Schneechaos in Istanbul- Mein Zwerg kommt nicht nach Hause

Von Sarah Graf @mamaslifestyle


Heute müsst ihr, meine liebe und hochgeschätzte Leserschaft, als Ablenkungstherapie und Kummerkasten fungieren.
Ich drehe hier nämlich gerade gelinde gesagt am Rad, mein Mutterherz schmerzt und während ich das schreibe vergieße ich sogar ein paar Krokodilstränen auf meine technischen Gerätschaften (der Laptop mit spill-resitant Tastatur war eine weise Anschaffung).
Eine erhebliche Menge Neuschnee mit verbundenem Verkehrschaos und das Feststecken meines kleinen, hilflosen 3-Jährigen Zwerges im selbigen sind die Gründe.
Dazu muss man sagen: Es schneit jeden Winter in Istanbul. Und zwar nur an wenigen Tagen und in (zumindest für mich als Deutsche) kaum nennenswerten Mengen. Leider Gottes verfallen sämtliche Verkehrsteilnehmer sofort in Panik wenn es leise rieselt. Flüge werden gecancelt, Taxi-Zentralen schalten ihre Telefone ab, auf den Straßen liegt alle paar Meter ein nicht mehr fahrtüchtiger Wagen und die Regierung schließt kurzerhand sämtliche Schulen. Die Kinder freuen sich, wenn "schneefrei" ist- die Eltern je nach Terminplan und Medienaffinität der Schule nur begrenzt. Unsere Große beispielsweise bekommt den Lehrstoff in Form diverser Links zugeschickt. Sie (und damit auch ich) muss sich dann an schneefreien Tagen den Stoff zu Hause erarbeiten und ihre Arbeiten per Google Documents mit der Lehrerin teilen. Willkommen im digitalen Zeitalter!
Zurück zu meiner Misere: Heute Mittag habe ich noch die Übervorsichtigkeit der Schule belächelt, die früher schloß und die Kinder in Busen 2 Stunden vor der üblichen Zeit nach Hause schickte, weil ein leichter Schneeregen einsetzte.
Mit der selben Unbekümmertheit begegnete man auch im Kindergarten dem Wetterumschwung, denn dort sollten die Busse wie gewöhnlich um 15.30h losfahren und die Knirpse zu Hause abliefern.
Dieser Leichtsinn wurde nun bestraft, denn aus dem leichten Schneeregen wurde innerhalb kürzester Zeit ein nicht mehr enden wollendes Schneegestöber.
Mit einer Verspätung des Busses war also zu rechnen. Um 17h fasste ich mir dann ein Herz und kontaktierte mit meinen rudimentären Türkischkenntnissen die Erzieherin des Zwerges, die als Begleitperson im Bus mitfährt und erkundigte mich nach dem Verbleib.
Wie sich herausstellte war und ist der gesamte Verkehr der Stadt lahmgelegt. Der Bus schaffte es noch, ein Kind, das sehr Nahe am Kindergarten wohnt, zu Hause abzuliefern. Dort einigte man sich dann darauf, die Kinder inklusive Erzieherin aufzunehmen, bis auf den Straßen wieder Bewegung einsetzte.
Nun, es ist in Istanbul gerade 21.30h und die Kinder sitzen immer noch dort, 12 Kilometer entfernt von mir, fest. Eine ungewohnte Hilflosigkeit machte sich in den letzten Stunden bei mir breit. Mein kleines Mädchen sitzt eingeschneit in einem völligen fremden Haus und versteht wahrscheinlich die Welt nicht mehr. Ich habe keine Möglichkeit, mich ins Auto oder Taxi zu setzen und sie einfach dort abzuholen, weil ich mich wahrscheinlich nach einigen Stunden im Stau ohne Sprit neben die anderen liegen gebliebenen Fahrzeuge einreihen könnte. Eine Besserung des Wetters ist nicht absehbar und für morgen sieht die Vorhersage sogar noch schlimmer aus, als heute.
Meine Gedanken drehen sich seit Stunden um den Zwerg, der auf unbestimmte Zeit dort festsitzt und doch seine wichtigsten Schlaf-Utensilien überhaupt nicht dabei hat.
Den ersten Übernachtungsbesuch bei Freunden habe ich mir als Mutter auch irgendwie anders vorgestellt.
Und wir sind nicht die einzigen, die der Schnee hart getroffen hat. Einige Freunde von mir saßen heute ebenfalls für etliche Stunden in der Stadt fest oder tun dies noch immer. Getrennt von ihren Kindern, die teils zu Hause bei Babysittern, teils in Notunterkünften feststecken.
Und so sind meine Gedanken nicht nur bei meinem großen, kleinen Mädchen sondern auch bei allen Müttern, die sich aufgrund von Schnee oder noch viel schlimmeren Umständen Sorgen um ihre Kinder machen und diese nicht in den Arm nehmen können.