Es wird Frühling. Die Sonne scheint, als sei sie nicht mehr ganz dicht. Die schachspielenden Männer im Park vermehren sich wieder wie die Karnickel (nein, nicht wortwörtlich – die homophobe Parkszene ist mit dem Bauzaun verschwunden… möglicherweise auch nur dahinter). Und ich kann vor Müdigkeit kaum aus den Augen schauen. Was ist da nur los?
Schon seit Tagen bewege ich mich kaum mehr als im Wachkoma und könnte nur schlafen, schlafen, schlafen. Die akute Frühjahrsmüdigkeit ist nicht nur ein äußerst gefährlicher Zustand für meinereins, da ich unversehens von meinen hohen Hacken kippen könnte, sondern auch für mein Umfeld.
Ich und Schlaf, das ist nämlich eine mehr als kuriose Angelegenheit. Was ich im Schlaf durchlebe, würde den meisten nicht mal in ihren wildesten Träumen einfallen. Schnitzlers Traumnovelle ist ein Bilderbuchtraum gegen die Tim Burton-Szenarien, die sich im nächtlichen Dunkel um mich auftürmen. Kurz gesagt, ich habe eine äußerst rege Fantasie – im Wachzustand augenscheinlich ein Gedanken-Guantanamo, dessen Insassen, sobald mich der Schlaf übermannt, kurzerhand einen Massenausbruch begehen. Oh und dann sind die Gedanken frei!
Wehe dem, der mich in diesem labilen Zustand weckt. So neulich mein Nachbar, der mitten in der Nacht (für berufstätige Workaholics um 1 Uhr samstags, nicht vergleichbar mit der studentischen Zeitrechnung, in der hier erst das zweite Frühstück eingenommen wird) lauthals zu singen begann, begleitet durch rythmisches Gitarrenspiel und einem Fußschlag, der donnergleich über meinem Kopf herniederkam. Zu einer anderen Tageszeit wäre ich dahingeschmolzen, wie das bei der Kombination Frau-Gitarrist meist üblich ist. So aus dem Schlaf gerissen, provozierte der ahnungslose Künstler jedoch nicht die musikaffine Pazifisitin, die ich bin, sondern die geballte Wut meiner geschändeten Synapsen. Andere würden das Folgende als rasende Furie bezeichnen, ich nenne es der Einfachheit halber “aufgebrachte Eva”.
Nachdem mir ein wütender und wenig zielgerichteter Urschrei entwich, dessen Wirkung de facto gleich null war, musste mein paranoider Geist zu einer etwas anderen Waffe greifen: dem Besenstiel. Zum Glück nur dieser, denn das letzte Stück Zivilismus, tief vergraben in mir, hatte noch die schwache Meldung gemacht, dass gegen die Heizung klopfen nicht nur inakzeptabel sei, sondern mich auch zum Schwaben auf Lebzeiten machen würde.
So wallte ich hinaus in die balkonische Eiseskälte und griff mir den verstaubten Zauberstab. Zurück in meinem Zimmer rammte ich das gute Stück gekonnt und lautstark in die Zimmerdecke. Kurze Stille. dann erfolgte der Einsatz umso lauter. Und plötzlich wurde mir klar, dass ich das Gelärme überhaupt nicht orten konnte. Mit unbestimmter Sicherheit konnte ich definitiv nicht sagen, von welcher Seite ich da so unverschämt beschallt wurde.
Diese Gehirnwindung funktionierte also einwandfrei, nicht so diejenige, die für soziales Verhalten zuständig ist und mich möglicherweise ermahnt hätte, dass es mir einen besonderen Platz in der Nachbarhölle bescheren würde, wenn ich den Besenstiel einfach mal gegen Boden und jede Wand hämmerte. Was ich auch tat.
Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, dass ich damit das ganze Haus aus dem seligen Schlaf gerissen hatte. Leider war meine Nacht-und-Nebel-Aktion nicht einmal das Ende vom Lied. Auf das eine folgten unzählige weitere, begleitet von einem johlenden Applaus, da das Gitarrenspiel zugegebenermaßen nicht von schlechten Eltern war. Zum Glück meldete sich just in diesem Moment mein Gedächtnis, dass mir die Existenz eines rettenden Ohropax-Pärchens meldete. Gut für meine Nachbarn und vielleicht auch gut für mich. Sonst hätte ich mir am nächsten Tag womöglich eine neue Bleibe suchen müssen.
Eins ist klar, mit mir in der Hauptrolle wäre in “Paranormal Activity” immerhin etwas passiert. Das ist nur eine heitere Anekdote von vielen, tatsächlich gibt es bei mir noch so einige Schlafschwänke. Was ich noch so alles im Schlaf kann, gebe ich aber lieber ein andermal zum Besten.
Ich brauch keine Drogen, nur ein bisschen Schlaf.