Es ist eine etwas willkürlich anmutende Zusammenstellung an Aufsätzen, die der Herausgeber Eckhard Kuhla in dem Buch “Schlagseite – MannFrau kontrovers” gesammelt und herausgegeben hat. Das chargiert zwischen dem Hohelied einer christlich geprägten Familienidylle und einigen klugen Anmerkungen zur längst notwendigen Genderdiskussion.
Nun ist dieses Thema nicht wirklich meine Spezialität. Aber aus eigener Erfahrung und Sozialisierung doch eines, das mich interessiert. Umso gespannter war ich auf das Buch, dass eine neue Sicht auf die Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland darstellen möchte. Das gleich vorab: es gelingt dem Buch nicht. Viel zu weit unterscheiden sich die Ansichten der Autoren. Daher gibt es keinen wirklichen Konsens in diesem Sammelband; eher einen etwas einseitigen Überblick über aktuelle Diskussionen.
Das reicht von kaum lesbaren Texten, die davon ausgehen, dass die Ehe als Institution noch immer das A und O der Gesellschaft ist – und damit die Realität in der modernen Gesellschaft gründlich verkennen; Texten, die in sarrazinischer Art den Untergang der christlichen Welt und die Übernahme dieser durch gebährfreudige muslimische Frauen zeichnen. Aber es gibt auch lesenswerte Artikel wie zum Beispiel den der geschassten Ex-Gleichstellungsbeauftragten aus Goslar, Monika Eberling, die als eine der wenigen Autoren des Buches erkennt, dass eine moderne Diskussion über Gleichberechtigung eine Diskussion mit den Männern einschließt. Anderenfalls – und das ist das Credo auch fast aller anderen Beiträge – wird die Diskussion nie darüber hinausgehen, die Männer als Täter und die Frau als Opfer darzustellen.
Zu großen Teilen wird anerkannt, dass es Mitte des letzten Jahrhunderts bitter notwendig war, dass Frauen wie Simone de Beauvoir oder in Deutschland Alice Schwarzer notwendige Denkanstöße gaben, die die Gesellschaft aufrüttelten und den Frauen Rechte erkämpften, die sie heute als selbstverständlich erleben.
Genau das ist der Hauptkritikpunkt des Buches: “Formale Gleichberechtigung ist schon längst Alltag und muss daher nicht als Ziel geschlechterpolitischer Strategien formuliert werden. Die de-iure-Gleichberechtigung verhindert aber keineswegs, dass Frauen und Männer de-facto im Zugang zu Ressorcen benachteiligt und in der Entfaltung der Potenziale [...] behindert werden.” (Peter Döge, Seite 274)
Ein umfangreicher Teil des Buches behandelt die Ungleichbehandlung von Vätern und Müttern – sprich: Männern und Frauen – bei Trennungen. Hier stellt sich – so die Autoren – die Ungleichbehandlung am deutlichsten und sehr oft zum Nachteil des Kindes dar. Männer werden per se zu Nur-Zahlenden abgestempelt und – auch von Amts wegen – nicht für fähig (und bereit) gehalten, an der Kindererziehung mitzuwirken. Die sich in einigen Fällen daran anschließende Diskussion der Tatsache, dass Vergewaltigung in der Ehe als strafbewehrt und das “Unterschieben eines ‘Kuckuckskindes’” als berechtigt angesehen wird, verläßt meines Erachtens nach den Boden des Sachlichen. Es soll auch – meiner Meinung nach – gar nicht um ein Aufrechnen gehen. Leider ist das der Tenor vieler Beiträge. Hier wird oft alles, was als “feindlich” wahrgenommen wird, in Bausch und Bogen verdonnert. Selten gibt es die Einsicht, dass es zum Beispiel sowohl gewaltbereite Frauen gibt als auch Väter, die ihrer Erzieherrolle gern nachkommen (würden).
Insgesamt sind mir der Großteil der Aufsätze einfach nicht differenzierend genug. Es ist oft nur die grobe Kelle, mit der zurückgeschlagen werden soll. Kaum gibt es Ansätze zu einem Dialog. Ausnahmen sind der bereits zitierte Peter Döge, Birgit Kelle und Monika Eberling.
Der Herausgeber spricht in einem aktuellen Telepolis-Interview davon, das Buch deshalb veröffentlicht zu haben, weil es zu einem Ungleichgewicht kommt zwischen der medialen und gesellschaftlichen Wahrnehmung der Gleichstellungsproblematik und den tatsächlichen Geschehnissen. So sagt er unter anderem auch: “Ein beliebtes Beispiel für die Diskriminierung von Frauen betrifft die These von der Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen[...] In den Medien wird seit langem gebetsmühlenartig wiederholt, dass Frauen 23 Prozent weniger als Männer verdienen. Das Statistische Bundesamt hat dagegen am 25.10.2010 eine Analyse veröffentlicht, in der sich der Verdienstunterschied auf 8% reduziert. Bei der Angabe der 23 Prozent wird – warum auch immer – kaum erwähnt, dass bei einer summarischen Betrachtung zwar Frauen im Durchschnitt weniger als Männer verdienen, der Grund: Frauen entscheiden sich häufiger für Teilzeit und für schlechter bezahlte Berufe. Da liegt eindeutig keine Diskriminierung vor. Viel interessanter wäre die Diskussion über die Gründe, warum denn mehr Frauen in die Teilzeit und Billiglohnjobs gehen (müssen).” Leider aber wird genau diese Diskussion im vorliegenden Buch nicht geführt.
Nic
Eckhard Kuhla (Hrsg.), Schlagseite – MannFrau kontrovers, 380 Seiten, Klotz, ISBN 978-3-88074-031-0, 19,95 Euro