Schattenboxen

SchattenboxenSavages
Gebäude 9, Köln, 16.05.2013
Support: Johnny Hostile
Während die Savages in ihrer Heimat nicht mehr nur als Geheimtipp geführt werden, sondern (natürlich) als the next big thing, füllen sie bei ihrem ersten Deutschlandgig für die Debütplatte „Silence Yourself“ einen Laden wie das Kölner Gebäude 9 gerade mal zu zwei Dritteln – es ist, wie es desöfteren ist: Der Hype als Import hat Startschwierigkeiten. Dabei haben die vier Mädchen aus London auch hierzulande schon einige Anerkennung erfahren dürfen – viel Lob für ihr erstes Album (vier von fünf Punkten beim Rolling Stone, neun von zehn gar bei SPON) und nun noch die Coverstory in der SPEX. Warum sich die Resonanz dennoch so zurückhaltend ausnimmt, klärt der Ortstermin: Die Faszination dieser Band beruht nicht unbedingt auf der Eingängigkeit, der Melodik ihrer Songs – diese verbleiben meist sperrig und verstörend beim Zuhörer, sondern vielmehr auf der Körperlichkeit, der Unmittelbarkeit ihrer Bühnenpräsenz.
Kurz – man muß sie sehen um zu wissen, wie gut sie wirklich sind. Eine sparsame Plattenlänge im gelblich-blauen Gegenlicht also, angry young women in action. Am wenigsten auffällig, weil zurückhaltend und scheinbar in sich versunken agierend: Gitarristin Gemma Thompson. Der Gegensatz: Jehnny Beth, das Wutbündel am Mikrophon, auf der Bühne am ehesten an Hilary Swank in „Million Dollar Baby“ erinnernd – düster dreinblickende, energiegeladene Schattenboxerin, tänzelnd, abwartend, um im richtigen Augenblick zu explodieren. Ayse Hassan spielt ihren Bass tatsächlich, wie oft zu lesen war, über das komplette Set mit geschlossenen Augen und einem leichten Lächeln auf den Lippen. Im Hintergrund und dem Publikum trotzdem sehr nahe: Fay Milton, Schlagzeugerin, die mit Hingabe und beseeltem Grinsen ihre Arbeitsgeräte vertrimmt, man schaut ihnen allen einfach gern bei der Arbeit zu.
Der Sound: trocken, laut, voll, agressiv – „Shut Up“, „City’s Full“, „No Face“ – die Platte kommt ungeschliffen, noch eine Spur roher zur Aufführung. Am druckvollsten hier, was auch auf der Vorlage heraussticht – das bittere Mantra, zum zornigen Geschrei gesteigert bei „She Will“, der knüppelharte Beat von „Hit Me“ und das rastlose Keuchen in „Husbands“. Den Schlußpunkt setzt „Fuckers“ – eine Art Manifest der vier: „Don’t let the fuckers get you down“, als letzter Aufschrei kulminiert das Stück in minutenlagem Trommelfeuer und infernalischem Getöse, es ist vollbracht. Dass sie ohne Zugabe von der Bühne gehen, ist schade, aber nicht wirklich ärgerlich, wer sich derart verausgabt, hat Nachsicht verdient. Bald werden sie in Berlin für Portishead eröffnen, einer Band also, die die gleiche Wucht mit gänzlich anderen Mitteln zu entfachen versteht – ein armer Narr, wer das vor Ort liegen läßt.

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