beim ehemaligen Staatssekretär im Verteidigungsministerium und langjährigen Bundestagsabgeordneten Willy Wimmer (CDU) in Erfahrung bringen.

Doch Winkler agitiert lieber: “Die ehemaligen Mitglieder des Warschauer Pakts, die sich ab 1999 der Nato anschlossen, machten damit von ihrer neugewonnenen Souveränität und von einem Recht Gebrauch, das ihnen die Sowjetunion 1975 in der Helsinki-Schlussakte ausdrücklich zugestanden hatte: dem Recht, Vertragspartner eines Bündnisses zu sein. Bei Putins deutschen Apologeten geht das Verständnis, das sie für russische Sicherheitsinteressen aufbringen, mit einem Mangel an Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse der Staaten Ostmittel- und Südosteuropas einher. Die Folge sind neue Zweifel an der Berechenbarkeit Deutschlands, vor allem in Polen und den baltischen Republiken. Wer, wie manche Vertreter des konservativen Flügels der Russland-Versteher, an die vermeintlich gute Tradition deutsch-russischer Sonderbeziehungen anknüpfen möchte, setzt damit den Zusammenhalt des atlantischen Bündnisses und der Europäischen Union aufs Spiel.”

Das Gleichsetzen von EU- und NATO-Mitgliedschaft mit “Souveränität” ist blanker Zynismus, bedenkt man die Dominanz der USA über beide und auch die engen Verflechtungen zwischen EU und NATO. Wie es um “Souveränität” bestellt ist, zeigen auch der Druck der USA auf Staaten und PolitikerInnen oder dass bislang kein EU-Land den “Mut” hatte, Edward Snowden Asyl anzubieten. “Sicherheitsbedürfnis” ist natürlich genau die Diktion, mit der Interessen der USA Staaten und Bevölkerungen gegenüber durchgesetzt werden. “Die Zustimmung, die Wladimir Putin heute in konservativen Kreisen des Westens erfährt, kommt nicht von ungefähr. Sein Kampf gegen ‘homosexuellenfreundliche Propaganda’, gegen den Geist des Feminismus und die Libertinage, sein Eintreten für die überlieferte Form des familiären Zusammenlebens und traditionelle Werte schlechthin: Das alles sichert ihm den Beifall christlicher Fundamentalisten und von Ideologen der amerikanischen Rechten. Pat Buchanan, zur Zeit Ronald Reagans einer der Wortführer der ‘moral majority’, lobt neuerdings Putins ‘paläokonservative Bewegung’.”

Winkler übersieht großzügig den breiten Widerstand auch links der Mitte gegen Kriegsrhetorik und hat, obwohl Professor für neueste Geschichte, offenbar noch nie etwas nachrichtendienstlichen Methoden gehört. Denn die Unterstellung von “Homosexuellenfeindlichkeit” und “Antifeminismus” dient einer Kampagne, für die Menschen mobilisiert werden, die sich gerne zu allem und jedem zu Wort melden, seien sie Politiker oder in NGOs aktiv. Damit wird das eigene Handeln der USA und ihrer Vasallen immunisiert, weil “gute Menschen” ja angeblich nichts “Böses” tun können. Es erinnert nicht nur der Thematik wegen sehr daran, wie die Grünen den Holocaust instrumentalisierten, um den Kosovokrieg zu rechtfertigen. Doch die US-freundliche Linie der Grünen dient auch dazu, der Kritik an der Völkerrechtswidrigkeit des Kosovokrieges die Spitze zu nehmen, indem man Völkerrecht als Rahmen und Maßstab an sich in Frage stellt.

Willy Wimmer kommentiert unter dem Titel “‘Krieg in unserer Zeit’, eine deutsche Partei ergreift Partei für den Krieg” den Reader: “Eigentlich wäre ein neuerliches Credo aus der grünen Ecke für Krieg nicht nötig gewesen. Spätestens seit dem Wirken des ehemaligen grünen Außenministers Fischer vor, während und nach dem Jugoslawien-Krieg weiß man, was ‘fliegende Fahnen’ bei den Grünen bedeuten. Da darf auch mal ‘Auschwitz’ bemüht werden, ohne dass es für diese widerliche Instrumentalisierung einen gewaltigen öffentlichen Aufschrei gegeben hätte. Noch bevor die Kriegstrommeln gerührt werden, schallt schon Begeisterung für neuerliches Schlachten aus der ‘grünen Ecke’.” Wimmer zitiert auch aus dem “neuen, grünen Leitfaden für den nächsten Angriffskrieg”: “….die deutsche Politik muss akzeptieren, dass das bestehende internationale System, allen voran die Vereinten Nationen, nicht den Herausforderungen der Weltunordnung des 21. Jahrhunderts entsprechen. Das bedeutet praktisch zu akzeptieren, dass ein Agieren außerhalb des bestehenden völkerrechtlichen Rahmens vonnöten sein kann, wenn die Stabilität der internationalen Ordnung gefährdet ist.”

Schöne neue Aussenpolitik: Krieg statt Völkerrecht

Und wenn man dies tut, bleibt es folgenlos, von einem Farbbeutel für Fischer mal abgesehen – in Den Haag muss man sich jedoch ganz sicher nicht rechtfertigen. “Der Mentor für dieses Denken ist bedeutend und damit die ganze Perversion des Denkens ihm auch gerecht werden kann, soll demnächst an der altehrwürdigen Universität Bonn ausgerechnet ein Völkerrechtslehrstuhl mit seinem Namen verbunden werden. Es handelt sich um den ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger, der vor dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien nicht müde geworden ist, in deutschen und internationalen Publikationen die Beseitigung des in Europa seit dem Mittelalter entwickelten Völkerrechts zu fordern. Stattdessen sollte eine internationale Ordnung geschaffen werden, die der Bedürfnislage der USA auf Weltherrschaft entsprechen würde. Nürnberg oder der Gedanke daran sollte verschwinden. Ein Gedanke, der für jemanden mit größerer Ortskenntnis geradezu verlockend erscheinen musste, wenn es um fadenscheinige Begründungen für Angriffskriege á la Irak, etc. gehen sollte.”

Wimmer erinnert auch daran, dass Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Jänner dadurch auffiel, sich nicht vorbehaltslos dafür stark zu machen, “die bestehende Völkerrechtsordnung zu festigen, um mit den objektiv vorhandenen Schwierigkeiten fertig werden zu können. Oberste deutsche Bundesgerichte hatten in den letzten Jahren Urteile zu der Frage Krieg-Völkerrecht-Grundgesetz-Soldatengesetz gefällt, die eigentlich jeder Bundesregierung die Schamesröte ins Gesicht hätte treiben müssen. Dazu schwieg der oberste Hüter der Verfassung ebenso wie die jeweilige Bundesregierung es vermocht hatte. Wo war sein Bekenntnis dazu, dass in Anbetracht der Geschichte seit dem Jugoslawien-Krieg, dem mörderischen Krieg gegen Irak und deutscher Hilfeleistungen dazu sowie der Killereinsätze amerikanischer Drohnen über deutsche Standorte, von deutschem Boden nie wieder ein Angriffskrieg würde gestartet werden dürfen? Wo war sein Bekenntnis dazu, nach dem Soldatengesetz nicht dem einzelnen Soldaten die Antwort auf die Frage aufbürden zu dürfen, ob sein Handeln mit dem Völkerrecht übereinstimme?”

Gauck setzte die Achtung der Menschenrechte in den Kontext von Einsätzen der Bundeswehr, die in Zukunft, wenn der Parlamentsvorbehalt fällt, praktisch auf Befehl des NATO-Oberbefehlshabers Breedlove erfolgen werden. Wie war das noch mal mit “Souveränität” in Winklers Beitrag? Schützenhilfe bekommt Gauck nicht nur von den Grünen, sondern auch von katholischer und evangelischer Kirche, da Militäreinsätze “Gewalt stoppen” könnten. Eine, die nicht mitmacht, ist übrigens unter anderem Feministin – Florence Herve, die es ablehnt, das Bundesverdienstkreuz aus Gaucks Händen zu erhalten: “Inzwischen werden Frauen zum Dienst in der Bundeswehr zugelassen, mit dem fadenscheinigen Gleichstellungsargument, was viele von uns – darunter auch ich – in den 1980er-Jahren entschieden kritisiert haben. Heute werden Frauen als Soldaten in Kriegsgebiete geschickt.
Zudem sollen sie die Bundeswehr ‘weiblicher’ machen und sie ‘familienfreundlicher’ erscheinen lassen. Was haben Kampfeinsätze mit Familienfamilienfreundlichkeit zu tun, was mit Emanzipation? ‘Wir wollen keine Kriege lindern, sondern verhindern’, hieß es schon damals. Wir brauchen keine Bundeswehrsoldaten – auch nicht weibliche – im Schulunterricht, sondern eine konsequente Friedenserziehung. Sogenannte humanitäre Interventionen, an denen auch die Bundeswehr beteiligt war und ist, haben sich längst als inhuman erwiesen. Erinnert sei nur an Kunduz und den Kosovo-Krieg. Die Opfer sind in besonderem Maße unbeteiligte Zivilisten, Frauen und Kinder. Die Zunahme des Rüstungsexports und die angekündigte stärkere, notfalls auch militärische Interventionspolitik stehen im Widerspruch zu einer Politik des Friedens. ‘Die Waffen nieder’ rief schon die österreichische Friedenskämpferin Bertha von Suttner vor 125 Jahren.”

Es sei daran erinnert, dass auch in Österreich ein Paradigmenwechsel in Richtung Einsatzarmee und NATO durchgesetzt werden soll; dafür wurden auch Politikerinnen instrumentalisiert, die sich als “Feministinnen” verstehen und meinen, es gehe ganz einfach um “Karrierechancen” für Frauen, aber keine Ahnung haben, wie internationale Sicherheitspolitik gemacht wird und welche Strukturen man braucht, um an Militärinterventionen teilzunehmen. Deshalb haben solche “Feministinnen” – auch in Österreich besonders bei Sozialdemokraten und Grünen zu finden – auch nie verstanden, worum es wirklich geht, anders als couragierte und klar denkende Feministinnen wie Florence Herve. In ihrer schriftlichen Reaktion spricht Herve Gauck auch direkt an, denn er fordert “ein stärkeres Engagement in Afrika – auch im Sinne militärischer Einsätze. Dies hat mit einem friedlichen Zusammenleben wenig zu tun. Vonnöten wäre dagegen eine Aufarbeitung der historischen Verantwortung für die anhaltende Ungleichheit und Ausbeutung der betroffenen Länder vor dem Hintergrund der deutschen Kolonialgeschichte. Zum Beispiel gegenüber dem heutigen Namibia: Es gab 2004 eine symbolische Geste der Entschuldigung für den 1904 begangenen Völkermord an den Hereros durch die damalige Ministerin für Entwicklung und Zusammenarbeit. Dabei blieb es bis heute. Weder Entschädigung noch Wiedergutmachung folgten.”

Schöne neue Aussenpolitik: Krieg statt Völkerrecht

German Foreign Policy fasst die Entwicklung der letzten Zeit prägnant zusammen: “Mit prominent besetzten Fachtagungen haben die Parteistiftungen der CDU und von Bündnis 90/Die Grünen die deutsche Elitenkampagne für eine aggressivere deutsche Weltpolitik fortgeführt. Es müsse endlich einen ‘öffentlichen Diskurs über weiche und harte Faktoren der Sicherheitspolitik’ geben, forderte der Leiter der Abteilung Politik im Berliner Verteidigungsministerium am Montag auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung. Bei der Heinrich-Böll-Stiftung war kurz zuvor zu hören, es dürfe ‘einen *pazifistischen Sonderweg*… nicht geben’; Deutschland müsse endlich ‘raus aus der Komfortzone’. In einem Reader der Böll-Stiftung heißt es, man müsse es ‘akzeptieren, dass ein Agieren außerhalb des bestehenden völkerrechtlichen Rahmens vonnöten sein kann’. Weiter wird in der Broschüre gefordert, im Bundeskanzleramt ein ‘Nationales Sicherheitsbüro’ nach dem Vorbild des US-amerikanischen Nationalen Sicherheitsrats einzurichten und die ‘Ausstattung der deutschen Geheimdienste’ erheblich zu ‘verbessern’. Beschlüsse über Auslandseinsätze der Bundeswehr sollten, heißt es, strukturell erleichtert werden.”

Beides, sowohl Militäreinsätze als auch die “Ausstattung” der Dienste kann man als “proxy” oder “false flag” bezeichnen, weil es um Handlangerdienste für die USA geht. Je mehr es gelingt, Aktionen an der Oberfläche so wirken zu lassen, als hätten nicht die USA, sondern andere sie letztlich in Auftrag gegeben, desto besser für das Image der Hegemonialmacht, der die deutsche Bundesregierung – siehe Obama-Besuch im Juni 2013 – gerne Treue schwört. Manche erinnern sich angesichts der bewusst zum Scheitern gebrachten Bemühungen Russlands, Frankreichs, Deutschlands um Waffenstillstand in der Ukraine an Rambouillet 1998 – den Auftakt zum Kosovokrieg, der da bereits geplant war. “Moskau ist ein globales Hauptquartier des Autoritarismus” ist eine Zwischenüberschrift im Beitrag von Ralf Fücks im grünen Reader, und dann heisst es: “Es hilft nichts, vor der regressiven Wendung Russlands unter Putin die Augen zu verschließen. Die russische Führung, im Kern eine Seilschaft ehemaliger Geheimdienstfunktionäre, hat eine umfassende Abkehr vom Westen vollzogen. Moskau ist heute ein globales Hauptquartier des Autoritarismus. Seine Verbündeten teilen zwei Grundpositionen: die Ablehnung der liberalen Demokratie und die Opposition gegen die USA.” Unter “liberaler Demokratie” versteht Fücks die Unterwerfung unter die USA, was in Politik, Medien, Verwaltung einer Existenz als ob gleichkommt, weil nur durch Verzicht auf Souveränität “Leben” in einer reduzierten Form stattfindet (andernfalls wird man Opfer von Rufmord und Schlimmerem).

Wenn man sich aber ansieht, was Putin selbst etwa vor russischen Diplomaten sagt, ist alles ganz anders: “Europa muss ein ‘Versicherungsnetzwerk’ aufbauen, damit sich Vorgänge wie in der Ukraine, im Irak, in Syrien und Libyen nicht wiederholen können, wie der russische Präsident Waldimir Putin am Dienstag in Moskau in einer Beratung mit russischen Botschaftern sagte. ‘Es muss beharrlich darauf hingearbeitet werden, dass im europäischen Raum jegliche verfassungswidrige Umstürze, Einmischungen in die inneren Angelegenheiten souveräner Länder sowie Erpressungen und Drohungen in den zwischenstaatlichen Beziehungen wie auch die Begünstigung radikaler und neonazistischer Kräfte ausgeschlossen werden. Wir in Europa benötigen alle eine Art Versicherungsnetzwerk, damit sich die Ereignisse im Irak, in Libyen, Syrien und  bedauerlicherweise auch in der Ukraine nicht zu einer ansteckenden Krankheit entwickeln’, so Putin.”

Den gesamten Wortlaut kann man etwa hier nachlesen, Putin machte deutlich, dass er Europa ebenso unter Druck der USA sieht wie andere Regionen: “Auf der Karte der Welt tauchen neue heiße Punkte auf. Es gibt ein Sicherheitsdefizit in Europa, im Nahen Osten, in Südostasien, in der asiatisch-pazifischen Region und in Afrika. Die globale ökonomischen, finanziellen und Handels-Systeme geraten aus dem Gleichgewicht, und moralische und geistige Werte werden verwässert. Es gibt kaum einen Zweifel, dass die unipolare Weltordnung nicht weiterbestehen wird. Völker und Länder erheben ihre Stimmen zu Gunsten von Selbstbestimmung und zivilisatorischer und kultureller Identität, was im Widerspruch steht mit den Versuchen gewisser Länder, ihre Herrschaft in der militärischen Sphäre, in der Politik, den Finanzen, der Ökonomie und der Ideologie aufrechtzuerhalten.
Ich weiß, dass es uns nicht direkt betrifft, doch was den französischen Banken angetan wird, kann nur Indignation in Europa im allgemeinen und auch hier hervorrufen. Wir sind uns bewusst des Drucks unserer amerikanischen Partner auf Frankreich, um es zu zwingen, nicht die Mistrals an Russland zu liefern. Wir wissen sogar, dass sie angedeutet haben, dass, wenn Frankreich die Mistrals nicht liefert, die Sanktionen gegen ihre Banken in aller Stille aufgehoben werden oder zumindest minimiert werden. Was ist das anderes als Erpressung? Ist dies der rechte Weg, in der internationalen Arena zu handeln? Nebenbei, wenn wir von Sanktionen sprechen, nehmen wir immer an, dass Sanktionen entsprechend Artikel 7 der UN-Charta angewendet werden. Andernfalls sind es keine Sanktionen im wahren legalen Sinne des Wortes, sondern etwas anderes, nämlich ein Instrument unilateraler Politik.
In den vergangenen 20 Jahren haben unsere Partner versucht Russland von ihren guten Absichten zu überzeugen, ihrer Bereitschaft, gemeinsam strategische Kooperation zu entwickeln. Doch gleichzeitig weiteten sie die NATO aus, dehnten das Gebiet unter ihrer militärischen und politischen Kontrolle immer näher an unsere Grenzen aus. Und wenn wir mit Recht fragten: ‘Findet ihr es nicht möglich und notwendig, dies mit uns zu diskutieren?’ sagten sie: ‘Nein, das geht euch nichts an.’ Jenen, die fortfahren, auf ihrer Exklusivität zu bestehen, gefällt absolut nicht Russlands unabhängige Politik. Die Ereignisse in der Ukraine beweisen dies. Sie beweisen auch, dass ein Modell von Beziehungen voller doppelter Standards mit Russland nicht funktioniert.
Nichtsdestoweniger hoffe ich, dass Pragmatismus am Ende siegen wird. Wir müssen Ambitionen ablegen mit Versuchen, eine ‘Welt-Kaserne’ zu errichten und jeden nach Rang einzugliedern oder einheitliche Regeln des Verhaltens und Lebens aufzuzwingen, sondern müssen anfangen, Beziehungen herzustellen, die auf Gleichheit, gegenseitigem Respekt und Rücksicht auf gegenseitige Interessen beruhen. Es ist Zeit, das Recht eines jeden einzuräumen, anders zu sein, das Recht jedes Landes, sein eigenes Leben zu leben, statt von jemandem anderen vorgeschrieben zu bekommen, was man zu tun habe.”

Klingt das nach “Autoritarismus”, “Schwulenhasser” und “Antifeminist”? Offenbar kommt, wie man nicht nur am Hype um Femen und Pussy Riot merkt, auch der Feminismus propagandistisch an die Reihe. Man sehe sich etwa an, wie Merkel, Hillary Clinton und von der Leyen auf der Webseite der “Brigitte” beworben werden. “Clinton und Merkel” dient ebenso wie ein Interview in der Printausgabe, in dem die Vielleicht-US-Präsidentschaftskandidatin betont, “Feministin” zu sein, wohl schon der Vorbereitung auf die US-Wahlen. Unter dem Stichwort “Solidarität unter Frauen” lesen wir etwa: “Lobeshymnen auf Frau Merkel hin oder her: Soviel Solidarität unter ranghohen Politikerinnen, vielmehr unter Frauen in Führungspositionen, ist man kaum gewohnt. Was unter den männlichen Regierungschefs und Unternehmensbossen dieser Welt schon längst gang und gäbe ist, hat sich unter Frauen immer noch nicht endgültig etabliert: Networking! So sind die anerkennenden Worte aus Clintons Biografie Wasser auf die Mühlen der Verfechterinnen eines weiblichen Gemeinschaftsgeistes.”

Ohne rosarote Frauenbrille ist Clinton nicht im mindesten “feministisch” oder “solidarisch”, sondern wie vor ihr etwa Außenministerin Madeleine Albright (hunderttausende tote Kinder im Irak sind es wert usw.) schlicht eine Erfüllungsgehilfin patriarchaler Hegemonie. Auf Kampagnen, die einen neuen Eisernen Vorhang zwischen Europa und Russland ziehen sollen durch Entfremdung in den Köpfen würde man etwa als durchschnittliche/r ParteipolitikerIn reagieren, indem man wütend gegenhält. An Putin scheint es abzuprallen, was jedoch weniger etwas mit unterstellter Kälte zu tun hat als damit, dass er solche Mechanismen durchschaut und nicht das Spiel seiner Gegner spielen will. Er setzt daher beharrlich auf die rationale Ebene und erwartet, dass sich doch herumspricht, welche Linie Russland wirklich verfolgt. Und dabei kommt ihm sicher zugute, dass er als Geheimdienstler gelernt hat, Situationen zu erkennen, zu analysieren und sich nicht persönlich betroffen zu fühlen.

Darauf weist auch Peter Scholl-Latour hin: “Er ist auf jeden Fall ein sehr geschickter und kluger Politiker, er hat ja immerhin, das darf man auch nicht vergessen, 80 Prozent der Russen hinter sich. Er ist zutiefst populär, und wenn man Putin vorwirft, dass er ein KGB-Mann ist, ja das qualifiziert ihn doch nur dazu, in der jetzigen Situation mit den ungeheuren Intrigen, mit den Oligarchen usw. fertig zu werden. In der Ukraine gibt es überhaupt gar keine Kontrolle über die Oligarchen, die sind weiterhin die mächtigsten Männer und einer davon ist jetzt Präsident, und keiner wird mir einreden, dass er seine Milliarden nur mit minderwertiger Schokolade gemacht hat.” Somit kann man Ralf Fücks und Co. (“Es hilft nichts, vor der regressiven Wendung Russlands unter Putin die Augen zu verschließen. Die russische Führung, im Kern eine Seilschaft ehemaliger Geheimdienstfunktionäre, hat eine umfassende Abkehr vom Westen vollzogen.”) entgegenhalten, dass gerade aufgrund seiner Biografie Putin die Nerven behält und sich nicht von der USA und ihren Vasallen provozieren lässt. Im Gegenteil, er äußert auch noch Verständnis für die Gefolgsregierungen, weil er weiss, dass “westliche” Politiker von den Amerikanern unter Druck gesetzt werden und seine Diplomaten darauf hinweist…

von Alexandra Bader http://www.ceiberweiber.at

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Quellen – weiterführende Links

Foto “Pace”  ©  Alexandra Bader
Heinrich Böll – Foto: © Harald Hoffmann – Bundesarchiv B 145 Bild-F062164-0004, Bonn, Heinrich Böll CC-BY-SA-3.0-de, <Quelle>


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