Schnipo Schranke: Gehenlassen

Schnipo Schranke: GehenlassenSchnipo Schranke
„Satt“
(Buback Tonträger)
Über unser Verhältnis – oder besser doch Missverhältnis – zu Körperflüssigkeiten jeglicher Art haben wir schon vor Jahren einiges lernen dürfen. 2008 erschien Charlotte Roche‘s Roman „Feuchtgebiete“ und wurde von einem medialen Rummel begleitet, der zwar nicht angemessen, aber sehr bezeichnend war. Frauen, die über sexuelle Bedürfnisse und Neigungen auch außerhalb der von der Gesellschaft in stillem Einvernehmen gesetzten Schamgrenzen reden, werden auch heute noch gefürchtet oder belächelt. Dabei spielt der Rahmen, in dem das geschieht, eine entscheidende Rolle, denn solange sie dies in den dafür vorgesehenen, gern abgedunkelten Nischen tun, wird es beiläufig und als Randerscheinung abgetan – drängen sie damit aber, wie Roche, in die Öffentlichkeit, bekommt das ganz schnell etwas Bedrohliches und Unangenehmes.
Die Parallelen zu Roche (und im weiteren Sinne meinentwegen auch Sibylle Berg oder Peaches) sind nun keineswegs neu oder originell, besingen Daniela Reis und Fritzi Ernst als Schnipo Schranke doch in ihren Texten ähnlich ungefiltert, aber sehr unterhaltsam ihre gelegentlichen Sehnsüchte, Verwünschungen, Begehrlichkeiten, Gelüste. Was sich auf die ersten Takte wie kindlich kitschige Kühlschrankpoesie ausnimmt, enthält doch ein hohes Maß an Ehrlichkeit und Offenheit, mit der umzugehen sicher nicht jedermanns Sache ist. Wer hört schon gern von freiwilliger Erniedrigung, von Zurückweisung, gekränkter Eitelkeit, maßloser Enttäuschung? Wer gibt gern zu, dass ein schneller Fick mit Haut und Haar mehr Befriedigung brächte als endlose Schwärmereien? Und wer wollte bestreiten, dass am Ende allen leidenschaftlichen Getues nicht selten doch nur befremdlicher Gestank und seltsame Peinlichkeit auf einen warten?
Der Vortrag im heimischen Biotop, der Hamburger Kiezkneipe also, bringt den beiden zweifellos viel Beifall, hört man sich die Lieder von „Satt“ dagegen (wie kürzlich geschehen) inmitten des distinguierten Stammpublikums einer Münchner Künstlervilla an, registriert man doch einiges Befremden, irritiertes Lachen und pikiertes Kopfschütteln. Das muss wohl so – dabei sind die Stücke im geschmeidigen Easy-Listening-Kostüm wunderbar amüsant: Der kurzgefaßte und sachdienliche Einstieg („‘ne Kurze und ‘ne Kranke, zwei Peanuts - ein Gedanke, Lebensmotto ‚Drauf geschissen‘/Schnipo Song), das Hoch auf’s besinnungs- und niveaulose Besäufnis an der Strandbar („Cluburlaub“), ein Liebesgeständnis für Darth Vader („Herzinfarkt“) und natürlich der Abschiedsgruß an die geschändete „Tamponade“ – „ganz tief unter diesem Städtchen findest Du ein neues Mädchen – Bon Voyage, am Arsch!“ Soll das ruhig jede/r halten, wie er oder sie will – entspanntere, witzigere Wortmeldungen werden sich momentan dazu kaum finden lassen. https://de-de.facebook.com/SchnipoSchranke
Tourdaten von Schnipo Schranke bei Buback Konzerte

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