Am Dienstag war ich als Talk Gast eingeladen, um in der Sendung Shabab Talk auf der Deutschen Welle zusammen mit Moderator Jaafar Abdulkarim, dem saudischen Regisseur Mujtaba Said und der ägyptischen Florett-Fächterin Shaimaa Gamaal (per Telefonschalte) über die Teilnahme arabischer Frauen im Allgemeinen, und saudischer Frauen im Speziellen zu reden.
Da die Sendung auf Arabisch abgehalten und auch mein Interview mit einer Simultanübersetzung überspielt wurde, hier eine kleine Zusammenfassung des Ganzen.
Zunächst einmal – mein erster Gedanke, als es hieß: Saudi Arabien wird von der Olympiade disqualifiziert, wenn keine Frauen mitfahren dürfen, war: Fantastisch! Welch Ironie! Warum Ironie? Weil in einem Land, in dem Frau nirgendwo hingehen, ausreisen, Geschäfte tätigen kann, ohne dass ein Mann seine Zustimmung gibt, plötzlich der Zeiger in die andere Richtung zeigt und sagt: „Ätsch, Männer, das könnt ihr nicht. Nur mit den Frauen zusammen.“
Aber das nur zu meiner persönlichen Schadenfreude.
Also, die Sendung hatte den Titel „Arabische Frauen bei Olympia – Kampf zwischen Tradition und Selbstverwirklichung“. Ich war als Bloggerin und Autorin mit saudischen Wurzeln eingeladen und konnte ein bisschen aus eigener Erfahrung berichten, außerdem hatte ich die Gelegenheit, ein paar Fakten aus dem Inneren des Magischen Königreich zu erklären. So zum Beispiel, dass es in Saudi-Arabien an öffentlichen Mädchenschulen keinen Sportunterricht gibt. Es gibt kaum private Sportclubs, und wenn, dann sind sie sehr teuer, öffentliche Sportanlagen gibt es gar nicht, ebenso wenig wie eine Wettkampfkultur (woher auch?) oder Sportorganisationen. Frauen, die sich für Sport interessieren, habe somit schon einmal per se einen schweren Stand – wie, wo und mit wem sollte man Sport treiben? Einzige und fantastische Ausnahme ist der 2003 gegründete Mädchensportverein Jeddah United, wo es Mädchenmannschaften für Fußball und Basketball gibt, ebenso wie Leichtathletik und Schwimmmöglichkeiten.
Auf die erste Frage des Moderators, ob so ein vermeintlich kleiner Schritt tatsächlich gefeiert werden dürfe, antworten wir alle einhellig mit „Ja“. Ich sage, in einer so engen Gesellschaft muss jeder noch so kleine Schritt begrüßt werden. Mujtaba, mein Nebenmann sagt ebenfalls, er habe die Nachricht freudigst zur Kenntnis genommen, ebenso Shaimaa, die zugeschaltete Fechterin, die für ihr Heimatland Ägypten schon zum 4. Mal an den Spielen teilnimmt. Dennoch bleibt die Situation arabischer Athletinnen bei den Spielen im Gegensatz zum Weltvergleich eher düster – 77% zu 23% lautet die Männer-Frauen-Quote bei den arabischen Ländern (55% zu 45% im Weltvergleich).
Auch Shaimaa sieht nach wie vor Probleme. Vor allem in den Köpfen der Menschen, sagt sie, nach deren Vorstellung Mädchen nicht so gut im Sport sind wie Jungs, weniger dafür geeignet, aus körperlichen und auch moralischen Gründen. Das müsse sich ändern. Zudem, sagt sie, sei die Bürokratie der Funktionärsebenen selbst in Ländern mit höherer Frauenbeteiligung eine Katastrophe – „Die haben einfach eine Ahnung von Sport. Wir brauchen Funktionäre, die etwas von Sport verstehen und einsehen, dass es etwas Wunderbares sowohl für Männer als auch für Frauen ist, ihr Land bei solchen Wettkämpfen wie der Olympiade zu repräsentieren. Sport ist sehr wichtig für einen modernen Staat.“
Mujtaba erklärt, dass ihm persönlich die Bewegungen im Inland sehr viel mehr bedeuten als die Wahrnehmung im Ausland, dass es wichtig sei zu sehen, dass es mit Prinz Nawaf bin Faisal einen sehr engagierten Minister für Sport gäbe, der sich unter anderem auch für den Sportunterricht an Mädchenschulen einsetzt.
Auf Jaafars Frage, warum die Bewegungen immer nur von außen zu kommen scheinen, sage ich, dass es durchaus Bewegungen von innen gibt, wie zum Beispiel die Bewegung um Manal al-Sharif, dass nur alles eben sehr viel langsamer und zögerlicher geht. Man darf, und das ist ganz fest meine Meinung, den Druck nicht unterschätzen, der durch den starken Familienapparat, durch die Regierung, die Religionspolizei und die Gesellschaft entsteht. Diese Strukturen erfordern schlicht eine vollkommen andere Protestkultur und eine ganz andere Form von Erneuerungsgeist und Erfindertum als wir ihn hier in Europa gewohnt sind. Und man muss respektieren, dass es eben langsamer geht, gleichzeitig aber auch nicht aus den Augen verlieren, dass Veränderung nur durch Standhaftigkeit entsteht – steter Tropfen höhlt den Stein.
Auf die Frage nach den persönlichen Erfahrungen kann ich nur sagen, dass alle saudischen Frauen, die ich kenne, eben im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen, Sport zu treiben, wenn sie es möchten, aber eben auch am Hauptvirus des Landes kranken – Bequemlichkeit.
Shaimaa und ich visionieren dann noch darüber, dass man sich von dem vorgeschobenen Grund, muslimische Mädchen könnten wegen der Kleidung keinen Sport treiben, auf gar keinen Fall zurück halten lassen sollte. In einer Welt, in der Lady GaGa ein Kleid aus Steaks trägt, muss es doch möglich sein, Sportkleidung zu designen, die sowohl zweckmäßig und sicher wie auch vereinbar mit islamischen Maßgaben ist.
Abschließend stelle ich dann auf Jaafars Frage noch fest, dass ich nicht an einen radikalen Umbruch nur durch diesen einen Akt glaube. Man darf nicht vergessen – die Teilnahme der Frauen wurde von außen implementiert, nicht von Innen erstritten. Nichts desto trotz glaube ich an die Macht der Bilder und daran, dass die Bilder von Sarah Attar, der saudischen 800-Meter-Läuferin, wie sie mit der saudischen Flagge in der Hand strahlend in das Stadion in London einmarschiert, sich sicher in die Köpfe einiger kleiner Mädchen fest setzen wird, und diese oder die nächste Generation wird es bei sich behalten und vielleicht ein bisschen mehr daran glauben, dass auch sie irgendwann mal Hürdenlaufen, Springreiten oder Radfahren können und für ihr Land eine Medaille holen.