{… oder warum frisch gebackener Schokoladenkuchen das beste Raumdeo gegen müffelnde Teenager ist…}
Als Michaela am letzten Freitagmittag vom Arbeiten nach Hause kam, versuchte sie die Haustür aufzuschieben und scheiterte. Erst nachdem sie, bepackt mit zwei vollen Einkaufstüten, einer Labtoptasche und einem Ordner unter dem Arm, unsanft mit ihrem rechten Fuß gegen die Tür trat, schob diese sich langsam auf. Der Grund für die Türblockade war eine cognacfarbene Kunstleder-Umhängetasche und ein paar ehemals weiße Markenturnschuhe, die jemand achtlos direkt hinter der Eingangstür ausgezogen und an Ort und Stelle liegen gelassen hat. Michaela zwängte sich durch den engen Türspalt und wuchtete ihre Tüten und den Rest in den Flur.
Hinter einer der vielen Türen, die von dem Flur abgingen, vernahm sie dumpfe wummernde Geräusche und eine junge Mädchenstimme, die in schrägen Tönen englisch sang. „Hannah, mir stinkt das ganz gewaltig…“ Sie öffnete die Tür und prallte zurück. Der Anblick des Grauens bot sich ihr, als sie in den Raum blickte. Der Boden war übersät von nahezu dem gesamten Inhalt des Kleiderschranks. Dazwischen halbleere Joghurtbecher, beschriebene Zettel, leere Getränkedosen und Chipstüten. Mit offenem Mund stand sie da und starrte ungläubig in das Zimmer, das gestern noch in einem durchaus betretbaren Zustand war. Ein säuerlicher Geruch nach vergorener Milch und Müll, gemischt mit süßem Parfum lag in der Luft. Hannah, ihre 15 jährige Tochter, stand mit einem sehr knappen T-shirt bekleidet vor dem großen Spiegel, mit einem Fuß auf einem von Michaelas Pullovern, den sie schon seit einer Woche vergebens suchte und kämmte sich die langen braunen Haare.
„Oh, hallo Mum!“ rief Hannah gegen die Musik an und bürstete seelenruhig ihre lange Mähne weiter. Michaela rang nach Luft. „Bevor Du Dich jetzt wieder aufregst, wie es hier aussieht… Ich räume nachher auf. Ich treffe mich nur kurz mit Lisa und Nick. So um acht bin ich dann zurück. Übrigens, ich brauche neue Unterwäsche! Kannst Du mir morgen Geld geben?“ Mit einer dicken Schicht Wimperntusche wurden noch schnell die Augen umrahmt und schon griff Hannah nach ihrer Jacke irgendwo in dem Haufen auf dem Boden und wollte an ihrer Mutter in der Tür vorbei. „Ne ne Fräulein, sooo nicht!“ presste Michaela hervor. Auf ihrer Stirn zeichnete sich schon wieder diese scheußliche Ader ab, die immer zum Vorschein kam wenn sie sich ärgerte oder aufgeregt war. „Hannah wir müssen reden!“ „Nachher Mum!“ Und schon quetschte sich das Mädchen an ihrer Mutter vorbei, machte einen großen Schritt über die immer noch im Flur liegende Tasche und Turnschuhe und verließ mit wehendem Haar die Wohnung. Michaela lehnte an der Wand im Flur und versuchte Ihre Wut weg zu atmen. Das einzige was sie atmete war der süßliche Geruch von billigem Parfum, der noch immer in der Luft hing.
Kurz darauf klingelte es Sturm an der Tür. Michaela öffnete die Tür und Simon, ihr mit unzähligen Pickeln übersäter 13 Jahre alter Sohn stand ihr mit seinen knapp 1,90 Meter gegenüber. „Sorry Mum, ich hab meinen Schlüssel vergessen – und ich muss aufs Klo!“ Während er diesen kurzen Satz hervorpresste, wechselte er dabei zweimal die Tonlage. Ein grauer Rucksack flog in den Flur, eine Sweatshirtjacke hinterher und der Junge verschwand im Badezimmer ohne sich zu bemühen die Tür zu schließen. „Was gibt’s zu essen?“ Die Frage ging in unschönen Toilettengeräuschen unter. Als Simon in die Küche kam und an seiner Mutter vorbeischlurfte, zog ein penetranter Schweißgeruch, der stark an Zwiebeln erinnerte, hinter ihm her. Der Junge ließ sich auf einen Stuhl fallen und räkelte sich ausgiebig mit in die Luft gestreckten Armen. Der Zwiebelgeruch verstärkte sich. „Was gibt’s denn jetzt heute zu essen?“ „Zwiebelkuchen!“ „Iiiiiihhhhh! Mum, ich hasse Zwiebeln!“ „Ich weiß!“ „Und warum tust Du mir das dann an?“ „Warum tust DU mir das an, Simon?“ „Hä?“ „Simon, Du musst mal duschen gehen!“ Michaela stand auf und öffnete das Küchenfenster. „Ich hab heute Morgen geduscht!“ empörte er sich. „Dann geh bitte nochmal! In deinem Alter ist es eben so, dass man häufiger duschen muss…“ „Zu viel Wasser schadet der Haut, hat mein Biolehrer gesagt. Wegen dem HP-Wert!“ „PH-Wert!“ „Ach egal, auf jeden Fall ises nicht gesund! Und außerdem liegen meine Haare gerade so gut! Wenn ich jetzt dusche, ist wieder alles für den Arsch!“
Michaela stand wortlos auf und öffnete nacheinander alle vorhandenen Fenster, nebst Haustür, in der Wohnung. Ein kalter Wind wehte durch die Räume. „Willst Du dass ich erfriere?“ Simon holte einen Schal aus seinem Zimmer. „Willst Du, dass ich ersticke?“, war die Antwort seiner Mutter darauf. „Simon, geh bitte duschen! J E T Z T !!!“
Mürrisch verzog er sich ins Badezimmer. Natürlich nicht ohne auf dem Weg einen ganzen Schwall der verschiedensten F-Wörter und sonstigen unschönen Dingen von sich zu geben.
Im Badezimmer setzte er sich erstmal ganz bequem angezogen auf die Toilette und blätterte ein wenig in einer der Autozeitschriften seines Vaters, die stapelweise neben der Toilettenschüssel lagen. Nach drei Minuten stellte er in der Dusche das Wasser an und ließ sich wieder auf dem Toilettendeckel nieder, während Liter um Liter Wasser den Weg in den Duschabfluss suchten. Nach weiteren 5 Minuten hatte er das Gefühl das Wasser wieder abstellen zu können, um kurz darauf einen Sprühstrahl aus der Deodorantdose laut zischend unter seinen Achseln zu verteilen. Zufrieden schnupperte er an sich, prüfte kurz den Sitz seiner Frisur im Spiegel und warf anschließend achtlos ein zerknülltes Badetuch vor die Dusche auf dem Boden, damit alles authentisch wirkte. „Frisch geduscht“ betrat er die Küche. Michaela vertsaute unterdessen die Einkäufe in den Schränken. „Fertig! Hier riech!“ Und schon presste Simon seiner Mutter seine Achsel dicht vor die Nase. Ein undefinierbares Geruchsgemisch aus verschwitzem T-Shirt, Deo und Waschmittel brannte sich in ihre Nase ein. Kurz musste sie ihren Würgereflex unterdrücken. „Du hast doch niemals geduscht!“ „Aber klar habe ich geduscht! Haste doch gerochen, oder?“ „Was ich da gerade gerochen habe möchte ich nicht laut aussprechen mein lieber Sohn! Eigentlich bräuchte ich jetzt nämlich eine Nasendusche, um diesen Geruch jemals wieder aus meinen Nasenflügeln zu verbannen! Aber bitte- Du musst ja stinkend herum laufen. Und soll ich Dir noch was sagen? Mir stinkt’s auch! Und zwar ganz gewaltig! Mittagessen fällt aus wegen Appetitlosigkeit durch Geruchsbelästigung! Ich brauche frische Luft!“
Michaela verließ wutenbrannt die Wohnung und verbrachte die nächsten drei Stunden bei ihrer Nachbarin, die kinder- und mannlos in einer klinisch aufgeräumten Wohnung eine Etage über ihr wohnte. Hier roch es nach nichts, außer nach teuren Möbeln und man musste niemals über Schuhe am Boden steigen, denn die wurden feinsäuberlich aufgereiht, wie in einem Showroom in einem Regal im Flur präsentiert. Eine Oase der Ruhe für Augen und Sinne sozusagen.
Nach 3 Stunden sehnte sie sich aber doch irgendwie nach ihrem stinkenden Chaos und stieg die Treppe zu ihrer Wohnung hinab und machte sich auf einen weiteren Schock gefasst, der sie vermutlich hinter der Tür erwartete. Michaela schloss die Tür auf und Schock- nein kein Schock! Ein „Oh“ entwich ihr. „Oh-Kuchen!“ Durch Ihre Nase zog ein herrlicher Duft nach selbstgebackenem Kuchen und nach dunkler Schokolade. Keine Spur von Gestank. Dann fiel ihr auf, dass sich die Haustür auch ganz einfach öffnen ließ und keine Schuhe, Taschen, Jacken oder sonstiges auf dem Boden lagen.
Vorsichtig öffnete sie Hannahs Zimmertür. Wie von Zauberhand war das Chaos verschwunden, Zettel lagen geordnet auf dem Schreibtisch, Klamotten waren ordentlich gefaltet im Schrank und auch der saure, modrige Geruch war verschwunden. Ungläubig betrat Michaela die Küche. Am Küchentisch saßen ihre beiden Kinder. Simon in einem frischen T-Shirt und neuer Frisur, Hannah ungeschminkt und in Jogginghose. Beide strichen einträchtig dicke Ganache auf einen perfekten Schokoladenkuchen vor dem ein kleiner Zettel mit >>SORRY MUM<< lag.
(…)
Auch wenn dieser Zustand von Ordnung, Friede und wohlriechendem Raumklima wohl nur eine kurze Momentaufnahme war, Schokokuchen ist und bleibt trotzdem der beste Raumduft der Welt. Das funktioniert übrigens nicht nur bei müffelnden Teenagern, sondern auch bei nassen Hunden, vollen Babywindeln und getragenen Sportsocken….
Und wenn Ihr auch mal ganz spontan Euren Raum-Mief (weshalb auch immer) bekämpfen müsst, kommt hier das beste Schokoladenkuchenrezept dafür:
Schokokuchen vs. Schock-Oh-Kuchen- Kuchen:
- 250 g Zucker
- 2 Eier Gr. M
- 130 g Vanillejoghurt
- 120 ml Milch
- 200 g Mehl
- 50 g Backkakao
- 2 TL Backpulver
- Mark einer Vanilleschote
- 120 g Zartbitterschokolade
- 125 g Butter
- 200 g backfeste Schokotropfen
- Ganache:
- 250 g gehackte Zartbitterschokolade
- 230 ml Sahne
- Himbeeren optional
- Zucker und Eier schaumig schlagen.
- Dann nacheinander Joghurt, Milch Mehl, Backpulver, Mark der Vanilleschote und den Backkakao dazu geben und verrühren.
- Die Schokolade in der Butter schmelzen und unter den Teig rühren.
- Zum Schluss die Schokotröpfchen unterheben.
- Den Teig in eine gefettete Kastenform geben und bei 180 Grad 50-60 Minuten backen.
- Kurz vor Ende der Backzeit die Stäbchenprobe machen.
- Den Kuchen in der Form auskühlen lassen und danach auf ein Kuchengitter stürzen.
- Für die Ganache die Schokolade in kleine Stücke brechen.
- Die Sahne erhitzen und über die Schokolade gießen.
- So lange rühren, bis sich die Schokolade in der Sahne aufgelöst hat.
- Den Kuchen mit der Ganache bestreichen und nach Belieben mit Himbeeren ausdekorieren.
Ich hoffe Ihr verzeiht mir den kurzen Ausflug in die Welt der Pubertierenden, mitsamt deren Gerüchen… (Übrigens: Alle in diesem Post geschilderten Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.)
Habt einen duften Sonntag
Eure
aus dem House No.15