Schepper, klapper, krach

„Chivalry is Dead“. Die Aussage, dass das Rittertum tot sei, ist leider nur ein frommer Wunsch. Aber Alex Deutinger und Alexander Gottfarb zeigten in ihrer Performance im Dschungel, anlässlich der 3rd edition von „feedback“ des Tanzquartiers, dass man die Hoffnung auf solch einen Zustand nicht aufgeben darf.

Man kennt sie aus Museen, Kinderbüchern und Computerspielen. Aus Filmen und Mittelaltermärkten. Jene blechernen Gesellen, die zum Schutz in der Schlacht oder im Turnier metallen gewandet waren. Zwei davon stehen ruhig am Bühnenrand. Man meint, es wären Attrappen, bis sie sich ganz langsam zu bewegen beginnen. In den Rüstungen stecken tatsächlich Menschen!

Wie in Zeitlupe treten sie nach vor, so als ob sie sich aus der Vergangenheit erst ins Hier und Heute transferieren müssten. Ein leises Knarzen und Knirschen begleitet jeden ihrer Schritte. Es hat den Anschein, als wärmten sie sich nach Jahrhunderte langem Schlaf auf. Bald schon verändert sich das Geschehen drastisch. Das Gehen wird lauter, demonstrativer Bodenkontakt verstärkt die Geräuschkulisse, die Hände klatschen im Marschrhythmus an die Rüstung. Einer der beiden Männer gibt den 4/4tel Takt mit lautem Zweier-Stampfen vor, der andere springt dazu wie ein behendes Pferd beim Turnier. Jetzt ist er da, der Klang aus einer fernen Zeit. Ein Geschepper, Geklapper, ein Gerassel und ein Krach, der ein völlig neues Hörerlebnis bereithält.

Der strenge Rhythmus spiegelt sich in den weißen Federn des Ritters mit dem vergitterten Helm wieder. Auf- und ab wippt der zarte Schmuck auf seinem Kopf wie ein kontrapunktischer Augenschmaus. Bald schon wird gelaufen und zur Seite gesprungen, dass man sich ohne Mühe dazugehörige Pferde imaginieren kann. Eine zusätzliche Soundeinspielung verstärkt den Eindruck eines Kampes, der hörbare, schwere Atem zeigt auf, wie anstrengend die Bewegungen für die Männer tatsächlich sind. Schweiß, Herzklopfen, Angst, Anstrengung, all das vermittelt sich wie beiläufig bei dieser Performance. Der Zusammenbruch des einen, der regungslos auf dem Boden liegen bleibt, ist für den anderen nur kurz zu genießen. Bald schon fällt auch dieser um.

Wie zwei Riesenkäfer liegen sie nun ausgestreckt am Boden. Mit Mühe gelingt es ihnen erst nach einer geraumen Zeit wieder hochzukommen. Aber nichts ist nun mehr, wie es zuvor noch war. Das martialische Gehabe ist gewichen. Ein Schwalbe – mit all dem vielen Metall am Körper eine Herausforderung – und ein Spagat zeigen an, dass sich die ritterlichen Tugenden verändert haben. Bewegungen, wie sie aus dem zeitgenössischen Tanz übermittelt werden, fließen in eine Choreografie ein, in der sich die beiden schließlich so nahe kommen, dass die Rüstungen stören. Nebel zieht auf, nacheinander entledigen sie sich ihrer einzelnen Schutzteile. Verstreuen sie dort auf dem Boden, wo sie gerade ausgezogen werden und hinterlassen nach dem Verlassen der Bühne ein Schlachtfeld von blechernen Kriegsattributen.

Es wäre zu einfach, das Stück nur aus einer historischen Perspektive zu betrachten. Alex Deutinger und Alexander Gottfarb schufen mit „Chivalry is Dead“ eine wunderbare Parabel nicht nur auf männliches Machtgehabe. Ein Machtgehabe, das sich seit dem Mittelalter nur marginal verändert hat. Die „Rüstungen“ legen sich heute sowohl Männer als auch Frauen zu, um sich vor der Umwelt zu „harnischen“. Die darunter liegenden Befindlichkeiten werden nur dann sichtbar, wenn es eine zwischenmenschliche Intimität auch tatsächlich zulässt. Die Schönheit des Lebens, die sich jedoch nur abseits von gelebten Machtstrukturen für jeden einzelnen erleben lässt, braucht keine gepanzerten Menschen. Sie zeigt sich gerade in der Verletzlichkeit und auch in der Offenlegung von Wunden. Die Verschränkung zwischen Gegenwart und Vergangenheit funktioniert in dieser außergewöhnliche Performance vom ersten bis zum letzten Augenblick auf wunderbare Art und Weise.


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