Schema: Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO (Zulässigkeit / Begründetheit)

A. Sachentscheidungsvoraussetzungen bzw. Zulässigkeit

  1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
    1. Aufdrängende Sonderzuweisung
    2. Generalklausel, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO
      1. Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
      2. Nichtverfassungsrechtlicher Art
    3. Keine abdrängende Sonderzuweisung
  2. Statthafte Klageart: Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO
  3. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO
  4. Vorverfahren (oder Widerspruchsverfahren), §§ 68 ff. VwGO
  5. Frist, § 74 Abs. 1 VwGO
  6. Beteiligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61 ff. VwGO
  7. Form, §§ 81 ff. VwGO

B. Klagehäufung und Beiladung (ggfs. Erläutern)

  1. Klagehäufung gem. § 44 VwGO
  2. Beiladung gem. § 65 VwGO

C. Begründetheit

  1. Rechtswidrgikeit des Verwaltungsaktes
    1. Ermächtigungsgrundlage
    2. Formelle Rechtmäßigkeit
      1. Zuständig
      2. Verfahren
      3. Form
      4. Heilung von Verfahrens- und Formfehlern
    3. Materielle Rechtmäßigkeit
      1. Tatbestand
      2. Rechtsfolge
      3. Ermessen
A. Sachentscheidungsvoraussetzungen bzw. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO

Für die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges haben wir einen separaten Beitrag geschrieben.

II. Statthafte Klageart: Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klagestellers. Zur Auslegung des Begehren: §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO. Bei der Anfechtungsklage geht es um die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, d.h. der Kläger wendet sich an das Gericht gegen einen bestehenden Verwaltungsaktes.1 Dieser darf also noch nicht erledigt sein.

III. Klagebefugnis, § 42 Abs. 2 VwGO

Der Kläger muss fundiert darlegen, dass er durch den Verwaltungsakt in eigenen subjektiven Rechten möglicherweise verletzt ist.

  1. Möglichkeitstheorie: Nach der Möglichkeitstheorie ist darzulegen, dass eine Verletzung der subjektiven Rechte des Klägers möglich ist.2
  2. Adressatentheorie: Nach der Adressatentheorie besteht bei einem Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes immer die Möglichkeit einer Verletzung von subjektiven Rechten, insbesondere der der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG.3

Von der Adressatentheorie gibt es ein paar Ausnahmen:

  1. Dritter ist Drittbezogener, d.h. nicht Adressat des Verwaltungsaktes
  2. Bei Verpflichtungsbegehren (siehe unseren Beitrag für die Verpflichtungsklage)

Als Drittbezogener ist der Kläger nicht Empfänger bzw. Adressat des Verwaltungsaktes sondern wird vielmehr durch die Wirkung des Verwaltungsakt betroffen. Dies ist der Fall bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung, indem der Verwaltungsakt für den Adressaten begünstigend wirkt, jedoch belastend für seinen Nachbarn.

A erhält von der zuständigen Baubehörde eine Baugenehmigung für sein Bauvorhaben. B ist damit nicht einverstanden und fühlt sich dadurch in seinen Rechten verletzt.

In dieser Konstellation ist ausschließlich der Empfänger des Verwaltungsaktes, also der A, Adressat. Es findet statt der Adressatentheorie die Schutznormtheorie statt. Nach der Schutznormtheorie ist eine Rechtsvorschrift drittschützend, sofern sie auch dazu bestimmt ist, dem Schutz von Individualinteressen zu dienen.4 Um herauszufinden, ob die konkrete Norm drittschützend ist, stellt man sich folgende Fragen:

  1. Handelt es sich bei der Norm um eine, die die Verwaltung zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet?
  2. Dient diese Rechtspflicht auch im Interesse des Bürgers?5

Im Baurecht hat sich eine „kaum noch zu überblickende“6 bzw. „verwirrende“7 Kasuistik entwickelt. Hierbei hat der Nachbar ein subjektives öffentliche Recht, also wenn die Norm Drittschutz entfaltet, wenn die Norm den Kreis der Berechtigten zu erkennen lässt.8

Bei Verpflichtungsbegehren kann der Kläger gar kein Adressat sein, vielmehr begehrt der Kläger Adressat eines Verwaltungsaktes zu werden.9 Aus einer Ablehnung eines Begehren resultiert nicht gleich ein Anspruch, weshalb die Anwendung der Adressatentheorie bei der Verpflichtungsklage verfehlt ist.

Handelt der Sachverhalt um eine kommunale Streitigkeit zwischen zwei staatlichen Hoheitsträgern, muss das einschlägige Grundrecht zitiert werden und nicht Art. 2 Abs. 1 GG. Bei einer kommunalen Weisung ist die einschlägige Norm Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.10

IV. Vorverfahren (oder Widerspruchsverfahren), § 68 ff. VwGO

Grundsatz: Vor Erhebung der Verpflichtungsklage muss ein Vorverfahren gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolglos durchgeführt worden sein.

In Nordrhein-Westfalen ist ein Vorverfahren gem. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 1 JustG NRW entbehrlich. Ausnahmeregeln für diese Ausnahme stehen in § 110 Abs. 2 und 3 JustG NRW.11 

V. Frist, § 74 Abs. 1 VwGO

Der Fristbeginn richtet sich gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB(Ereignisfrist). Die Paragraphenkette bei dem Fristende bleibt gleich, bis auf die letzte Norm. Demnach richtet sich das Fristende nach  § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 188 BGB.

Problem1: Die Frist endet an einem Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Samstag (Sonnabend). Zur Lösung dieses Problemchen wird das Fristende auf den nächsten Werktag gesetzt. Dazu gibt es verschiedende Lösungsansätze:

  1. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO oder
  2. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 193 BGB

Beachte: für den Fristbeginn ist es unerheblich, ob dieser an einem Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Samstag anfängt!

Problem2: Fehlerhafte Rechtsbehelsbelehrung. Eine fehlerhafte Rechtsbehelsbelehrung führt nicht direkt zur Rechtswidrigkeit, sondern die Frist zur Einlegung von einem Rechtsmittel wandelt sich zu einer Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 VwGO um.12

VI. Beteilligten- und Prozessfähigkeit, §§ 61 ff. VwGO
  • Für den Kläger als natürliche Person: § 63 Nr. 1 VwGO
  • Für den Beklagten als juristische Person: § 63 Nr. 2 VwGO

Beteiligtenfähigkeit

  • Für den Kläger: § 61 Nr. 1, 1. Alt. VwGO
  • Für den Beklagten: § 61 Nr. 1, 2. Alt. VwGO

Zuerst muss festgestellt werden, dass der Kläger gem. § 78 VwGO den richtigen Klagegegner ausgewählt hat. In Nordrhein-Westfalen gilt das Rechtsträgerprinzip (vs. Behördenprinzip) gem. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.

Prozessfähigkeit

  • Für den Kläger: § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
  • Für den Beklagten: § 62 Abs. 3 VwGO i.V.m. z.B. § 42e KrO NRW (Kreis) oder gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 GO NRW (Bürgermeister)13
B. Klagehäufung und Beiladung (ggfs. Erläutern)
  1. Klagehäufung gem. § 44 VwGO
    1. Verfolgung mehrer Klagebegehren zulässig, wenn
    2. diese sich gegen denselben Beklagten richten,
    3. im Zusammenhang stehen und
    4. dasselbe Gericht zuständig ist.
  2. Beiladung gem. § 65 VwGO
    1. Gem. § 63 Nr. 3 VwGO ist der Beigeladene Beteiligter am Verfahren. D.h. es muss für den Beigeladenen die Beteiligungs- und Prozessfähigkeit (s. o.) nach den §§ 61 f. VwGO geprüft werden.
C. Begründetheit

Obersatz: Die Klage ist begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, gem. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

C.I.1. Ermächtigungsgrundlage

Hier ist zunächst festzustellen, worauf, also auf welche Norm sich die Behörde für ihr handeln stützt. Das eine Behörde eine Norm braucht, auf der sie ihr Tätigwerden stützt ergibt sich aus dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes (kein Handeln ohne Gesetz) aus Art. 20 Abs. 3 GG.14

C.I.2.b. Verfahren

Hier exemplarisch aufgelistet sind die Verfahrensgrundsätze gem. §§ 9 ff. VwVfG.

  1. Anhörung, § 28 Abs. 1 VwVfG
  2. Untersuchungsgrundsatz, § 24 Abs. 1 VwVfG
  3. Beteiligung Betroffener, § 13 VwVfG
C.I.2.c. Form

Die Normen für die Form richtet sich nach § 37 VwVfG. Für die Begründung nach § 39 VwVfG.

C.I.2.d. Heilung von Form- und Verfahrensfehlern

Beachtliche Normen für die Heilung von Form-und Verfahrensfehlern sind die §§ 45, 46 VwVfG.

C.I.3.a. Tatbestand

Hier werden alle Tatbestandsmerkmale der Ermächtigungsgrundlage erläutert, definiert und darunter subsumiert.

C.I.3.b. Rechtsfolge

Die Rechtsfolgen müssten fehlerfrei entschieden worden sein. Vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Insofern ist zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen zu differenzieren.

C.I.3.c. Ermessen

In kürze folgt ein separater Beitrag über das Ermessen der Behörde. Wir empfehlen daher in Kürze wieder hier vorbeizuschauen.


1 – Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht: mit Verwaltungsprozessrecht, 12. Auflage 2014, § 31, 1350.
2 – Peine, Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 6. Auflage 2016, Rn. 134.
3 – Peine, (Fn. 2), Rn. 136.
4 – NJW 1984, 38; Detterbeck, (Fn. 1), Rn. 9, 399.
5 – Detterbeck, (Fn. 1), § 9, Rn. 399; Peine, (Fn. 2), Rn. 144.
6 – Detterbeck, (Fn. 1), § 9, Rn. 401.
7 – Peine, (Fn. 2),  Rn. 147.
8 – Supra.
9 – Peine, (Fn. 2), Rn. 22.
10 – Peine, (Fn. 2), Rn. 138.
11 – In deinem Bundesland gibt es auch Ausnahmeregeln? Teile Sie uns in den Kommentaren mit, wir fügen sie dann in den Beitrag hinzu.
12 – Detterbeck, (Fn. 1), § 31, 1386.
13 – Bei dir gelten andere Landesvorschriften? Teile sie uns in den Kommentaren doch mit, wir fügen sie dann hier in den Beitrag mit ein.
14 – Peine, (Fn. 2), Rn. 172; Vgl. Vorrang des Gesetztes (kein Handeln gegen das Gesetz).


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