Das Wissen um die Zeit ist auch etwas, das in der Ngakpa-Tradition lange Zeit bloß mündlich tradiert wurde. Die tibetische Astrologie ist eng mit der tibetischen Medizin verbunden und Bestandteil der fünf Wissenschaften wie Philosophie, Sprache und Literatur und Religion.
Nutzen der Astrologie
Das Wissen um die Zeit war und ist für Tibeter immer von großer Bedeutung. Kaum ein Projekt – egal ob Heirat, Geschäft o.ä. – wurde gestartet, ohne dafür zuerst den günstigen Zeitpunkt zu ermitteln. Auch wurde für die Eheschließung immer ein Astrologe hinzugezogen, um die Chancen und Möglichkeiten des Paares zu berechnen. Viele Leute vor allem im Westen fragen sich dann, ob solch ein Verfahren für unsere Zeit noch Sinn macht und ob da nicht ganz viel Aberglaube im Spiel ist.
Zunächst einmal muss man erwähnen, dass es sich dabei weniger um eine Astrologie – also eine Sternenkunde – handelt, sondern vielmehr um eine Ermittlung von Faktoren, mit denen das Individuum in Beziehung steht und sogar aus ihnen besteht. Beispielsweise finden sich die fünf Elemente der chinesischen Sichtweise – Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser – sowohl im Menschen als auch in seiner Umgebung. Als Wandlungsphasen begegnen sie uns im Verlauf des Jahres wie auch des Tages. Der funktionale Aspekt der Organe steht mit ihnen in Verbindung. Die fünf Elemente des indischen Ansatzes – Erde, Wasser, Feuer, Wind (Luft) und Raum – finden sich genauso im Menschen und seiner Umgebung. Warum also sollte man nicht versuchen, deren Ablauf und ihre Veränderungen zu ermitteln, sodass man einen geschickten Umgang mit ihnen pflegen kann?
Geschick im Straßenverkehr des Lebens
Man kann diese Form der Astrologie (Schicksalsberechnung) auch mit etwas sehr Alltäglichem vergleichen. Auto, Straße und Wetter sind uns vertraute Dinge und Phänomene. Wie in der Astrologie ermittelt gibt es einen Grundzustand, eben ein Gefährt mit dem man sich durchs Leben bewegt – nennen wir es „Auto“. Dann gibt es natürlich einen Lebensverlauf – „Straße“ genannt – und dann treffen wir auf eher flüchtige, vorübergehende Einflüsse – das „Wetter“.
Wenn man diese Triade – Auto, Straße, Wetter – mal ganz entspannt betrachtet, dann erscheint ein Porsche 911 oder ein Mercedes-Benz F 015 im Vergleich zu einem Traktor oder einem Lada Taiga doch als Luxusfahrzeug und begehrenswert. Fügt man dieser Grunddisposition jedoch den Faktor „Straße“ hinzu, dann relativiert sich das Fahrzeug sofort. Auf einer Autobahn wird ein Porsche 911 einen jeden Lada Taiga stehen lassen und ein Traktor darf diese nicht einmal benützen. Wenn die Straße – also der Lebensverlauf – einem Waldweg anmutet, dann sind Traktor und Lada Taiga den Luxusfahrzeugen überlegen. Wenn dann auch noch der Faktor „Wetter“ dazukommt, relativiert sich alles noch einmal. Ein Waldweg bei Regen verwandelt sich in eine für einen Porsche 911 unbefahrbare Straße und somit zeigt sich, auch wenn man die besten Voraussetzungen mitbringt, kommt man nicht vom Fleck. Und hier kann diese Form der Schicksalsberechnung ansetzen.
Die Jungtsi-Berechnung – wie die Elemente-Astrologie genannt wird – kann eben diese drei Faktoren ermitteln und so dem Fahrer – ja, auf den darf man nicht vergessen – die Möglichkeiten aufzeigen, sodass der Fahrer sein Fahrverhalten der Straße und dem Wetter entsprechend anpassen kann. Wenn man allerdings glaubt, dass Fahrzeug, Wetter und Straße ausreichend sind, und man so durch’s Leben befördert wird, hängt einem Aberglauben nach, da ein wesentlicher Faktor – der Fahrzeuglenker – übersehen wird. Und es liegt noch immer in der Entscheidung des Fahrers, das Fahrzeug geschickt zu steuern. Durch eine Schicksalsberechnung können aber das Verständnis und das Geschick des Fahrers gefördert werden.
Tibetische Astrologie
Die Ursprünge der tibetischen Astrologie, so wie sie heutzutage am Mentsekhang-Institut gelehrt wird, gehen in vorbuddhistische Zeiten zurück. Teile dieser Wissenschaft von der Zeitqualität wurden bereits von den tibetischen Bön-Schamanen ausgeübt, andere Aspekte sind dann aus der chinesischen Elementlehre und der vedischen Astrologie eingeflossen. Aber erst in Tibet sind diese Elemente zusammen in ein System der Schicksalsberechnung geformt worden, das eng mit der Heilkunde, aber auch der Ritualistik des tantrischen Buddhismus verbunden ist.
Wichtige Entscheidungen werden auch heute noch mittels Orakel entschieden. Der Hintergrund dafür ist einfach die Sichtweise, dass Mensch und Umwelt, Mikrokosmos und Makrokosmos aufs engste miteinander verbunden sind. Somit hat sich auch ein eigenes Tätigkeitsgebiet für magische Spezialisten entwickelt – Lamas und Ngakpas als Dämonenbezwinger, Zauberer, bewandert in rituellen Praktiken, magischen Heilkünsten wie Mantra-Heilen und der Herstellung von Schutzamuletten.
Günstige und ungünstige Zeite
Im tibetischen Almanach finden sich daher auch immer die Beziehungen zwischen dem Geburtsjahr und dem gegenwärtigen Jahr. Dabei werden Vitalität (Sog), körperliches Wohlbefinden (Lü), Macht und Autorität (Wangthang) und Erfolg (Lungta) berechnet und mit dem jeweiligen Geburtsjahr in Beziehung gesetzt. Somit kann man erkennen, ob es sich um ein günstiges oder ungünstiges Jahr handelt und welche Gegenmaßnahmen erforderlich sind.
Weiters werden die Geburts-Parkha und die Geburts-Mewa mit den jeweilige des gegenwärtigen Jahres in Verbindung gesetzt. Dies gibt weitere Aufschlüsse, ob eine Zeit vorteilhaft ist oder nicht.
Wenn es sich um medizinische Angelegenheiten wie Operationen handelt, wird der Verlauf des La – des psycho-vitalen Prinzips – ermittelt, damit man dieses Prinzip nicht schädigt und keine Komplikationen bei einem Eingriff entstehen.
Wurzeln im Bön
Die Anfänge der tibetischen Astrologie bzw. Schicksalsberechnung reichen bis in die Zeit des Bön zurück. Dabei bildeten Naturbeobachtungen die Grundlage. Der Lauf der Himmelskörper, die verschiedenen Wolkenformationen, Regenbögen, Eis und Winde wurden beobachtet. Man leitete aus dem Verhalten der Vögel ab, wann die Zeit für die Aussaat günstig war oder man beobachtete das Fressverhalten und zog daraus seine Schlüsse. Diese Form der Astrologie wurde bereits zur Zeit Nyatri Tsenpo im Jahre 127 vor unserer Zeitrechnung ausgeübt.
Dieser Ansatz fokussiert vor allem auf die Faktoren Sog (tib., srog; Lebenskraft, Vitalität), Lü (tib., lus; Körper, Wohlbefinden), Wangthang (tib., dbang thang; Macht, Autorität, Ansehen) und Lungta – das Windpferd (tib., rlung rta; Glück, Erfolg). Ein weiterer Faktor ist noch La – (tib., bla; „Seele“ bzw. psycho-vitales Prinzip). Diese werden mittels der fünf chinesischen Elemente (Holz, Feuer etc.) ermittelt.
Chinesische Elementlehre
Die Ursprünge der „schwarzen Astrologie“ – wie die chinesische genannt wird – wurden von Manjushri im Jahre 837 v. Chr. gelehrt. Aber erst im Jahre 641 n. Chr. gelangte diese Astrologie nach Tibet. Die wichtigsten Aspekte davon wurden im „Weißen Beryll“ vom Desi Sangye Gyatso niedergeschrieben.
Diese Lehre beruht auf den fünf Elementen, einem 12-Jahres-Zyklus, den acht Parkha (bagua; Trigrammen), den neun Mewa – dem magischen Quadrat und den 28 Konstellationen.
Kalachakra-Astrologie
Die Kalachakra-Astrologie wurde von Buddha Shakyamuni nach tibetischer Zeitrechnung um 881 v. Chr. in Indien gelehrt. Im Jahre 1027 n. Chr. gelangte sie nach Tibet. Der Haupttext dafür ist das Vimalaprabha (tib., ‘dri med ‘od; Makelloses Licht), ein Kommentar zum Kalachakra-Tantra vom Rigden Pema Karpo, dem zweiten König von Shambhala. Dabei werden die Positionen der neun Planeten und die 27 Konstellationen berechnet.
Und falls jetzt jemand wissen will, wie das nächste Jahr in Bezug auf Vitalität, Wohlbefinden, Ansehen und Erfolg aussieht, ob sich Projekte leichter verwirklichen lassen oder ob man doch ein paar unterstützende Maßnahmen setzen soll – einfach per eMail im Ngakpa-Zentrum anfragen.