Schluss jetzt – von der Freiheit sich zu trennen

Wenn die Liebe nicht mehr zählt. Selbst die langjährige Bilderbuchehe von Thomas und Thea Gottschalk ging in die Brüche. Warum Trennung auch eine Chance ist und warum Frauen dabei so schlecht wegkommen erzählen zwei Autorinnen in einem Interview hier bei uns auf dem Blog.

Gehen oder Bleiben? Diese Frage hat sich wohl jede Frau in einer festen Beziehung mal gestellt. Bis eine Entscheidung getroffen wird, dauert es oft Jahre. Warum es uns so schwer fällt, uns aus Partnerschaften zu lösen, darüber haben die Journalistinnen Heike Blümner und Laura Ewert ein Buch geschrieben. „Schluss jetzt“ ist ein lustiges wie schlaues Sachbuch, das provokant erklärt, wo die Vorteile einer Trennung liegen. Sie beschäftigen sich aber auch damit, was Beziehungen auf die Probe stellt: Das Ausbleiben von Sex, ungleiche Aufteilung der Hausarbeit und finanzielle Abhängigkeit. Wir haben mit Heike Blümner darüber gesprochen, was Frischgetrennte Menschen brauchen und ob wir zu schnell aufgeben.

Heike Blümner und Laura Ewert

Heike Blümner und Laura Ewert

Sue: Wollt Ihr mit diesem Buch erreichen, dass mehr Leute sich trennen?
Heike Blümner: Nein, wir wollen, dass die Trennung als dazugehörende Lebensphase akzeptiert wird. Wir wollen gesellschaftliche Probleme, die damit einhergehen, aufzeigen, anstatt Schuldzuweisungen zu geben. Und wir wollen dabei auch noch gut unterhalten.
Sue: Du sagst die Empathie liegt meistens bei dem der Verlassen wird und selten bei dem der geht. Ist der, der geht denn nicht Stärker. Sollte die Empathie nicht natürlicherweise bei dem “Schwächeren” liegen?
Heike Blümner: Wir sagen, dass die Schuld- beziehungsweise Täter- Opferfrage bei einer Trennung außer in ausgeprägt toxischen Beziehungen meist schwer zu beantworten ist, und auch niemanden am Ende wirklich weiterbringt. Sehr wohl jedoch stellt sich die Frage nach Verantwortung. Also: Wie gehe ich während und nach einer Trennung mit dem ehemaligen Partner um. Schleiche ich mich davon? Verweigere ich Erklärungen? Kann ich mich für verletzendes Verhalten entschuldigen? Empathie, also der Versuch sich in den anderen reinzuversetzen und zu verstehen, ist nicht nur in Beziehungen sondern auch bei deren Auflösung immer von Vorteil.
Sue: Warum müssen die Menschen/das Umfeld eine Trennung überhaupt immer bewerten und einordnen? Ich bin nicht gegangen – trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, dass die Empathie bei mir war. (Nach dem Motto: Was musste die wohl gemacht haben, dass ihr Mann sie betrügt und belügt)
Heike Blümner: Mit dem Bewerten ist es ja leider so: Du tust es, ich tue es und alle anderen auch. Mal mehr mal weniger ausgeprägt. Vermutlich, weil es eine vermeintliche Übersichtlichkeit im Chaos schafft, weil man sein eigenes Wertesystem bestätigt sehen möchte, oder schlicht, weil es unterhaltsam ist: Die gesamte People Presse basiert auf dem ewigen Zyklus von Märchenhochzeit und Schlammschlacht und die Leute können nicht genug davon bekommen. Leider gilt heute immer noch: Bei einer Trennung wird einer Frau weniger verziehen als dem Mann. Eine Frau, die ihren Mann für einen anderen verlässt, ist böse. Verlässt der Mann die Frau für eine andere wird nicht immer, aber auch hämisch geschaut, „was die denn falsch gemacht hat“. Es ist die verwässerte Boshaftigkeit, die in der Generation unserer Mütter einst noch viel härter zuschlug.
Sue: Warum ist die Angst für immer allein zu sein, die heilige Familie oder das liebe Geld fragwürdige Gründe in einer Beziehung zu bleiben? Wer darf das bewerten geschweige denn drüber urteilen?
Heike Blümner: Niemand sollte die Gründe für eine Beziehung bewerten, außer die beteiligten Partner. Aber wir glauben, dass Kinder, Geld und Angst vor Einsamkeit auf Dauer kein Grund sind, in einer Beziehung zu bleiben, in der man dauerhaft unzufrieden ist. In der kein Austausch und kein Sex stattfindet, und in der es kaum Gemeinsamkeiten mehr gibt. Sie vergrößern die Unzufriedenheit nur. Wir wissen alle, dass Kindern auf Dauer nicht geholfen ist, wenn die Eltern sich grundsätzlich nicht verstehen. Geld ist ein Kapitel für sich (auch in unserem Buch). Vor allem Frauen machen sich immer noch zu sehr finanziell abhängig von ihren Männern. Viele fürchten, eine Trennung sei in jedem Fall schlimmer als die unbefriedigendste Beziehung. Und das ist Quatsch.

Sue: Ja, am Ende einer Beziehung müssen wir Angst und Konventionen überwinden und Verantwortung übernehmen – tun wir das nicht automatisch mit dem Eintreten in das „Erwachsenenleben“? Sind Kinder involviert gelten jedoch nicht mehr nur die eigenen Bedürfnisse. Egal ob da dann Ehe drübersteht....
Heike Blümner: Dass Menschen mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben sich automatisch verantwortungsvoll und „erwachsen“ verhalten, kann ich leider nicht bestätigen.  Dazu reicht oft ein Blick in den Spiegel, in den Freundeskreis oder auch ins Internet. Kinder leiden unter einer Trennung am allermeisten, da gibt es nichts schönzureden. Kinder leiden aber auch, wenn die Eltern sich dauerhaft nicht verstehen, oder wenn die Atmosphäre zu Hause feindselig ist. Und: Kinder können Trennungen gut überstehen. Das erfordert dann tatsächlich über die eigenen Bedürfnisse hinauszuwachsen. Da sind wir wieder beim Thema Verantwortung, und dabei wie ich mich während und nach einer Trennung dem Ex-Partner gegenüber verhalte.

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Sue: Was war Deine Motivation für dieses Buch: Die geringeren Scheidungsraten und das sich Paare durch finanzielle Abhängigkeiten nicht mehr trauen zu trennen, die ungerechte Gesetzeslage für Frauen nach einer Trennung oder Deine persönliche Geschichte? Wie viel selbst Erlebtes steckt in diesem Buch?
Heike Blümner: In diesem Buch steckt viel selbst Erlebtes und viele Beobachtungen von meiner Co-Autorin und von mir. Es ist aber weder eine Abrechnung noch ein Tell-All-Buch sondern eher ein Tell-it-like-it-is-Buch. Wir haben Studien gewälzt, Sekundärliteratur herangezogen und uns für ein Kapitel die Klatschpresse reingezogen. Letztlich ging es uns um die Fragestellung, was Trennung heute jenseits des persönlichen Dramas über unsere Gesellschaft oder auch den Stand unserer Zivilisation aussagt, und inwiefern das wiederum unter Umständen unser persönliches Unglück unterhalb einer Trennung noch verstärkt.
Sue: Was sind ganz klare Indikationen, dass Mann und/oder Frau sich trennen sollte? Wann ist der Grad der Kompromissbereitschaft überschritten?
Heike Blümner: Glasklare Indikationen stehen im Strafgesetzbuch: Gewalt, Stalking, Einschüchterungen gehören dazu. Leider ist es jedoch so, dass sich oft auch aus diesen Beziehungen schwer gelöst wird. Stichwort: Co-Abhängigkeit. Wir glauben auch, dass Beziehungen, in denen einer der beiden Partner über längere Zeit ein Doppelleben führt, wo systematisch gelogen und vertuscht wird, kaum einen Aufschub der Trennung zulassen. Alles andere ist persönliche Ermessenssache. Menschen haben unterschiedliche Toleranzgrenzen: Manche ertragen es nicht, wenn der Partner schon wieder mit der Gabel in der Teflon-Pfanne rumstochert, andere überstehen sogar sexuelle Untreue. Es kommt drauf an wie gut man im Gespräch ist und bleibt. 
Sue: Wer oder was hilft Frauen in diesen Phasen der Trennung?
Heike Blümner: Letztlich, und das klingt vielleicht hart, hilft man sich vor allem selbst. Dafür ist es ein erhebendes Gefühl, wenn das Schlimmste überstanden ist und man sich selbst aus dem Sumpf gezogen hat. Meistens entwickeln sich nach einer Trennung auch ungeahnte Fähigkeiten heraus. Und natürlich helfen die engsten Freunde. Die, die gut zuhören können, die für einen da sind, die keine guten Ratschläge erteilen, deren Meinung man aber unbedingt hören möchte.
Sue: Oft fällt bei Trennungen der Satz: “Ich habe ein Recht darauf Glücklich zu sein”. Sollte das ein Grundrecht sein in der Beziehung sein?. Glück ist ja kein natürlicher Zustand sondern meist nur Momentaufnahme. Es fliegt einem nicht, wie die tägliche Post ins Haus, besteht aus einem großem Eigenanteil. Geben Paare heute zu schnell auf? Weigern sie sich gar sich mit sich und oder dem Partner wirklich auseinanderzusetzen weil es einfacher ist sich zu trennen?
Heike Blümner: Die stetig fallende Scheidungsrate und die Zunahme von Langzeitehen spricht eigentlich dagegen, dass wir zu schnell aufgeben. Ich finde: Niemand hat das Recht darauf und es ist auch unmöglich dauerhaft glücklich zu sein, aber niemand sollte gezwungen sein, dauerhaft unglücklich zu sein.
Sue: Was bedeutet für Dich Glück?

Heike Blümner: Jenseits glücklicher Momente, oder auch Erfolgserlebnissen, und natürlich dem großen Glück gesunde und (hoffentlich meistens) fröhliche Kinder heranwachsen zu sehen, bedeutet für mich Glück in den wichtigen Fragen des Lebens eine Wahl zu haben.
Sue: Du sprichst auch vom Sensationswert einer Trennung. Der sogenannte Trennungs-Partygossip und das plötzliche bewerten eines Scheiterns ist sehr verletzend. Hast Du nicht auch erlebt, dass eine Ehe-Eruption im Bekanntenkreis Wellen nach sich zieht? Jeder schaut plötzlich auch bei sich mal nach dem Rechten, rückt näher zusammen – oder halt auch auseinander. In jedem Fall setzt es wohl Ängste frei.

Heike Blümner: Ja, Trennungen setzen in einem Freundeskreis große Ängste frei. Es gibt sogar eine US-Studie, die besagt, dass wenn Pärchen sich trennen, die Wahrscheinlichkeit, dass engere Freunde dem Beispiel folgen um 75 Prozent erhöht ist. Trennungen sind demnach unter Umständen ansteckend. Vielleicht, weil es schwieriger ist, bei sich selbst wegzugucken, wenn enge Freunde es auch nicht mehr tun. Das ist sicher auch ein Grund für den Gossip und den Abstand, der dann plötzlich eingehalten wird. Es ist auch eine Form von Hilflosigkeit. Warum werden Männern Schwäche und Scheitern einer Beziehung eher verziehen als Frauen? (Beispiel Pantelouris). Frauen sind auch heutzutage immer noch mehr für das Wohlergehen aller in der Familie zuständig. Da sind wir wieder bei den alten Rollenbildern, die nicht so leicht auszurotten sind. Scheitert eine Beziehung werden Frauen immer noch eher gefragt, ob sie sich das gut überlegt haben. Die absurdeste Frage überhaupt. Niemand trennt sich aus einer Laune heraus. Männer haben es einfacher, sich nach dem Ende einer Beziehung sich als geläuterte, interessante Single-Männer zu positionieren. Und wenn sie gut verdienen, sind sie auch noch im Alter gut vermittelbar

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Sue: Aus meiner Erfahrung ist es so: Wir Frauen der 70iger Generation wollten es alles anders machen: Gute Ausbildung, ordentlich Karriere und wenn der Richtige kommt auch Familie. Wir heiraten nicht mehr mit 18, sondern oft erst in den 30igern, nach vielen Jahren von sexuellen und beziehungsmäßigen Nomadismus. Die Ehe ist aktiv gewählt. Deshalb ist ein Aus nicht vorgesehen. Passiert es doch, zerstört das den großen Traum der Liebe. Dieses Ausmaß an Verwüstung ist eine ziemlich neue Erscheinung. Sie steht in proportionalem Verhältnis zu den übersteigerten Erwartungen und der Idealisierung, die wir in Bezug auf romantische Beziehungen hegen.  Menschen, die z.B. Betrogen worden sind, sagen, dass sie sich verantwortlich für das Fremdgehen des Partners fühlen und dass ihre gesamte Ehe ein Betrug war. Wie sind Deine Erfahrungen?

Heike Blümner: Die Idee der romantischen Liebe ist ja relativ neu in der Menschheitsgeschichte. Ihre Entwicklung der letzten Jahrzehnten ist interessant. Sie muss immer mehr leisten: Dauernde Liebe, Abwechslung und Stetigkeit zugleich. Sie sichert teilweise Haus und Hof und große Teile unserer Identität. Die Beziehung soll unsere Weltbild manifestieren. Auch deswegen ist bei Betrug oder Trennung das Ego so gekränkt. Es geht letztlich um alles, woran wir glauben. Das ganze Weltbild wackelt. Gleichzeitig sind die Errungenschaften des Feminismus, die Entdeckung der weiblichen Sexualität auch recht neue Entwicklungen, die in Partnerschaften noch ankommen müssen.
Sue: Was sagt das Ende einer Beziehung über den Anfang einer Liebe aus?

Heike Blümner: Es gibt eine Studie, die besagt, dass Beziehungen, die am Anfang besonders starke Verliebtheit aufwiesen, eher getrennt werden. Was sich in jedem Fall lohnt, ist am Anfang einer Beziehung auf das oder die zurückliegenden Enden des neuen Partners zu schauen. Kein beliebter Tipp vermutlich, aber da lassen sich oft wenig schöne Muster entdecken. Und dann ist die Chance, dass jetzt alles ganz anders wird, relativ gering.
Sue: Du sprichst davon das Liebesschloss von der Brücke zu sägen, um wenigstens ihre Stabilität zu sichern: Bist für die Kraft des Neins, damit die Liebe schönere Blüten treiben kann. Das sind wunderschöne Bilder und Sätze – was aber heißt das Real?

Heike Blümner: Nein zu sagen kann sehr mutig sein und eine euphorische Kraft entfalten. Vielleicht nicht unmittelbar sofort, aber später. Davon bin ich überzeugt und davon handelt auch unser Buch. Es muss nicht unbedingt das Nein zum Partner sein, es kann auch das Nein des Verlassenen sein, der sich nicht unterkriegen lässt. Nein muss nicht negativ sein. Es macht, wenn es gut läuft, die Tür auf für etwas Neues. Ich finde das Beste an einer Trennung ist, gleichzeitig das, wovor viele Leute so viel Angst haben: Dass das Leben danach weniger berechenbar wird.
Sue: Du behauptest „Menschen die sich trennen, brauchen mehr Zuspruch – weil sie genauso Liebeskummer haben und an sich zweifeln. Zu Gehen wäre eine „reife“ Leistung (Stichwort „Conscious Uncoupling). Gibt es wirklich eine erwachsene Trennung? Ohne Emotionen, Schuldzuweisungen und Enttäuschungen? Oder ist das eine Utopie, die nur stattfinden kann, wenn auf beiden Seiten die Liebe erkaltet (Amtsdeutsch) ist?

Heike Blümner: Es gibt sie, die Paare, die sich mit Bedacht und Respekt trennen. Vielleicht muss man dafür ein bestimmtes Alter erreichen oder eben so gefestigt sein in seiner Identität, dass man erkennt, dass einen der Ex-Partner nicht, oder nicht nur im Stich lässt, sondern einen auch frei lässt.

Das ist ein sehr schöner letzter Satz liebe Heike - ich danke Dir für dieses Gespräch.


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