Schalansky: Der Hals der Giraffe

Schalansky, Judith: Der Hals der Giraffe. Bildungsroman, Suhrkamp, Berlin 2012, 222 S. 
Ein Gymnasium in einer Kleinstadt im vorpommerschen Hinterland steht vor dem Aus. In vier Jahren soll die Schule aufgrund stetig fallender Schülerzahlen geschlossen werden. Hier und da werden die Schulräume bereits von Volkshochschulkursen belegt.
Dies ist die Szenerie, in der uns die 55jährige Biologie- und Sportlehrerin Inge Lohmark ihre Sicht auf die Welt darstellt. Und diese folgt den Naturgesetzen: keine Schwäche zeigen, Dominanz verkörpern. Im Schulalltag heißt dies: unangekündigte Lernkontrollen, Frontalunterricht, kein persönlicher Kontakt zu Schülern in den Pausen oder nach Schulende. Dafür ist sie bekannt und gefürchtet. Entsprechend spöttisch blickt sie auf die „neumodischen“ Verhaltensweisen einiger ihrer Kollegen (vor allem auf Kollegin Schwanecke), die sich beispielsweise von den Schülern der oberen Klassenstufen duzen lassen.
Der Roman, der sich selbst zynisch im Untertitel als „Bildungsroman“ bezeichnet, hat kaum eine nacherzählbare Handlung. Vielmehr nimmt der Leser an den Beobachtungen der alternden Inge Lohmark teil. Diese Alltagsbeobachtungen werden an einigen Stellen von Erinnerungen an ihr früheres Leben in der DDR und an ihre inzwischen in den USA lebende Tochter Claudia unterbrochen. Für jeden Aspekt ihres Alltags hat sie die passende biologische Theorie parat. Die Evolutionstheorie bildet dabei den hauptsächlichen Hintergrund. Wie entstand der Mensch? Wohin entwickelt er sich?
Schalansky: Der Hals der GiraffeBei der Aneinanderreihung so vieler kleinster Beobachtungen, auf die einzeln einzugehen wäre, sollen nur noch zwei Punkte angesprochen werden, die mir bei diesem Buch besonders erwähnenswert erscheinen.
Speziell in den Rückblenden auf ihr vergangenes Leben wird deutlich, dass die Abwicklung von Betrieben nach dem Untergang der DDR ein wichtiges Thema in dem Buch darstellt. So züchtet Lohmarks Mann jetzt Sträuße, nachdem er seinen in der DDR ausgeübten Beruf verloren hat. Der gesamte Zerfall der vorpommerschen Kleinstadt kann exemplarisch für ein nach der Wende zu beobachtendes Phänomen stehen.
Ich habe das Buch als Ebook gelesen und muss mir fast eingestehen, dass ich dadurch einiges verpasst habe. Zumindest auf meinem Ebookreader werden die Kolumnentitel nicht angezeigt, die meiner Meinung nach aber ein weiterer Bestandteil des zynisch-sarkastischen Konzepts des Buches ausmachen. Für die Kolumnentitel der gedruckten Version wurden nämlich Begriffe aus der Biologie gewählt, die die Vergleiche zwischen Lohmarks Beobachtungen mit biologischen Phänomenen weiter betonen. Sie sprechen für die im Allgemeinen sehr durchdachte Konzeption des Buches, die sich eben nicht nur in der sehr ausgewählten Sprache und dem geschickten Einbinden biologischer Fachtermini zeigt, sondern auch im Einfügen von Zeichnungen von Tieren oder Ansichtstafeln über evolutionäre Vorgänge. Einen kleinen Einblick bietet die recht ausführliche Präsentation des Buches und der Autorin auf der Verlagsseite.
Es fällt mir schwer zu sagen, ob ich das Buch mag oder nicht. Mir gefällt der zynisch-sarkastische Ton. Inge Lohmark kann wohl kaum als grundsympathischer Charakter bezeichnet werden – einigen ihrer Bemerkungen habe ich allerdings zugestimmt, auch wenn sie vielleicht nicht alle in der heutigen Gesellschaft als „politisch-korrekt“ angesehen werden. Alles in allem ein Buch, das zum Nachdenken anregt und unter vielen sehr unterschiedlichen Aspekten interpretiert werden kann.

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