Schnell, hoch, weit – vor allem dabei

Soll ich auch mal was zu den Bundesjugendspielen sagen, ja? Nein? Na gut. Dann eben doch:

Für mich gibts da klar zwei Ansichten: Die des Arztes und die des Vaters. Der erste wird in jedem Fall alle Initiativen begrüßen, die die Bewegung von Kindern fördert, ob das der stinknormale Schulsport ist, der Schwimmunterricht oder der Anreiz über die Bundesjugendspiele. Dazu haben wir leider – ein alter Hut – zuviele dicke Kinder und bekommen immer mehr. Geht mal über einen normalen Schulhof…
Leider ist es aber immer der Sport in der Schule, der leiden muß. Schlecht ausgebildete Lehrer allerorten, der Sportunterricht muß am häufigsten dran glauben, wenn Stunden ausfallen, der Sport- oder Schwimmunterricht wird am häufigsten zum Anlass genommen, zu schwänzen oder zu entschuldigen wegen “Fuß verknickt”, “ihm ist nicht so wohl”, “er ist gestern von einer Biene gestochen worden” etc.
Das ist einfach nicht gut. Zuviele Kinder meiden die Sportvereine oder werden von ihren Eltern nicht zum Verein motiviert. Viele Kinder haben nicht einmal ein funktionsfähiges Fahrrad. Wenn nun die Schule das Bewegen im Sport weiter aushöhlt, wird´s nicht besser mit unseren Dicken.

Dann der Blick des Vaters. Zugegebenermaßen mit zwei Kiddies, die im Sportunterricht keine echten Probleme hatten. Sie waren nicht mopsig, sind sportlich, teamfähig, freundlich und engagiert. Überraschend übrigens bei diesem Vater (der auch seine Bundesjugendspiele hatte).
Wir haben die Bundesjugendspiele in der hiesigen Grundschule als sehr angenehm erfahren. Das ganze nannte sich von Anfang an “Sport- und Bewegungsfest” (weil auch der zugehörige Kindergarten mitturnen durfte), darin integriert waren die klassischen Wettbewerbe des BJS. Vorab wurde schön geübt dafür und der eigentliche Tag war ein echter Gemeinschaftsevent. Es gab Futter, Trinken, Sport, Spiel, kleine Fußballturniere, die Lehrer solidarisierten sich mit den Eltern und gaben den Schiedsrichter. Naturgemäß hat meine Frau häufiger daran teilgenommen als ich, aber bei beiden Kindern stand ich dereinst auch an der Sprintstrecke und habe den Klatscher mit dem Holzscharnierbrett (Fachbegriff?) gegeben.

Ich habe nie erlebt, das nicht auch der Schwächste angefeuert würde. Alle waren auf alle stolz, überhaupt teilzunehmen, die Klasse stand bereit und skandierte jeden einzelnen Namen und beglückwünschte jeden, der ins Ziel kam, egal, ob dick oder dünn, ungelenk oder sonstwie anders begabt. Im Sport hat die Inklusion bereits in früheren Jahren gut funktioniert, sogar eine Rollstuhlfahrerin ließen wir die Sprintstrecke abrollen und den Schlagball werfen – ihr eigener Wunsch. Ganz zu schweigen von Patrick mit dem Down-Syndrom.
Am Ende gab´s Urkunden, klar, mit Siegerehrung, logisch, mit Applaus für jeden einzelnen. Und die Ehrenurkunden und Schulbesten durften sich endlich mal feiern lassen, auch wenn sie sonst vielleicht in Mathematik oder im Diktat unter dem Pult versanken vor Scham.

Meine eigene BJS-Karriere war nicht der Brüller. Nie über die Siegerurkunde hinaus, immer im letzten Drittel der Klasse (und beim sonstigen Schulsport auch als letzter gewählt). Aber ich hatte damals(tm) das Glück, genauso integere Sportlehrer zu haben, die jeden einzelnen motivieren konnten. Und bei meinen eigenen Kindern haben ich genau das Gleiche erlebt: Das Gemeinschaftsgefühl im Sport, die Kraft der Integrität. Das braucht Arbeit und Vorbereitung, das braucht ein gutes Lehrerkollektiv, eine gute Rektorin, die das alles zusammenhält. Klar, auch die Eltern, die ihre Kinder begleiten und auffangen durch die Erfahrung des Erfolges und des Scheiterns. Unsere ureigenste Aufgabe.

Bestimmt dünkte ich anders, wenn meine Kinder nach jedem Bundesjugendspiel heulend nach Hause gekommen wären – so wie sie das manchmal nach dem “blöden” Mathe-Unterricht tun oder wenn “die Sophie wieder so bescheuert war heute” oder “Frau Roderich sooo viel aufgibt, obwohl heute so tolles Wetter ist”. Ich habe auch geheult, wenn Schwimmen in der Schule war, weil ich nicht gut schwimmen konnte. That´s life.

Demütigung bei den Bundesjugendspielen oder grundsätzlich beim Schulsport entsteht nicht durch den Event an sich, sondern ist immer beziehungs- also menschgesteuert: Der blöde Sportlehrer mit der Trillerpfeife, die dummen Mitschüler, die hänseln, die dämlichen Eltern, die von ihren Kindern immer nur Erfolge fordern, nur die Schwächen sehen und nie ihre Stärken fördern. Da sollten wir ansetzen. In jeder einzelnen Schule, im Elternbeirat, beim nächsten Sportfest. Oder Musikfest. Oder Mathecamp. Oder Kunst-in-der-Schule-Tag.

Die sehr geschätzte Christine Finke alias “mama arbeitet” gegen die Bundesjugendspiele
Achim Achilles im SPON zum Thema – keine Satire, denke ich mal, wie manche vermuteten
ZEIT-Erinnerungen der Bundesjugendspiele


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