WEIMAR. (fgw) Am 10. Mai hat das Berliner Abgeordnetenhaus auf Antrag der Piraten-Partei über die „Kirchensteuer“ debattiert. Eine Steuer, die gar keine ist, die auch nicht vom Staat erhoben wird, sondern von den beiden Amtskirchen selbst. Sie ist also nichts anderes als ein Vereinsbeitrag, den die Berechtigten allerdings seit 1933 mit dem von der Hitler-Regierung beschlossenen (und bis heute gültigen Einkommensteuergesetz) über die Arbeitgeber und die Finanzämter zwangsweise von ihren Mitgliedern eintreiben. In der Debatte sprach auch der Abgeordnete Wolfgang Brauer von der Partei DIE LINKE. Seine Rede soll in Auszügen hier wiedergegeben werden.
von Wolfgang Brauer, MdA
MdA Wolfgang Brauer (Foto: Archiv des Autors)
(…) Das Eintreiben von Steuergeldern gehört seit den Zeiten des Königs Hammurabi von Babylon zu den gesellschaftlich nicht unbedingt beliebten Tätigkeiten. Notwendig ist es aber dennoch. Die Gesellschaft erwartet von staatlichen Strukturen Leistungen, die allen zugute kommen sollen, und also auch von allen finanziert werden müssen. Ganz anders aber verhält es sich mit Angeboten von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen für ihre Gruppenangehörigen. Diese können gegebenenfalls mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wenn es im Interesse der Allgemeinheit liegt und eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit vorliegt. Grundsätzlich (…) ist das aber zu trennen. Das wussten bereits die Evangelisten. Ich zitiere Matthäus 22, 21, das berühmte Gleichnis vom Zinsgroschen. Nämlich sagte Jesus:
Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber gebt Gott, was Gott gehört.
In Deutschland ist das aber anders (…)! Vor einiger Zeit zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung” das „Violettbuch Kirchenfinanzen”. Den Autoren mag das Blatt nicht, aber seine Daten musste es akzeptieren. Auf satte 19,9 Milliarden Euro summieren sich alljährlich die Ausgaben des Steuerzahlers – da ist es egal, ob es ein Katholik oder ein Muslim, ein Jude oder ein Heide ist oder was auch immer -, an die Katholische respektive die Evangelische Kirche. Die tun nun auch Gutes dafür, das haben wir gehört. Immerhin 5 Prozent des Etats zum Beispiel des bischöflichen Missionswerks MISEREOR werden von der Kirche selbst gezahlt. Bei vielen anderen guten Taten zahlt auch die öffentliche Hand. 3,9Milliarden Euro kosten allein die katholischen und evangelischen Kindergärten.
Was bekommen denn eigentlich in Berlin die muslimischen Kindergärten? Nach meinen Informationen sind diese Institute alleinige Sache der Moscheengemeinden. Ein tolles Beispiel für Verteilungsgerechtigkeit!
Nun ist das Ganze durch ein hoch komplexes System – die Rechtskonstruktion (…) – vertraglicher Regelungen abgesichert, deren Zwangsläufigkeit seitens der kirchlichen Rechtshistoriker nötigenfalls, wir haben es hier gehört, bis zum Augsburger Religionsfrieden von 1555 zurückgerechnet wird.
Sie trauen sich nur noch nicht, die Konstantinische Schenkung zu zitieren, von 315, eine einigermaßen erwiesene Fälschung. Die „Berliner Zeitung” sprach 2010 mit Blick auf das „Handbuch des Staatskirchenrechts” – ein dicker Wälzer mit zwei Bänden, schon der Titel ist verräterisch, „Staatskirchenrecht” – von einem in Deutschland existierenden „weltweit einmaligem Labyrinth von Normen und Verträgen, die von nichts anderem handeln als von der staatlichen Gewährleistung des öffentlichen Wirkens der Kirchen”. Übersetzen wir das: Dieses System handelt von Geld, von nichts anderem.
„Die Kirche hat einen guten Magen”, brachte es Mephistopheles es auf einen kurzen Nenner. Ich zitiere nicht weiter, weil auch Goethe strafbar sein kann in diesem Hause.
Nun gilt es im vorliegenden Antrag der Piraten auf Gesetzesänderung nicht um die guten Taten des Staates in Form von Überweisungsaufträgen an die Kirchen. Es geht nur um indirekte Zahlungen, um die Mittel, die die Kirchen einsparen bei dem Unternehmen, den Zwangsobolus ihrer Schäfchen einzutreiben.
Nur in Bayern – ein Lob den klugen Bayern – existieren kirchliche Steuerämter. Für das katholische Bistum Eichstätt – nicht gerade ein Hort der europäischen Aufklärung – sind diese: „Eine wichtige Kontaktstelle zu den Steuerpflichtigen.”
Also eine Kontaktstelle zwischen der Leitung des Bistums und den Gläubigen. Weshalb die anderen Bistümer darauf verzichten, weiß ich nicht. Eine interessante Sicht, wie ich finde. Dieses Bistum Eichstätt weist übrigens auch dezidiert darauf hin, dass die Kirchensteuer in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts:
„von den einzelnen Staaten des Reiches in Deutschland der Kirche aufgedrängt wurde.” (O-Ton Eichstätt.)
Allerdings sparen die Kirchen in Deutschland etwas 1,8 Milliarden Euro Aufwand beim Eintreiben dieser Beiträge. Diese Beiträge sind gut 9,4 Milliarden Euro bundesweit. Gut, der Staat erhält dafür eine Aufwandsentschädigung. Die fällt aber bei diesen Summen kaum ins Gewicht, da haben die Piraten recht. Dafür gehen aber dem Staat aufgrund der Absetzbarkeit der Kirchensteuer 3 Milliarden Euro jährlich verloren.
Der Antrag der Piratenfraktion ist vernünftig. Er wäre geeignet, in Berlin bayrische Verhältnisse herzustellen. Die Bischöfe der Diözesen im Freistaat sind weit denkende Leute. Da ist nicht alles schlecht. Dass nun ausgerechnet die SPD, gegen die Trennung von Kirche und Staat argumentiert, um Gottes willen. Da könnte man fast sprachlos werden. (…) Bitte erklären Sie uns, welche Art Kirchenstaat oder Staatskirche Sie denn nun eigentlich künftig wünschen. (…)
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]