Die in Bamberg lebende Bestsellerautorin Tanja Kinkel, hat mit ihrem aktuellen Titel „Schlaf der Vernunft“, den Terror der „Roten Armee Fraktion“ in einer komplexen Geschichte um Schuld, Rache und Vergebung veröffentlicht.
Gehen wir ein paar Jahrzehnten in der Deutschen Geschichte zurück. In den 60er und 70er Jahren, hatte die RAF – als linksgerichtete, extreme Terrorvereinigung ihre aktiven und blutigen Jahre und waren verantwortlich für ca. 34 Morde, mehrere Entführungen, Banküberfälle und Sprengstoffattentate. Als antiimperialistische, kommunistische Stadtguerilla hatten die Mitglieder durchaus ihre Sympathisanten. Besonders bei Studenten, die in der Zeit, sehr aktiv gegen den Vietnamkrieg demonstrierten, fanden sie Unterstützung. Durch Studentenbewegungen rekrutieren sich noch viele Mitglieder, die die Politik der USA kritisierten und die Vergangenheit hochrangiger Politiker polarisierte. Für die RAF waren diese entweder Imperialisten oder Nazis.
Die erste und zweite Generation dieser RAF-Mitglieder waren, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof – diese bildeten die Führungsriege und galten als Idole für die anderen Mitglieder.
Als Deutscher Herbst, wird diese politische Atmosphäre als ein Stück deutscher Geschichte bezeichnet – und gilt als einer der schwersten Krisen. Einige von uns können sich noch an den allgegenwärtigen Plakaten erinnern, die in Postämtern, Banken und Geschäften platziert wurden. Manchmal wurden diese schwarz-weiß Fotos durchgestrichen, wenn diese Mitglieder entweder festgesetzt oder getötet wurden.
Die RAF verübte einige Morde, Jürgen Ponto (Vorstandssprecher der Deutschen Bank), Hans-Jürgen Schleyer (Präsident des Bundesverbands der Arbeitgeber) und (Generalbundesanwalt) Siegried Buback, gehörten zu den Opfern der radikalsten und kaltblütigsten Attentate.
Tanja Kinkels Roman „Schlaf der Vernunft“ greift das Thema „Terrorismus“ wieder auf. Allerdings befasst sie sich weniger mit den Attentaten und Morden. Die Autorin lässt Ihre Geschichte im Jahre 1998 beginnen. Die RAF hat sich quasi selbst aufgelöst, der amtierende Bundespräsident Roman Herzog gewährt einigen Mitgliedern der RAF Amnestie und entlässt sie auch jahrelanger Haft. Ab hier und mit der Entlassung der wegen Mordes verurteilten Terroristin Martina Müller beginnt der Roman. Ihre Tochter Angelika, verheiratet wird natürlich vom Innenministerium informiert und soll als nächste Angehörige ihre Mutter wieder in die Gesellschaft integrieren.
Die Hinterbliebenen der Opfer des Anschlags, an dem Martina Müller beteiligt war, erhalten ebenfalls von der bevorstehenden Entlassung Kenntnis.
Tanja Kinkel lässt in ihrem Titel „Schlaf der Vernunft“ den Leser teil an den Schmerz und der Ohnmacht der Angehörigen. Auch sie sind unmittelbare und doch indirekte Opfer des Anschlages. Getrieben durch Rache, Vergebung und dem verstehen wollen, was damals wirklich passiert ist, bilden diese Protagonisten – der Sohn des Opfers, und der Leibwächter der den Anschlag überlebt hat, den Gegenpart. Die Stärke des Romans liegt genau in diesem Zusammenspiel. Lasst die Opfer sprechen – und die Täter innehalten und Reue zeigen? So einfach ist das nicht. Weder für Martina Müller, die faktisch gesehen nach jahrelanger Haft eine andere Bundesrepublik Deutschland betritt und ggf. einsehen muss, dass sämtliche damalige Ideologien und radikalen Parolen im Grund ein totaler Fehler waren!?
Sehr sensibel und mit dem Blick auf die Vergangenheit der RAF und die Gegenwart von Opfern und Tätern gelingt es Tanja Kinkel eine Geschichte zu erzählen, die unter die Haut geht. Es ist eine Aufarbeitung für die Protagonisten, die in zwei Zeitzonen erzählt wird.
In der ersten zeitlichen Handlungsebene wird die Vergangenheit von Martina Müller erzählt. Eine idealistische Jugendliche die Zeugin einer eskalierenden Demonstration zum Staatsbesuch des Schahs von Persien wird und damit zur Mitläuferin und späteren Täterin avanciert. Im späteren Verlauf mit der Geburt ihrer Tochter Angelika beginnt die Autorin die familiären Bande aufzubauen, die dann später in der Gegenwart einen ebenso großen Raum einnimmt. In ebendieser Gegenwart beschäftigen sich die Angehörigen der Opfer mit ihrer ganz persönlichen Vergangenheit. Selbstverständlich erzählt diese den Mutter-Tochter Konflikt, und die langsame Annäherung.
„Schlaf der Vernunft“ ist eine mit viel Spannung und Gefühl versehende Story, über verlorene Ideologien, Verantwortungen und Reue. Die Stärke des Romans bezieht die Geschichte aus den verschiedenen Perspektiven der Angehörigen und der Täterin. Allerdings ist Aufarbeitung der Vergangenheit sehr oberflächlich erzählt und auch Martina Müllers Part ist grundsätzlich als Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte zu kurz geraten.
Die Emotionalität bleibt in diesem Roman etwas auf der Strecke. Das mag daran liegen, dass die Autorin, die Epoche der RAF nicht wirklich erlebt hat, und doch hätte ich mir persönlich gesehen mehr an emotionaler Aufarbeitung einer Martina Müller gewünscht. Vieles bleibt unausgesprochen, vieles bleibt dem Leser selbst am Ende überlassen zu interpretieren. „Schlaf der Vernunft“ ein guter historischer Thriller, der manchmal einige Chancen leider verpasst hat.
Für alle Leser, die mehr über die RAF erfahren wollen, empfehle ich, dass sehr ausführliche Buch von Stefan Aust – Der Baader-Meinhof-Komplex. Für uns – und zu diesem Zeitpunkt ist der deutsche Terrorismus zum Glück kein Thema mehr. Der Terrorismus ist globaler geworden, aber es gibt noch immer Angehörige von Opfern und Tätern, die (über)lebt haben und zeitlebens eine Bürde tragen.
Michael Sterzik
Gehen wir ein paar Jahrzehnten in der Deutschen Geschichte zurück. In den 60er und 70er Jahren, hatte die RAF – als linksgerichtete, extreme Terrorvereinigung ihre aktiven und blutigen Jahre und waren verantwortlich für ca. 34 Morde, mehrere Entführungen, Banküberfälle und Sprengstoffattentate. Als antiimperialistische, kommunistische Stadtguerilla hatten die Mitglieder durchaus ihre Sympathisanten. Besonders bei Studenten, die in der Zeit, sehr aktiv gegen den Vietnamkrieg demonstrierten, fanden sie Unterstützung. Durch Studentenbewegungen rekrutieren sich noch viele Mitglieder, die die Politik der USA kritisierten und die Vergangenheit hochrangiger Politiker polarisierte. Für die RAF waren diese entweder Imperialisten oder Nazis.
Die erste und zweite Generation dieser RAF-Mitglieder waren, Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof – diese bildeten die Führungsriege und galten als Idole für die anderen Mitglieder.
Als Deutscher Herbst, wird diese politische Atmosphäre als ein Stück deutscher Geschichte bezeichnet – und gilt als einer der schwersten Krisen. Einige von uns können sich noch an den allgegenwärtigen Plakaten erinnern, die in Postämtern, Banken und Geschäften platziert wurden. Manchmal wurden diese schwarz-weiß Fotos durchgestrichen, wenn diese Mitglieder entweder festgesetzt oder getötet wurden.
Die RAF verübte einige Morde, Jürgen Ponto (Vorstandssprecher der Deutschen Bank), Hans-Jürgen Schleyer (Präsident des Bundesverbands der Arbeitgeber) und (Generalbundesanwalt) Siegried Buback, gehörten zu den Opfern der radikalsten und kaltblütigsten Attentate.
Tanja Kinkels Roman „Schlaf der Vernunft“ greift das Thema „Terrorismus“ wieder auf. Allerdings befasst sie sich weniger mit den Attentaten und Morden. Die Autorin lässt Ihre Geschichte im Jahre 1998 beginnen. Die RAF hat sich quasi selbst aufgelöst, der amtierende Bundespräsident Roman Herzog gewährt einigen Mitgliedern der RAF Amnestie und entlässt sie auch jahrelanger Haft. Ab hier und mit der Entlassung der wegen Mordes verurteilten Terroristin Martina Müller beginnt der Roman. Ihre Tochter Angelika, verheiratet wird natürlich vom Innenministerium informiert und soll als nächste Angehörige ihre Mutter wieder in die Gesellschaft integrieren.
Die Hinterbliebenen der Opfer des Anschlags, an dem Martina Müller beteiligt war, erhalten ebenfalls von der bevorstehenden Entlassung Kenntnis.
Tanja Kinkel lässt in ihrem Titel „Schlaf der Vernunft“ den Leser teil an den Schmerz und der Ohnmacht der Angehörigen. Auch sie sind unmittelbare und doch indirekte Opfer des Anschlages. Getrieben durch Rache, Vergebung und dem verstehen wollen, was damals wirklich passiert ist, bilden diese Protagonisten – der Sohn des Opfers, und der Leibwächter der den Anschlag überlebt hat, den Gegenpart. Die Stärke des Romans liegt genau in diesem Zusammenspiel. Lasst die Opfer sprechen – und die Täter innehalten und Reue zeigen? So einfach ist das nicht. Weder für Martina Müller, die faktisch gesehen nach jahrelanger Haft eine andere Bundesrepublik Deutschland betritt und ggf. einsehen muss, dass sämtliche damalige Ideologien und radikalen Parolen im Grund ein totaler Fehler waren!?
Sehr sensibel und mit dem Blick auf die Vergangenheit der RAF und die Gegenwart von Opfern und Tätern gelingt es Tanja Kinkel eine Geschichte zu erzählen, die unter die Haut geht. Es ist eine Aufarbeitung für die Protagonisten, die in zwei Zeitzonen erzählt wird.
In der ersten zeitlichen Handlungsebene wird die Vergangenheit von Martina Müller erzählt. Eine idealistische Jugendliche die Zeugin einer eskalierenden Demonstration zum Staatsbesuch des Schahs von Persien wird und damit zur Mitläuferin und späteren Täterin avanciert. Im späteren Verlauf mit der Geburt ihrer Tochter Angelika beginnt die Autorin die familiären Bande aufzubauen, die dann später in der Gegenwart einen ebenso großen Raum einnimmt. In ebendieser Gegenwart beschäftigen sich die Angehörigen der Opfer mit ihrer ganz persönlichen Vergangenheit. Selbstverständlich erzählt diese den Mutter-Tochter Konflikt, und die langsame Annäherung.
„Schlaf der Vernunft“ ist eine mit viel Spannung und Gefühl versehende Story, über verlorene Ideologien, Verantwortungen und Reue. Die Stärke des Romans bezieht die Geschichte aus den verschiedenen Perspektiven der Angehörigen und der Täterin. Allerdings ist Aufarbeitung der Vergangenheit sehr oberflächlich erzählt und auch Martina Müllers Part ist grundsätzlich als Dreh- und Angelpunkt dieser Geschichte zu kurz geraten.
Die Emotionalität bleibt in diesem Roman etwas auf der Strecke. Das mag daran liegen, dass die Autorin, die Epoche der RAF nicht wirklich erlebt hat, und doch hätte ich mir persönlich gesehen mehr an emotionaler Aufarbeitung einer Martina Müller gewünscht. Vieles bleibt unausgesprochen, vieles bleibt dem Leser selbst am Ende überlassen zu interpretieren. „Schlaf der Vernunft“ ein guter historischer Thriller, der manchmal einige Chancen leider verpasst hat.
Für alle Leser, die mehr über die RAF erfahren wollen, empfehle ich, dass sehr ausführliche Buch von Stefan Aust – Der Baader-Meinhof-Komplex. Für uns – und zu diesem Zeitpunkt ist der deutsche Terrorismus zum Glück kein Thema mehr. Der Terrorismus ist globaler geworden, aber es gibt noch immer Angehörige von Opfern und Tätern, die (über)lebt haben und zeitlebens eine Bürde tragen.
Michael Sterzik