Rezension Christoph Scheuring - Echt
Inhalt:Albert sammelt Abschiede. Tag für Tag fotografiert er am Bahnhof Umarmungen, Trennungen und Tränen. Denn Abschiede, das sind für ihn Momente, in denen der Mensch wahrhaftiger ist als jemals sonst. Eines Tages lernt er Kati kennen. Sie sieht aus wie ein Engel, ist gleichzeitig abgezockt und verletzlich. Und sie ist wie gebannt von seinen Bildern, vor allem von seinem Lieblingsbild, auf dem Schmerz und Glück völlig selbstvergessen miteinander verschmelzen. Doch Kati behauptet, das Foto sei eine einzige Lüge. In den Tiefen des Bahnhofs machen sich die beiden daran, die Wahrheit hinter dem Foto zu finden.
Meinung:Obwohl dieses Buch bereits 2014 erschienen ist, gelangte es doch erst im März durch die Leipziger Buchmesse auf meinem Radar, denn es hat eine Nominierung für den Deutschen Jugendliteratur Preis ergattert. Dementsprechend neugierig geworden, schaute ich mir das Buch näher an und stellte fest: Das möchte ich lesen.
Und so nahm ich das Buch in die Hand und konnte es kaum mehr weglegen. Echt erzählt die Geschichte des 16-jährigen Albert Cramer, dessen Hobby es ist, auf dem Hamburger Hauptbahnhof Abschiede zu fotografieren. Das Buch beginnt auch prompt mit einer Verhaftung, denn die Polizei ist der Meinung, dass Albert zusammen mit Taschendieben unter einer Decke steckt. Albert hat natürlich keinen blassen Schimmer, was die Polizei von ihm will und so kommt es dazu, dass er zum ersten Mal anderen Menschen seine Bilder zeigen muss. Der Reiz der Abschiede ist damit erst mal für Albert dahin, trotzdem geht er weiterhin zum Bahnhof und trifft dort auf Kati. Diese interessiert sich sehr für Alberts Fotographien und stellt die Behauptung auf, dass Alberts Bilder eine Lüge darstellen. Besonders Alberts bestes Bild scheint Kati sehr zu interessieren und gemeinsam versuchen sie, die Personen auf dem Bild ausfindig zu machen.
Das Buch hat mich streckenweise in eine Richtung geführt, die ich so nicht erwartet habe. Zwar war mir klar, dass hier das Thema Straßenkinder thematisiert wird, aber auch Diebstahl, Drogen und das Bettler-Milieu sind ein dominantes Thema hier. Manchmal kam ich mir sehr unbedarft und naiv vor, denn ich merkte, wie behütet und fernab von solchen Problematiken ich aufgewachsen bin. Besonders beeindruckt hat mich hierbei, wie behutsam und einfühlsam der Autor auf seine Protagonisten eingegangen ist. Er schönt deren Situationen nicht, trotzdem sind mir Kati, Sascha und der Rest der Clique immer sympathisch geblieben und ans Herz gewachsen. Auch ihre Probleme, Einstellungen und Handlungsweisen blieben stets nachvollziehbar und dadurch sehr authentisch.
Albert ist ein sehr sympathischer und netter Charakter. Er lebt alleine mit seinem Vater, einem etwas verschrobenen Mathematiker. Seine Mutter, eine eher exzentrische Künstlerin, hat die Familie früh verlassen. Albert kann damit mittlerweile gut leben, trotzdem merkt man, dass ihm manchmal etwas elterliche Führung im Leben fehlt. Regelbrüche werden für ihn im Verlauf des Buches immer selbstverständlicher, da er weiß, dass seinem Vater die entsprechende dauerhafte Strenge fehlt und er schneller wieder nachgibt. Ich war manchmal richtig schockiert, wie schnell sich Einstellungen und Ansichten ändern können.
Auch Kati mochte ich, trotz ihrer manchmal recht launischen Art, sehr gerne. Auch bei ihr merkt man, dass sie sich letztendlich sehr verloren und einsam fühlt. Dementsprechend zynisch und negativ ist auch ihre Gesamtlebenseinstellung. Sie hat bereits einige sehr harte Verluste erleben müssen, die sie stark geprägt haben.
Erzählt wird der Roman aus der Ich-Perspektive. Albert lässt uns teilhaben an seinem Leben und seinen Gedanken. Der Schreibstil ist sehr flüssig und angenehm. Trotz der insgesamt sehr ernsten Thematik behält das Buch einen recht leichten Grundton und gerade in den Dialogen merkt man, dass Christoph Scheuring sich mit den Jugendlichen auseinander gesetzt hat. Von gestochen scharfem Deutsch bis hin zu verslangter Jugendsprache findet man alles hier in diesem Buch. Das macht das Buch noch realistischer und näher und gerade die angestrebte Zielgruppe wird sich hier auf jeden Fall angesprochen fühlen.
Zum Schluss muss ich auch noch kurz auf die Gestaltung des Buches eingehen. Der Magellan-Verlag hat einfach ein Händchen dafür, aus seinen Büchern das Beste rauszuholen. Nicht nur die Thematik der Jugendbücher ist ansprechend, auch bei den Covern steckt viel Liebe zum Detail. So ist dieses Buch auf der einen Seite sehr schlicht gestaltet mit den Pappdeckeln und dem orangen Buchrücken, auf der anderen Seite aber so passend zu diesem Buch gewählt. Ein richtiges Schmuckstück im Bücherregal <3
Vielen Dank an den Magellan-Verlag für das Rezensionsexemplar.
Fazit:Ein ehrliches und berührendes Jugendbuch, mit realistischen und komplexen, aber auch sehr sympathischen Charakteren. Nicht nur eine Milieustudie, sondern auch ein ganz besonderes Buch über Freundschaft.
Von mir gibt es 5 von 5 Punkten.
http://www.magellanverlag.de/feine-b%C3%BCcher/jugendbuch/ PreisGebunden: 14,95 Euro
ISBN: 978-3734850011
Seitenzahl: 256