Der Kampf ums Kopftuch hat Deutschland in der Vergangenheit oft beschäftigt. Und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass die Säkularität unseres Staates auch künftig durch religiöse Eiferer in Frage gestellt werden wird. Herausgefordert werden wir dabei jedoch nicht vom Buddhismus, dem Judentum oder etwa von fundamentalistischen Christen, sondern von Menschen, die sich den Islam zur Beute gemacht haben. Aktuell sorgt in Berlin-Neukölln ein Fall für Aufregung, bei dem sich selbst die Gutmenschen einmal fragen müssen, wie sehr sie sich für den politischen Islam instrumentalisieren lassen möchten. Betül Ulusoy hat dort für Empörung gesorgt, weil sie sich zunächst den Dienstantritt mit Kopftuch erstritt, um dann ihr Rechtsreferendariat im Bezirksamt Neukölln sausen zu lassen. Am Freitagnachmittag verstrich die Frist zur Rückmeldung, ohne dass man im Bezirksamt etwas von Ulusoy gehört hätte. Damit wird die Stelle nun neu vergeben – und Ulusoy darf statt des Kopftuchs ab sofort den “Klodeckel” tragen. Was mancher mit einem Schulterzucken kommentieren dürfte, bedeutet für eine Reihe anderer Bewerber, dass ihnen eine Stelle verwehrt wurde, weil eine junge Frau offenbar ihren Feldzug im Namen Allahs führen wollte.
Statt Chancengleichheit unter allen Bewerbern, wofür Ulusoy angeblich stritt, hat sie eine “Lex Kopftuch” geschaffen. Trotz ihres verbissenen Kampfes, bei dem viele geeignete Kandidaten das Nachsehen hatten, war die streitbare Muslima augenscheinlich nie wirklich an der Position interessiert. Klare Worte fand der SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu. Er schrieb Ulusoy ins Gebetbuch: “Man kann Ihre Entscheidung eigentlich nur so verstehen, dass es Ihnen von Anfang an ausschließlich um Ihre politische Kampagne gegangen ist, nicht um Ihre Ausbildung”. Immerhin hatte das Bezirksamt Neukölln sich auf den Kompromiss eingelassen, dass Ulusoy ihr Kopftuch während der Arbeit tragen könne, solange sie keine “hoheitlichen Aufgaben mit Bürgerkontakt” wahrnehme. Man war daher bereit, die 26-Jährige von derartigen Tätigkeiten freizustellen. Schon dieses Entgegenkommen ist kaum nachvollziehbar, wirft es doch die Frage auf, warum eine kerngesunde Rechtsreferendarin im Vollbesitz ihrer Kräfte bestimmte Tätigkeiten ihrer Ausbildung nicht absolvieren muss, während alle anderen Kollegen in Deutschland das komplette Programm abzuleisten haben, nur weil sie zufällig kein Kopftuch tragen wollen.
Der Vorgang steht einmal mehr sinnbildlich für die Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft: Im seit Jahren entfachten Wahn, niemandem auch nur das kleinste “Unrecht” antun zu wollen, überhöhen wir die Bedürfnisse Einzelner in unangemessener Weise. Dabei wird erst durch die Befriedigung von Einzelinteressen die eigentliche Ungerechtigkeit für den Rest der Gesellschaft geschaffen. Statt wie im Fall Ulusoy den Grundsatz zu verteidigen, dass für alle die gleichen Regeln zu gelten haben, werden vor allem für den Islam immer wieder Ausnahmen geschaffen. Zu einer Befriedung schwelender Konflikte trägt dieses Rechtsverständnis ganz sicher nicht bei. Ulusoy hat ihr Ziel erreicht. Trotz des nicht nur in Berlin geltenden Neutralitätsgebots bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben wird der Fall eine Präzedenzwirkung entfalten. Allerdings scheint dies der “Kopftuchkriegerin” nicht zu genügen. Zum Wochenende setzte sie noch einen drauf: Sie wolle die Stelle nicht mehr, weil es seitens des Bezirksamts islamophobe und gar sexistische Kommentare gegeben habe. Ein trauriger Abgang einer bedauernswerten Frau. Und ein weiterer Bärendienst am Islam, der es gerade wegen der Ulusoys unserer Zeit so schwer hat, breite Akzeptanz in der westlichen Wertegemeinschaft zu finden.
Tagged: Islam, Kopftuch, Neukölln, Religion, Ulusoy