Sarrazin, mein Held!

Thilo Sarrazin und seine rassistischen und sozialdarwinistischen Äußerungen bleiben nicht wirkungslos auf die öffentliche Meinungsbildung. Er hat es bereits geschafft, dass einige (rechts-)konservative Journalisten und Rechtsintellektuelle sich nun aus ihren Löchern trauen, um ihrer ganzen Menschenverachtung endlich freien Lauf zu lassen. Verteidiger Sarrazins finden sich etwa bei der Springerpresse, der Rheinischen Post, der Süddeutschen oder bei Deutschlandradio Kultur.

Dort gibt es im “Politischen Feuilleton” einen Kommentar von Cora Stephan (Text, MP3), der glatt als  Liebeserklärung an Thilo Sarrazin durchgehen, dabei aber auch mit den Hetztiraden von Fox News oder Politically Incorrect mithalten könnte. Jede Zeile trieft vom Hass auf (folgendes bitte in Anführungszeichen denken) das linke Gutmenschenpack, die schmarotzenden Ausländer, Multikulti und die political correctness – und von der Verachtung von Menschlichkeit. Sarrazin mit seiner Sammlung unwissenschaftlichen Blödsinns wird konsequent als Darsteller von objektiven Zahlen und Statistiken, gar von Fakten stilisiert. Es ließe sich nicht leugnen, dass, so im besten Rechtsaußenjargon, sich ein Teil der Ausländer nicht integrieren wollte und die deutsche Kultur verachte. Und der Türke sei nun beleidigt, weil man diese “Wahrheiten” ausspreche.

Oder handelt es sich um Satire? Menschenverachtung und blanker Hass wirft sie nicht etwa Sarrazin vor, sondern seinen Gegnern. Auf so etwas muss man erst mal kommen. Direkt aberwitzig wird es, wenn behauptet wird, Sarrazin bemühe sich “in rührender Weise” um eine argumentative Debatte, und das Volk sehe ihn als, wörtlich, “aufrechten, integren, ehrlichen, standhaften Mann”. Überhaupt: die Interessen der Volksdeutschen werden nicht beachtet, “das Volk”, in dem Kommentar wird es gleichgesetzt mit dem wütenden rechten Mob im Internet, fühle sich von der politischen Elite verraten.

Nein, es ist keine Satire. Was aus diesem Kommentar und aus einigen anderen in der deutschen Presse spricht, ist die alte Sehnsucht der rechten Intellektuellen Deutschlands nach einer Führerfigur, die den rechten Mob hinter sich sammeln kann, gegen die  deutschlandhassenden Ausländer, die sämtlich frauenverprügelnden und ehrenmordenden, wenn nicht terroristischen, Muslime, die langhaarigen und müsliessenden Multikulti-Romantiker und Islamversteher, die  parasitären Sozialschmarotzer, den leistungsfeindlichen Sozialstaat und die sämtlich linken deutschen Parteien. Sarrazin, der Retter der blutsdeutschen Leistungsträger, Sarrazin, der Held der schweigenden Mehrheit, der mutige Streiter für die Wahrheit, der ehrenhaft den Kampf gegen die Gutmenschendiktatur dieser Alt-68er-BRD führt. Das einzig Gute ist, dass sich der rhetorisch dermaßen unbegabte wie charismalose Sarrazin für die Rolle des Volkstribuns, die ihm nun manche (nicht nur Stephan) zudichten wollen, dermaßen schlecht eignet.

Schaut man derweil sich Cora Stephans vergangene Veröffentlichungen an, steht dieser Kommentar in einer konsequenten Reihe. So kann man beispielsweise einen Kommentar von ihr lesen für den Afghanistan-Krieg und gegen die Pazifisten, die ja mit den Terroristen sympathisierten, in dem sie dann auch noch zivilen Opfer von Kriegen verharmlost. Oder sie sieht in Deutschland, auch bei CDU und FDP, einen Linksruck. In einem anderen Kommentar beklagt sie sich über angeblich fehlende Ressentiments der Mittelschicht gegenüber Hartz-IV-Empfängern und anderen “unproduktive Empfängern staatlicher Leistungen aller Art” und darüber, dass die deutsche Gesellschaft zu wenig egoistisch, gierig und selbstsüchtig sei und es zu wenig Nationalstolz gäbe. Ebenfalls dort der Satz:

Die DDR ist nicht untergegangen, sie heißt nur heute anders: Deutschland, das Land der Gerechtigkeit und menschlichen Wärme, Brot und Spiele inklusive. (…)

Was immer wieder auffällt in ihren Kommentaren, ist die teilweise direkte und wörtliche Verachtung von Menschlichkeit. Dass eine solche Person dann aber auch noch in der Jury des Theodor-W.-Adorno-Preises (!) der Stadt Frankfurt war, ist eine Schande. Und selbstverständlich veröffentlicht sie auch bei der Springerpresse und der “Achse des Guten”.

Für ihren dortigen rechtspopulistischen Kollegen Henryk Marcin Broder überwiegt derweil seine Islamophobie selbst Sarrazins Äußerungen über “Judengene”. Er verteidigte bei Maybrit Illner Sarrazin und sprach gar von einer Hexenjagd auf diesen.

Das sind aber nur ein paar Fälle, die zeigen, welche Tore Sarrazin geöffnet haben könnte und wie konsequent wir gerade jetzt für Menschlichkeit und Toleranz, gegen Rassismus und Sozialdarwinismus eintreten müssen – und gegen die, die diese wieder hoffähig machen wollen. Wir dürfen den Rechtskonservativen und ihren Brüder im Geiste von Rechtsaußen nicht das Feld überlassen.


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