Befrieden von Störungen
In der Magie kennt man weiße, gelbe, rote und schwarze Praktiken. Die weiße Magie befriedet Wesenheiten und reinigt von negativen, krankmachenden Einflüssen. Gebet mit Friedens- und Segenswünschen fallen in die befriedende Kategorie, wie Heilungsrituale und Rituale der Rückholung der Vitalkraft. Schamanen praktizieren hier Shantikakarma (Befriedungstaten). Z.B. die Befriedung der Planetenkräfte als Ritual des Graha Sarne wäre hier zu nennen. Speziell Gaura Parvati – die weiße Urmutter – wird von den nepalesischen Schamanen dabei verehrt. In der tibetischen Tradition sind dafür Langlebensrituale z.B. Pujas an die Weiße Tara, an Tashi Tseringma, an Ushnishavijaya oder an Namgyalma bekannt. In all diesen Ritualen wird vorwiegend um Verständnis und Mitgefühl gebetet.
Rituale für Wachstum und Vermehrung
Anziehende Praktiken
Die rote Magie ist als landläufig als Liebeszauber (nep., Mohani = Verzauberung) bekannt. Neben banaler Erotik und beziehungsfördernden Beschwörungen geht es vielmehr darum, attraktiv zu machen, einzuladen und vor allem störende Wesen anzuziehen und zu binden. Der Akt der Unterwerfung spielt hier eine große Rolle. Als „Liebeszauber“ dient diese Aktivität dem Entwickeln von Hingabe an die Schöpfung und der Entfaltung der Liebe. In der tibetischen Tradition wird Kurukulle dafür angerufen. Mittels der roten Kraft werden Amuletts angefertigt, Divinationen ausgeführt, Libido- und Potenzstörungen geheilt etc.
Auflösende & befreiende Rituale
Wesen, Übergänge und Seelenreise
Bei den magischen Praktiken wurden leider oft Absicht und Handlung miteinander vertauscht. Die Grundlage in der asiatischen Tradition – Schamanen (Jhankri), Bön & Buddhadharma – bildet das Streben zum Wohle aller Lebewesen. Während Schamanen ihre Fähigkeiten in Bezug auf die Gestaltung der Schöpfung und der Balance der Wesenskräfte einsetzen, nutzen Dzogchen-Bönpos und Yogis diese magischen Praktiken als Grundlage für die Befreiung aus dem Daseinskreislauf.
Der Umgang mit Wesenheiten z.B. im tibetischen Chöd-Ritual ist eine Integration schamanischer Praxisanteile in den Kontext des neuen Bön wie auch des tibetischen Buddhismus. Diese Nutzung der schamanischen Praktiken im Rahmen eines spirituellen Weges führt zu einer raschen Transformation des Wesens. Wenn in einer archaischen Sicht von Wesen gesprochen wird, dann findet man in spirituellen Traditionen diese als Wesensaspekte eines Menschen wieder. Diese Wesensaspekte wollen durch verschiedene Übergangssituationen und Zwischenzustände erkannt und geführt werden.
Das fundamentale schamanische Einweihungserlebnis – die Knochenschau – beschreibt die Auflösung der im Körper gefangenen Geistaspekte. Dies wird z.B. im Chöd-Ritual durch die Opferung des eigenen Körpers visionär vorweggenommen. Diesen Aspekt findet man auch im Christentum – „dies ist mein Fleisch; nehmet und esset davon“. Erst durch das Ablösen der Ich-haften Fixierung von der Erscheinungswelt ermöglicht echtes Wachstum. Dieses Wachstum ist dann die Reise von der groben, fragmenthaften Wahrnehmung zur psychisch-energetischen Ganzheit des Wesens.
Vom 4. – 8. Jan. 2012 findet im Ngakpa-Zentrum Lhundrub Chodzong (A-8591 Maria Lankowitz) ein Vajrakila-Retreat statt. >read more