“Saving Mr. Banks” von John Lee Hancock

Erstellt am 26. März 2014 von Denis Sasse @filmtogo

Emma Thompson als Mary Poppins Autorin P. L. Travers in “Saving Mr. Banks”

Würde Walt Disney – der Mann, nicht der Konzern – sehen, was aus seiner 1923 gegründeten Walt Disney Company geworden ist, mit all ihren Unterfirmen von den Pixar Animation Studios, über die Marvel Studios bis hin zu Lucasfilm, aber auch mit inzwischen 53 Titeln in der mit Schneewittchen und die sieben Zwerge gestarteten Reihe von abendfüllenden Animationsfilmen fürs Kino, zahlreichen Fernsehsendern und Radiostationen, Walt Disney würde vermutlich urteilen: „und es ward gut.“ Eigentlich ist es ganz und gar merkwürdig, dass dieser Mann bisher selten selbst in Film und Fernsehen dargestellt wurde, kein Schauspieler schien sich bisher dieses Namens so deutlich annehmen zu wollen – oder können – wie es Tom Hanks nun in Saving Mr. Banks getan hat.

Ja, es gab Walt Disney schon als Figur in Film und Fernsehen, aber eher in bedeutungslosen Verkörperungen: zuletzt war es Jared Rosenfeld, der für das TV Special Roseanne goes to Disney World den Schatten des Micky Maus Erfinders spielen durfte, davor bleibt allenfalls Christopher Purves zu nennen, der Walt Disney in dem Fernsehfilm The Perfect American spielt. Man nehme noch mehr solcherlei Titel wie Started by a Mouse, Inside Walt’s Story Meetings oder The Hand behind the Mouse und es wird klar, dass es immer den Versuch gab, Enthüllungsgeschichten zu erzählen, die Walt Disney als Mythos erklären wollten. Ein Mythos ist sicherlich auch die Geschichte, die nun Regisseur John Lee Hancock (Blind Side – Die große Chance) erzählt, in der es aber keinesfalls um Walt Disney geht, sondern viel mehr um Pamela Lyndon Travers. Die britisch-australische Schriftstellerin brachte 1934 ihren Roman Mary Poppins heraus, ein voller Erfolg, der mehrere literarische Fortsetzungen nach sich zog, die letzte 1989 veröffentlicht, bevor Travers im April 1996 im Alter von 97 Jahren verstarb.

Tom Hanks als Walt Disney

Ein literarischer Hit von 1934, der allerdings erst 1964 das Licht der Kinoleinwände erblickt. Die Dauer der filmischen Umsetzung wäre sicherlich schneller von statten gegangen, hätte Walt Disney alleine das sagen gehabt. Ihm stellte sich allerdings eine höchst widerspenstige, dem Disney Imperium abgeneigte Autorin und natürlich Mary Poppins Rechteinhaberin entgegen. Travers, gespielt von Emma Thompson, möchte ihr zauberhaftes Kindermädchen nicht in die Hände eines Mannes geben, der ihre Geschichte mit animierten Figuren und musikalischen Kinkerlitzchen aufbauschen wird. Aber Anfang der 60er Jahre lässt sich die Autorin dennoch darauf ein, nach Los Angeles zu fliegen und sich die Ideen Walt Disneys anzuhören. Er setzt jedoch auf die falschen Mittel. Die heiteren Lieder der Sherman Brüder (Jason Schwartzman und B. J. Novak), die später noch die Musiken zu Disneyfilmen wie Das Dschungelbuch, Aristocats und Die tollkühne Hexe in ihrem fliegenden Bett beisteuerten, zeigen bei Travers keinerlei Wirkung. Das mag daran liegen, dass Mary Poppins offenbar eine sehr persönliche Angelegenheit ist, für die sich P. L. Travers erst mit ihrer eigenen Vergangenheit auseinander setzen muss, um sich dem Frohsinn der Disneywelt hingeben zu können.

Mit zynischer Spitzzüngigkeit macht es wirklich Spaß Emma Thompson hier zuzusehen, wie sie dem Megalomanen Walt Disney die Stirn bietet, fast schon wie eine klassische Screwball-Komödie kämpfen und zanken sich die Autorin und der Filmemacher, immer wenn Regisseur Hancock ihnen die Gelegenheit dazu gibt. Obgleich sie am Ende klein beigeben wird, zeigt sich auch genügend Kritik am Disney-Konzern, obwohl der Film selbst eben von diesem Studio produziert wurde. Natürlich lässt man sich nicht auf eine zu arg negative Darstellung ein, aber auch bei Herrn Disney scheint nicht alles Sonnenschein zu sein. In einem kleinen Moment wird Walt mit einer heimlichen Zigaretten erwischt (er starb wenige Monate nach der Mary Poppins Premiere an Lungenkrebs), in einem anderen Moment sinniert er kurz über seinen Vater (zu dem er selbst keine gute Beziehung pflegte). Tom Hanks spielt seinen Walt Disney mit größtmöglicher Einfühlsamkeit, übergeht solche schwachen Momente, wie sie auch von Disney selbst vertuscht worden wären, harmoniert mit einer animierten Tinkerbell und ist eben genau diese Größe von Mann, die Walt Disney im wahren Leben auch war. Mr. Disney genannt zu werden ist im unangenehm (im Gegensatz zu Travers, die auf ihr Mrs. besteht), er ist zumindest im Inneren Kind geblieben, damit dürfte sich Tom Hanks gut zu identifizieren wissen, auch wenn es ihn 1988 in Big nur rein äußerlich so ging.

B. J. Novak (links) und Jason Schwartzman (rechts) als Sherman-Brüder

Aber dieser Walt Disney, dieser Tom Hanks ist letztendlich nur eine Nebenrolle, ebenso wie Colin Farrells Vaterfigur, die in Rückblenden dafür sorgt, dass Miss Travers Verhalten eine Berechtigung erhält und zugleich die persönliche Bindung zu ihrer Mary Poppins Geschichte aufgebaut wird. Und schlussendlich sind es genau diese Erfahrungen mit dem eigenen Vater, durch die sie eine Verbindung mit Walt Disney erhält, wodurch dann das vermeintlich bekannte Ende – der Film Mary Poppins – herbeigeführt werden kann. Dass ausgerechnet ein Song der Sherman Brüder für den emotionalen Bruch von Travers sorgt, ist sicherlich eine Disneysche Spitzfindigkeit, die aber dramaturgisch gesehen hervorragend funktioniert.

Es ist schön wie viel Zeit sich Saving Mr. Banks nimmt um die sture Dame zu brechen. Wenn sie denn nämlich bricht und Frau Thompson auf einmal fröhlich strahlend tänzelt und singt, dann ist die Magie zu spüren, die zumindest in den 60er Jahren noch von Disneyfilmen ausging. Was hier aufeinandertrifft ist eine Frau, die als Mädchen zu schnell erwachsen werden musste und ein Mann, der sich bis zu seinem Lebensende davor gesträubt hat, wirklich erwachsen zu werden. Man mag dem Film vorwerfen etwas „cheesy“ zu sein, aber man fühlt sich von Emma Thompson mitgenommen auf diese Reise durch die Disneywelt, möchte noch einmal Mary Poppins zum ersten Mal sehen.


”Saving Mr. Banks”

Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: USA / GB / AUS, 2013
Länge: ca. 125 Minuten
Regie: John Lee Hancock
Darsteller: Emma Thompson, Tom Hanks, Annie Rose Buckley, Colin Farrell, Ruth Wilson, Paul Giamatti, Bradley Whitford, B. J. Novak, Jason Schwartzman, Kathy Baker

Kinostart: 6. März 2014
Im Netz: disney.com/saving-mr-banks

Bilder © Walt Disney Studios Motion Pictures Germany GmbH