Der schmierenkomödiantische Slapstick über den copy & paste-Minister, der als Satire verkauft wurde.
Die Kommentarspalten waren sich vorher wie nachher darüber einig, dass Der Minister, jener Spielfilm, den Sat 1 kürzlich ausstrahlte, eine gelungene Satire sei. Die Doktorspielchen des Freiherrn, so lobte man, seien eindrucksvoll lustig gelungen. Dabei offenbarte die Sat 1-Produktion nur eines: Wie zurückgeblieben der politische Anspruch der Satire hierzulande ist. Die Satirekultur ist in Deutschland Stemmeisen und selbst Hollywood gelingen solche Produktionen wesentlich feinfühliger.
Voll normaaal?
Dieser Sat 1-Freiherr fungierte als Depp. Das sah man ihm auch sofort an. Er war so übertrieben lächerlich, dass es fast schon gefährlich ist, die Affäre um Guttenberg mit diesem Film in Verbindung bringen zu wollen. Wäre er als Typ eine solche Witzfigur gewesen, so hätte er einen anderen, einen schlechteren Eindruck auf die Bürger gemacht. Als er ertappt wurde, mag er sich blöd benommen haben, aber nicht wie ein völlig verblödeter Irrer, dem vorher noch einfiel, sich nackt auf den Teppich zu räkelt. Guttenberg war dämlich in seinem Dünkel, wortgewandt dämlich, mit feinen Umgangsformen ausgestattet dämlich, nicht aber wie ein übergroßer Junge, der weinerlich gewesen wäre.
Guttenberg war eine gefährliche Erscheinung, ein adliger Volkstribun ohne Qualitäten, der sich aber als Kompetenz verkaufte und eine PR-Maschinerie hielt, die diese blaublütige Mittelmäßigkeit zur Hochform puschte. Eine Witzfigur von so grobschlächtiger Idiotie war er nie - eine raffinierte, eine kultivierte schon eher. Braucht Satire, um in Deutschland erfolgreich zu sein, diesen Hang zur überdrehten Voll normaaal-Stilistik mit aufgesetzter Tom Gerhardt-Pudelmütze? Leise Töne voll nuanciertem Witz kommen in diesem burlesken Ballermannismus natürlich nicht vor. Ist Slapstick schon Satire? Warum flogen nicht gleich noch Torten als Krönung pseudosatirischer Tiefgründigkeit?
Vermutlich, denn auch die Karikatur dieser Kanzlerin war die eines kauzigen Muttchens, das selbst im Hosenanzug und darübergeworfener Schürze noch Brot schnitt und Ministerentscheidungen während der Hausarbeit aufdiktiert bekommt - bezeichnenderweise von einem auf Märklin-Züge abfahrenden Ministerpräsidenten Bayerns. Ohne Infantilisierung scheint Satire hierzulande nicht zu funktionieren. Und in diesem Geiste sind auch die phantasielosen Verballhornungen sämtlicher Nachnamen zu sehen, sie lesen sich wie die verzerrten Kopfgeburten von Kindern kurz nach der Vorschule.
Infantiler Parallelpolitbetrieb
Satire muss nicht zwangsläufig das exakte Abbild der Formate sein, die man in der Wirklichkeit findet. Sie verliert an Ausdrucksfähigkeit, wenn sie die Bilder, die man von Personen der Realität hat, beinahe identisch kopiert. Eine so überspitzte Abhandlung der Plagiatsaffäre sichert sich nicht nur Gelächter, sondern wertet die optischen Vorgaben aus der Wirklichkeit auf, macht, dass man sagt: Na, sooo schlimm ist die Merkel ja doch nicht. Was hätte dagegengesprochen, die Plagiatsaffäre mit anderen Protagonisten auszustatten, den Guttenberg nur anzudeuten, eine Eins-zu-Eins-Kopie Merkels zu unterlassen und die Ränkespiele der Macht dafür besser zu betonen?
Denn was bleibt von dieser Satire in Erinnerung? Eine Kanzlerinnenfrisur mit überspanntem Kanzlerinnengesicht, ein alberner Minister und allerlei Kopien von Politikern, die man entweder grotesk überstiegen dargestellt hat oder aufgrund der Übertreibung ihrer typischen Attribute veralberte. Es ist dieselbe zahnlose Form der kabarettistischen Aufbereitung, die man zu Kohls Zeiten kannte, da eine überdimensionale Birne schon für Schenkelklopfer sorgte und die Lächerlichmachung seiner politischen Inhalte zurückstellte.
Der Minister ist wie etwaige Folgen aus dem Star Trek-Universum, in denen die Protagonisten in ein Paralleluniversum gelangten, in denen alles was sie kennen, sie inklusive, bereits existierte - nur eben in gespiegelter Gestalt. Vereinfacht gesagt: Die Guten sind dort böse und andersherum. Das Drehbuch gibt hier einen infantilen Parallelpolitbetrieb wider, in der die Nuancen zwischen lächerlich und seriös so weitmaschig sind, dass man sie ohne viel Gespür sofort begreift. Wenn das die Realität wäre, dann wäre es herrlich einfach. Nun ist freilich Satire nicht Realität, aber wenn sie sich zu weit von ihr entfernt, dann gerät sie zur Schmierenkomödie. Und genau das ist Sat 1 gelungen.
Die versuchte Kopie der Wirklichkeit, die nur dezent entstellt und verfremdet, um sich nicht angreifbar zu machen für Unterlassungsklagen, birgt stets die Gefahr der Überspanntheit des Sujets. Das eigentliche Motiv verschwindet hinter den Showeffekten und soll durch bizarre Überspitzungen aufgefangen werden, was wiederum nur scheitern kann. Als Lehrstück politischer Satire im Film muss Wag the Dog angeführt werden: Keine billigen Kopien, keine Zoten durch Zurschaustellung übergroßer Attribute, keine total bizarr agierenden Rollen, sondern leise Töne des politischen Wahnsinns in natura. Die Story ist fürwahr bizarr, tritt doch die USA in einen Krieg ein, um damit eine sexuelle Affäre des US-Präsidenten zu einer Minderjährigen zu vertuschen. Mag die Storyline einer Satire auch einer Groteske entsprechen, solange die Akteure nicht wirken, wie manische Maskenträger aus einem Bühnenstück nach Gusto der Commedia dell'arte, erzielt das realistische Sequenzen, die dann als Satire wirken können.
Nicht ob, sondern wie man satirisch aufgreift
Kürzlich unterhielt sich die Bedenkenträgerei mal wieder darüber, was Satire wohl darf und was nicht. Es ging wie stets, wenn man darüber sinniert, um den humorigen Umgang mit Hitler. Dabei ist doch nicht die Frage, was Satire darf, sondern was sie nicht darf. Und das nicht mal im Hinblick auf Moral, sondern auf deren eigene Wirkungsweise. Die ontologische Grundfrage der Satire ist keine ethische Disziplin, sondern eine ästhetische. Die Frage des Ob ist zweitrangig, wenn die Frage nach dem Wie so beantwortet wird, dass sie eine gewisse Würde birgt. Ob man Hitler satirisch aufgreifen darf, stellt sich doch gar nicht als Frage. Wie man es tut, nach welchen Standards, ob als Clownerie, als Schmierenstück oder mit Raffinesse, das ist es, worüber man diskutieren kann.
Unabhängig von Hitler als Gegenstand gibt es eine ärmliche Vermischung von Satire und Possenreißerei in der Massenkultur Deutschlands. Eine Posse voller Bajazzos nennt sich schon Satire, obgleich der politische Sprengstoff so gut wie aus dem Schneider war. All die Hampel, all die Übertreibungen, die mimischen Taschenspielertricks, die überspitzte Verzerrung der Wirklichkeit ins dann von jeder Wirklichkeit abgelöste Phantastische - für Gehalt und für profunde Zusammenspiele politischer Macht- und Wirkungsweisen bleibt da kein Platz. Satire versucht das zumindest - guter Satire gelingt es zuweilen sogar.
Die absichtliche Grobmotorik von Darstellern entstammt der Theaterbühne. Dort mussten die Schauspieler übertrieben lachen oder lauter als im wirklichen Leben heulen, um auch den hintersten, den billigsten Plätzen die Emotion des Moments verständlich zu machen. Als es aber möglich wurde, das Schauspiel direkt vor das Auge des Betrachters zu bekommen, mit Erfindung des Films also, war dieses grobmotorische Mienenspiel mit gemütskrankem Duktus nicht mehr notwendig. Im Stummfilm sind die Darstellungen oft noch dergestalt überzogen, weil die Schauspieler noch das Theater im Kopf hatten und dachten, Schauspiel sei die Darstellung des Wirklichen mit übertriebener Betonung, weil sie meinten, es gehöre sich eben so. Bannt man dieses maßlose Mienenspiel trotzdem aus Gründen der Witzigkeit vor die Linse, so geht es um billige humoristische Abstauber, um die schnelle Lacherquote.
Kurzum, Satire ist nicht Komödie und jede gute Komödie hat Aspekte der Satire in sich. Dem einem Metier geht es um Witzigkeit als Ziel, das andere nutzt Witzigkeit als Weg zu einem Ziel. In der Komödie ist der Humor Syntax - die Satire missbraucht ihn zu höheren Zielen, zur Aufdeckung und Entblößung und überspannt ihn nicht, sondern gestaltet Humor mit der Groteske der Normalität. Der Minister war eine Komödie bestenfalls - vielleicht sogar eine mittelmäßige. Satirisch war dieses Stück allerdings nicht.
Die Kommentarspalten waren sich vorher wie nachher darüber einig, dass Der Minister, jener Spielfilm, den Sat 1 kürzlich ausstrahlte, eine gelungene Satire sei. Die Doktorspielchen des Freiherrn, so lobte man, seien eindrucksvoll lustig gelungen. Dabei offenbarte die Sat 1-Produktion nur eines: Wie zurückgeblieben der politische Anspruch der Satire hierzulande ist. Die Satirekultur ist in Deutschland Stemmeisen und selbst Hollywood gelingen solche Produktionen wesentlich feinfühliger.
Voll normaaal?
Dieser Sat 1-Freiherr fungierte als Depp. Das sah man ihm auch sofort an. Er war so übertrieben lächerlich, dass es fast schon gefährlich ist, die Affäre um Guttenberg mit diesem Film in Verbindung bringen zu wollen. Wäre er als Typ eine solche Witzfigur gewesen, so hätte er einen anderen, einen schlechteren Eindruck auf die Bürger gemacht. Als er ertappt wurde, mag er sich blöd benommen haben, aber nicht wie ein völlig verblödeter Irrer, dem vorher noch einfiel, sich nackt auf den Teppich zu räkelt. Guttenberg war dämlich in seinem Dünkel, wortgewandt dämlich, mit feinen Umgangsformen ausgestattet dämlich, nicht aber wie ein übergroßer Junge, der weinerlich gewesen wäre.
Guttenberg war eine gefährliche Erscheinung, ein adliger Volkstribun ohne Qualitäten, der sich aber als Kompetenz verkaufte und eine PR-Maschinerie hielt, die diese blaublütige Mittelmäßigkeit zur Hochform puschte. Eine Witzfigur von so grobschlächtiger Idiotie war er nie - eine raffinierte, eine kultivierte schon eher. Braucht Satire, um in Deutschland erfolgreich zu sein, diesen Hang zur überdrehten Voll normaaal-Stilistik mit aufgesetzter Tom Gerhardt-Pudelmütze? Leise Töne voll nuanciertem Witz kommen in diesem burlesken Ballermannismus natürlich nicht vor. Ist Slapstick schon Satire? Warum flogen nicht gleich noch Torten als Krönung pseudosatirischer Tiefgründigkeit?
Vermutlich, denn auch die Karikatur dieser Kanzlerin war die eines kauzigen Muttchens, das selbst im Hosenanzug und darübergeworfener Schürze noch Brot schnitt und Ministerentscheidungen während der Hausarbeit aufdiktiert bekommt - bezeichnenderweise von einem auf Märklin-Züge abfahrenden Ministerpräsidenten Bayerns. Ohne Infantilisierung scheint Satire hierzulande nicht zu funktionieren. Und in diesem Geiste sind auch die phantasielosen Verballhornungen sämtlicher Nachnamen zu sehen, sie lesen sich wie die verzerrten Kopfgeburten von Kindern kurz nach der Vorschule.
Infantiler Parallelpolitbetrieb
Satire muss nicht zwangsläufig das exakte Abbild der Formate sein, die man in der Wirklichkeit findet. Sie verliert an Ausdrucksfähigkeit, wenn sie die Bilder, die man von Personen der Realität hat, beinahe identisch kopiert. Eine so überspitzte Abhandlung der Plagiatsaffäre sichert sich nicht nur Gelächter, sondern wertet die optischen Vorgaben aus der Wirklichkeit auf, macht, dass man sagt: Na, sooo schlimm ist die Merkel ja doch nicht. Was hätte dagegengesprochen, die Plagiatsaffäre mit anderen Protagonisten auszustatten, den Guttenberg nur anzudeuten, eine Eins-zu-Eins-Kopie Merkels zu unterlassen und die Ränkespiele der Macht dafür besser zu betonen?
Denn was bleibt von dieser Satire in Erinnerung? Eine Kanzlerinnenfrisur mit überspanntem Kanzlerinnengesicht, ein alberner Minister und allerlei Kopien von Politikern, die man entweder grotesk überstiegen dargestellt hat oder aufgrund der Übertreibung ihrer typischen Attribute veralberte. Es ist dieselbe zahnlose Form der kabarettistischen Aufbereitung, die man zu Kohls Zeiten kannte, da eine überdimensionale Birne schon für Schenkelklopfer sorgte und die Lächerlichmachung seiner politischen Inhalte zurückstellte.
Der Minister ist wie etwaige Folgen aus dem Star Trek-Universum, in denen die Protagonisten in ein Paralleluniversum gelangten, in denen alles was sie kennen, sie inklusive, bereits existierte - nur eben in gespiegelter Gestalt. Vereinfacht gesagt: Die Guten sind dort böse und andersherum. Das Drehbuch gibt hier einen infantilen Parallelpolitbetrieb wider, in der die Nuancen zwischen lächerlich und seriös so weitmaschig sind, dass man sie ohne viel Gespür sofort begreift. Wenn das die Realität wäre, dann wäre es herrlich einfach. Nun ist freilich Satire nicht Realität, aber wenn sie sich zu weit von ihr entfernt, dann gerät sie zur Schmierenkomödie. Und genau das ist Sat 1 gelungen.
Die versuchte Kopie der Wirklichkeit, die nur dezent entstellt und verfremdet, um sich nicht angreifbar zu machen für Unterlassungsklagen, birgt stets die Gefahr der Überspanntheit des Sujets. Das eigentliche Motiv verschwindet hinter den Showeffekten und soll durch bizarre Überspitzungen aufgefangen werden, was wiederum nur scheitern kann. Als Lehrstück politischer Satire im Film muss Wag the Dog angeführt werden: Keine billigen Kopien, keine Zoten durch Zurschaustellung übergroßer Attribute, keine total bizarr agierenden Rollen, sondern leise Töne des politischen Wahnsinns in natura. Die Story ist fürwahr bizarr, tritt doch die USA in einen Krieg ein, um damit eine sexuelle Affäre des US-Präsidenten zu einer Minderjährigen zu vertuschen. Mag die Storyline einer Satire auch einer Groteske entsprechen, solange die Akteure nicht wirken, wie manische Maskenträger aus einem Bühnenstück nach Gusto der Commedia dell'arte, erzielt das realistische Sequenzen, die dann als Satire wirken können.
Nicht ob, sondern wie man satirisch aufgreift
Kürzlich unterhielt sich die Bedenkenträgerei mal wieder darüber, was Satire wohl darf und was nicht. Es ging wie stets, wenn man darüber sinniert, um den humorigen Umgang mit Hitler. Dabei ist doch nicht die Frage, was Satire darf, sondern was sie nicht darf. Und das nicht mal im Hinblick auf Moral, sondern auf deren eigene Wirkungsweise. Die ontologische Grundfrage der Satire ist keine ethische Disziplin, sondern eine ästhetische. Die Frage des Ob ist zweitrangig, wenn die Frage nach dem Wie so beantwortet wird, dass sie eine gewisse Würde birgt. Ob man Hitler satirisch aufgreifen darf, stellt sich doch gar nicht als Frage. Wie man es tut, nach welchen Standards, ob als Clownerie, als Schmierenstück oder mit Raffinesse, das ist es, worüber man diskutieren kann.
Unabhängig von Hitler als Gegenstand gibt es eine ärmliche Vermischung von Satire und Possenreißerei in der Massenkultur Deutschlands. Eine Posse voller Bajazzos nennt sich schon Satire, obgleich der politische Sprengstoff so gut wie aus dem Schneider war. All die Hampel, all die Übertreibungen, die mimischen Taschenspielertricks, die überspitzte Verzerrung der Wirklichkeit ins dann von jeder Wirklichkeit abgelöste Phantastische - für Gehalt und für profunde Zusammenspiele politischer Macht- und Wirkungsweisen bleibt da kein Platz. Satire versucht das zumindest - guter Satire gelingt es zuweilen sogar.
Die absichtliche Grobmotorik von Darstellern entstammt der Theaterbühne. Dort mussten die Schauspieler übertrieben lachen oder lauter als im wirklichen Leben heulen, um auch den hintersten, den billigsten Plätzen die Emotion des Moments verständlich zu machen. Als es aber möglich wurde, das Schauspiel direkt vor das Auge des Betrachters zu bekommen, mit Erfindung des Films also, war dieses grobmotorische Mienenspiel mit gemütskrankem Duktus nicht mehr notwendig. Im Stummfilm sind die Darstellungen oft noch dergestalt überzogen, weil die Schauspieler noch das Theater im Kopf hatten und dachten, Schauspiel sei die Darstellung des Wirklichen mit übertriebener Betonung, weil sie meinten, es gehöre sich eben so. Bannt man dieses maßlose Mienenspiel trotzdem aus Gründen der Witzigkeit vor die Linse, so geht es um billige humoristische Abstauber, um die schnelle Lacherquote.
Kurzum, Satire ist nicht Komödie und jede gute Komödie hat Aspekte der Satire in sich. Dem einem Metier geht es um Witzigkeit als Ziel, das andere nutzt Witzigkeit als Weg zu einem Ziel. In der Komödie ist der Humor Syntax - die Satire missbraucht ihn zu höheren Zielen, zur Aufdeckung und Entblößung und überspannt ihn nicht, sondern gestaltet Humor mit der Groteske der Normalität. Der Minister war eine Komödie bestenfalls - vielleicht sogar eine mittelmäßige. Satirisch war dieses Stück allerdings nicht.