Am vergangenen Wochenende habe ich bei Facebook schon mal den frisch selbst gezogenen Roggensauerteig vorgestellt. Seitdem hat er sich prächtig entwickelt und schon mehrere tolle Brote hervorgebracht. Eine kurze Anleitung für diesen Sauerteigansatz findet ihr am Ende dieses Posts. Nach mehreren Versuchen mit einem Rezept aus Jeffrey Hamelmans „ Bread - A Baker's Book Of Techniques And Recipes " habe ich nun mein neues Standardrezept für ein Alle-Tage-Roggen-Mischbrot gefunden. Herrlich kräftig dank 66% Roggenanteil, leicht säuerlich und sehr aromatisch, knusprige und dunkle Kruste, wunderbar feuchte Krume, die zudem sehr gleichmäßige Poren aufweist. Und das Beste ist: Es hält sich einige Tage frisch. Ein nahezu perfektes Alltagsbrot also, zumal nur wenige Zutaten Verwendung finden und die Zubereitung zeitlich überschaubar und recht einfach ist - sofern man über folgende Voraussetzungen verfügt:
- einen selbst gezogenen Roggen-Sauerteig (siehe unten),
- eine kräftige Küchenmaschine mit Knethaken (bei mir die KitchenAid Artisan),
- einen Pizza-/Brotbackstein (alternativ ein umgedreht eingeschobenes Backblech, aber die kleine Investition lohnt sich auf jeden Fall!),
- einen Ofen mit Dampffunktion (alternativ eine feuerfeste Form mit heißem Wasser auf den Boden stellen und dazu kräftig mit einem Wassersprüher befeuchten).
Genau genommen ist außer dem Sauerteigansatz alles weitere entbehrlich, aber der Aufwand steigt beim Handkneten und die Ergebnisse werden ohne Stein und Dampf nicht so überzeugend ausfallen.
Das folgende Rezept ergibt zwei Brote von je knapp 1,5 Pfund. Derzeit teste ich noch, wie es am besten gelingt, das zweite Brot ohne weitere Arbeit erst ein oder zwei Tage nach dem ersten zu backen. Eine Teilhälfte ruht gerade im Kühlschrank. Dazu später mehr. Wundert euch nicht über die krummen Mengenangaben. Diese entstehen zum Einen durch Umrechnung der amerikanischen Mengenangaben in Jeffrey Hamelmans Buch und zum Anderen durch das Herunterrechnen auf zwei Brotlaibe in der von mir gewünschten Größe. Zudem habe ich die Gehzeiten und -temperaturen so angepasst, dass eine bequeme Vorbereitung über Nacht möglich ist, so lässt sich das Brot zum Beispiel prima von Samstag auf Sonntag vorbereiten. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist der Teig flexibel genug, um auch mit leicht veränderten Gehzeiten klarzukommen, ohne dass sich die Backergebnisse verschlechtern.
Zutaten für den Sauerteig (Schritt 1):
- 363 g Roggenmehl Typ 1150
- 289 g Wasser (Raumtemperatur)
- 17 g Roggensauerteigansatz
Zutaten für den eigentlichen Teig (Schritt 2):
- 235 g Roggenmehl Typ 1150
- 309 g Weizenmehl Typ 1050
- 391 g Wasser (Raumtemperatur)
- 18 g feines Meersalz
- 9 g Frischhefe (Raumtemperatur)
- den gesamten Sauerteig aus Schritt 1
Vorbereitung (Tag 1):
1Am Tag vor dem eigentlichen Backtag wird zunächst der Sauerteig vorbereitet. Voraussetzung ist ein Sauerteigansatz, der zum Beispiel im Kühlschrank auf seine Verwendung wartet. Am Morgen (ca. 8 Uhr, je eher desto besser) Sauerteigansatz aus dem Kühlschrank holen und auffrischen. Dazu eine kleine Menge abwiegen und mit identischen Mengen von Roggenmehl und Wasser verrühren. In ein ausreichend großes Glas geben, mit Frischhaltefolie abdecken und bei ca. 20 bis 21 Grad tagsüber stehen lassen. Der Ansatz sollte in dieser Zeit deutliche Aktivität entwickeln, d. h. Blasen bilden und im Glas seine Menge durchaus verdoppeln. Am Abend (frühestens ca. 18 Uhr) die benötigte Menge für den Sauerteig abwiegen, der Rest kann zurück in den Kühlschrank und dort auf die nächste Verwendung warten.
2Sauerteigansatz (Starter) mit den weiteren Zutaten für Schritt 1 gut verkneten, das ergibt eine Mischung von fester Konsistenz. In einer Schüssel mit Frischhaltefolie abdecken und bei ca. 21 Grad den Abend über reifen lassen (idealerweise bis ca. 22 Uhr, also vier Stunden). Dann wandert die Schüssel in den Kühlschrank, um dort über Nacht langsam weiter zu reifen.
Gehen und Backen (Tag 2):
1Am nächsten Tag die Schüssel so früh wie möglich aus dem Kühlschrank holen und bei ca. 12 Grad weitere 6 bis 8 Stunden gehen lassen (zum Beispiel von 8 bis 14 Uhr). Der Sauerteig wird sich in dieser Zeit kaum verändern, sollte aber Anzeichen von Aktivität aufweisen (sich zum Beispiel leicht aufwölben) und dabei angenehm säuerlich riechen.
2Den gereiften Sauerteig mit den restlichen Zutaten (genau abwiegen!) in der Küchenmaschine mit Knethaken verkneten: 3 Minuten und Stufe 1 und anschließend 2 Minuten auf Stufe 2. Wenn möglich Teigtemperatur mit einem digitalen Speisenthermometer überprüfen: optimal sind 26 bis 27 Grad, ggf. noch 1 Minute weiter kneten. Dann mit Folie abgedeckt 45 Minuten stehen lassen.
3Teig mit Teigkarte am Stück auf eine großzügig bemehlte Arbeitsfläche geben. Vorsichtig mit bemehlten Händen zu einer dicken Rolle formen. Dabei darauf achten, dass kein weiteres Mehl in den Teig eingearbeitet wird. Mit etwas Mehl bestäubt lässt sich der weiche Teig aber sehr gut verarbeiten. Teigportion in der Mitte teilen. Beide Hälften in bemehlte Gärkörbchen passender Größe setzen. Wenn nur ein Körbchen vorhanden ist, oder das zweite Brot später gebacken werden soll, diese Teigportion zurück in die Schüssel geben und gut mit Folie verschließen. Im Kühlschrank wartet sie dann auf die weitere Verwendung. Gärkörbchen mit Folie locker abdecken und ein Geschirrtuch darüber geben, im Ofen bei 30 Grad 60 Minuten gehen lassen.
4Körbchen aus dem Ofen holen und außerhalb bei Raumtemperatur weiter gehen lassen. Es sollte sich jetzt schon deutlich gewölbt haben. Ofen mit Stein auf der mittleren Schiene auf 235 Grad vorheizen, Betriebsart Klimagaren mit 3 Dampfstößen (für 15 Minuten Dampf am Anfang der Backzeit). Sobald der Ofen die Temperatur erreicht hat, das Brot vorsichtig auf einen bemehlten Pizzaschieber stürzen und sofort auf den Backstein gleiten lassen. In den ersten 15 Minuten der Backzeit direkt nacheinander drei Dampfstöße auslösen (je ca. 4 bis 5 Minuten). Wer keine Dampffunktion hat, stellt mit dem Brot zusammen eine feuerfeste Form mit heißem Wasser auf den Boden des Ofens und besprüht den Innenraum in den ersten 15 Minuten alle paar Minuten mit einer Sprühflasche. Nach 15 Minuten den Dampf durch kurzes Offen der Tür ablassen. Temperatur auf 255 Grad reduzieren und das Brot in 30 Minuten kräftig braun fertig backen. Auf einem Gitter gut auskühlen lassen.
Einen Roggensauerteig selbst ansetzen ist ganz einfach: Der Prozess dauert ca. 5 bis 6 Tage und macht dabei kaum Arbeit. Dafür hat man dann eine eigene Sauerteigkultur, die mit etwas Pflege nahezu unbegrenzt aufbewahrt und immer wieder zum Backen verwendet werden kann. Ich habe meine eigene Methode aus verschiedenen Anleitungen entwickelt und damit gute Erfahrungen gemacht. Das Problem beim Ansetzen von Sauerteig sind die dabei entstehenden großen Mengen, die für den Haushaltseinsatz kaum zu gebrauchen sind. Will man nach einer Woche nicht mit 3 Pfund Sauerteigstarter dastehen und daraus Kiloweise Brote backen, muss man mit recht geringen Mengen starten und zwischendurch - so leid es mir tut - immer wieder einen Teil des Ansatzes verwerfen (oder an Freunde geben, die daraus selber weiterzüchten. Aber bei den geringen Mengen und preiswerten Zutaten ist dieser Anfangsaufwand wohl vertretbar.
Tag 1:
45 g Roggenmehl Typ 1150 mit 50 g Wasser verrühren und in einem 0,5 l Weckglas mit aufgesetztem Deckel beim Raumtemperatur (ca. 20 bis 21 Grad) stehen lassen.
Tag 2:
Nach ca. 24 Stunden sollten sich erste Aktivitäten zeigen, aber keine Sorge, wenn sich noch nichts tut, manchmal dauert es etwas länger. Nun wird der Ansatz gefüttert. Dazu die Hälfte des Ansatzes abwiegen (45 g ) und mit je 45 g Wasser und Roggenmehl verrühren. Zurück ins Glas, Deckel drauf und weiter warten. Der restliche Ansatz muss leider entsorgt werden - geschieht dies nicht, hat man am Ende der Woche durch die tägliche Verdreifachen lockere 7 Kilo Sauerteigansatz, was für eine mittlere Bäckerei reichen dürfte. Zum Backen brauche wir aber immer nur wenige Gramm ...
Tage 3 bis 5:
Dieser Prozess des Fütterns wird nun über die kommenden Tage fortgeführt. Dabei immer wieder eine kleine Menge (zum Beispiel 45 g ) vom Ansatz abnehmen und mit gleichen Mengen Mehl und Wasser verrühren. Wichtig: Mehlsorte möglichst nicht wechseln, damit kein Mikroorganismen-Chaos entsteht. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Bio-Roggenmehl gemacht. Während der 24-stündigen Reifezeit kann man den Ansatz zusätzlich noch mit etwas Roggenmehl bestäuben. Am 5. Tag sollte der Ansatz lockere Blasen bilden und angenehm säuberlich riechen. Wenn nicht, dann noch einen Tag länger stehen lassen ohne weitere Fütterung. Der Ansatz ist jetzt backfertig. Für das erste Brot gleich die benötigte Menge entnehmen, der Rest wandert in einem verschließbaren Behältnis in den Kühlschrank.
Auffrischen und Erhalten:
Im Kühlschrank reicht eine regelmäßige Fütterung etwa einmal in der Woche. Das Prinzip ist dabei das gleich wie vorstehend: Ansatz gut durchrühren, kleine Menge abwiegen und mit gleichen Teilen Mehl und Wasser verrühren. Zurück in den Kühlschrank und fertig. Der Rest muss natürlich wieder weg, will man den Kühlschrank nicht systematisch mit Sauerteig füllen. Setzt sich nach längerer Phase ohne Fütterung eine klare Flüssigkeit auf der Oberfläche ab, dann macht das gar nichts. Einfach abgießen und auffrischen wie gehabt. Wenn die Flüssigkeit trüb oder grau wird und stark alkoholisch riecht, kann man immer noch versuchen, nach dem Abgießen einen Teil des Ansatzes aus dem unteren Teil des Glases zu entnehmen und aufzufrischen. Notfalls muss aber der Ansatz komplett entsorgt werden. Da ist es besser, einfach regelmäßig zu backen, dann ergibt sich das Auffrischen ganz automatisch und der Sauerteig dank die Fürsorge mit besten Backeigenschaften und super Geschmack.
Ein Roggensauerteig kann übrigens auch zum Säuern von Weizenbroten verwendet werden. Ein Weizensauer lässt sich aber nach dem gleichen Prinzip herstellen.
Übrigens: In Brotrezepten wird dieser Sauerteigansatz häufig als Anstellgut oder als Starter bezeichnet.