Wer waren die Sachsen? Gab es sie überhaupt? Wo gibt es sie heute? Solchen Fragen widmet sich eine Ausstellung im Landesmuseum Hannover, die später auch im Landesmuseum Braunschweig gezeigt werden soll (Hannover bis 18.8. 2019, Braunschweig bis 2.2. 2020). Um Antworten zu finden, werden zahlreiche archäologische Schätze aus dem ersten Jahrtausend n. Chr. ausgebreitet - es gibt kaum eine interessantere Ausstellung zur Zeit. Etwas für's Sommerloch!
Klinge eines Hiebschwertes (Sax) aus einem Männergrab, Eisen, Dörverden, Ldkr. Verden, 8. Jh. © Landesmuseum Hannover
Dieser "Langsax" aus Eisen aus einem Grab in Dörverden, Landkreis Verden an der Aller, vom 8./9. Jahrhundert ist eines der schlichtesten Ausstellungsstücke in Hannover; sonst sind die Grabbeigaben prunkvoll, oft aus Gold, um die Bedeutung der oder des Verstorbenen hervorzuheben.
Ein "Sax" ist ein einschneidiges kurzes Schwert (später auch ein längeres), das die Germanen an Stelle der zweischneidigen, langen Spatha benutzten.
Ob die Sachsen danach benannt sind? Sie wären dann die "Sax-Benutzer", die "Messermenschen". Wir wissen es nicht. Der Mönch Widukind von Corvey (geb. um 925 oder 933/35, gest. nach 973) erweckt den Eindruck in seinem "Tatenbericht der Sachsen" - Hauptquelle unseres Schulwissens über "die Sachsen". Aber sicher ist er nicht.
Sicher ist, dass der Mythos der Varusschlacht nicht stimmt. Klar, der Cherusker Arminius hat 9 n. Chr. die Römer geschlagen - aber ein Sieg der (Nieder-)Sachsen war das nicht. Die gab es damals nicht. In den ersten Berichten der Römer über den Raum zwischen Rhein und Ostsee ist von verschiedenen Stämmen der Germanen die Rede - "Saxones" sind nicht dabei. Trotzdem heißt es im "Niedersachsenlied", das 1926 entstand und bald auch politisch missbraucht wurde: "Das war'n die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen, / Heil Herzog Widukind Stamm." Mythos!
Funde aus dem »Fürstengrab II« von Marwedel, Marwedel, Ldkr. Lüchow-Dannenberg, 2. Jh. © Landesmuseum Hannover
Die Ausstellung beleuchtet in neun Schritten das erste Jahrtausend n. Chr. Auf einer Landkarte am Anfang wird ein Überblick über den Raum zwischen Rhein und Elbe oder Ostsee gegeben. Neun (rekonstruierte) Gestalten werden in kleinen Bildern zeitlich und räumlich (den Fundorten) zugeordnet. Auf den weiteren Karten ist der Verlauf des „Hellweges“ in mehreren Strängen wiedergegeben, ein bedeutender Handelsweg, zugleich Heeresweg, in West-Ost-Richtung vom Rhein bis an die Elbe bei Magdeburg. Jeder der neun (Zeit-)Abschnitte wird durch ein großes Gemälde des renommierten archäologischen Illustrators Kelvin Wilson aus den Niederlanden geprägt. „Seine ausdrucksstarken Illustrationen begegnen ihrem Gegenstand mit Respekt: Im Blickkontakt mit den von ihm … rekonstruierten historischen Individuen erlischt die zeitliche Distanz zwischen ihnen und dem Betrachter – imaginierte Vergangenheit wird für einen Moment einprägsam erlebteGegenwart“, heißt es in einer Information des Museums.
Das Bild von den Funden aus Marwedel (2. von oben) veranschaulicht eines deutlich: In der gesellschaftlichen Oberschicht gab es einen regen Kulturaustausch zwischen Römern und Germanen. Dem hochgestellten Toten sollte auch im Jenseits das kostbare römische silberne Trinkgeschirr zur Verfügung stehen, zugleich aber auch die Schmuckstücke aus heimischer Herstellung (vorne).
Kelvin Wilson, Widukind, Illustration © Kelvin Wilson, Ridderkerk (NL)
Und so mag die üppig ausgestattete Schreibstube Widukinds von Corvey ausgesehen habe - wie Kelvin Wilson es sich vorstellt ...
Mehr zu dieser Ausstellung finden Sie in der Zeitschrift "Die Drei" und auf der Netzseite des Museums.
Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; Bilder wie angegeben.