Ich habe mehrfach darüber geschrieben, dass die gegen den Iran verhängten Sanktionen vor allem das Volk treffen. Die Machthaber jedoch ziemlich unbeeindruckt lassen. Und ich habe viele Male gefordert, dass es zu politischen Sanktionen gegen die Regierenden kommen muss: also zu einer Ausweisung von Diplomaten (wie den iranischen Botschafter in Deutschland, Alireza Sheikh Attar); zum Einfrieren der Konten nicht der iranischen Banken generell (was jüngst zu unvorhergesehenen Ergebnissen für iranische Flüchtlinge führte), sondern vor allem der privaten Konten von Regimemitgliedern und die der unterstützenden Organisationen.
Warum?
Weil nur das den notwendigen Druck aufbauen kann. Ein generelles Embargo führt nur dazu, dass im Iran Menschen sterben, weil kein Insulin in das Land exportiert werden darf. Als die Gesundheitsministerin Irans, Marziyeh Vahid Dastjerdi, dies und vermutliche Korruption öffentlich machte, wurde sie kurzerhand aus der Regierung geworfen.
Nun ist in der FAZ ein Artikel erschienen, der feststellt, dass “Sanktionen den Tyrannen helfen“. Den komplett zu kopieren… geht natürlich nicht. Aber den Lesern des Bloghauses sei geraten, sich Ali Fathhollah-Nejad’s Artikel genau durchzulesen.
Stellen wir uns einen Moment lang vor, wie es ist, in einem Land zu leben, das unter einem schweren Sanktionsregime steht. Wie es ist, wenn die Kosten für Miete, Kleidung und Nahrungsmittel unaufhörlich steigen, wenn die eigene Währung fast nichts mehr wert ist, wenn der Arbeitsplatz gefährdet ist, da der notwendige Handel mit dem Ausland immer stärker unterbunden wird? Wenn Banken Iraner im In- und Ausland als Ausgestoßene behandeln, jegliche Bankgeschäfte mit dem Ausland, zu privaten oder geschäftlichen Zwecken, gegen höhere Gebühr nur über Drittländer auszuführen sind, wenn man bei jeder Flugreise wegen der sanktionsbedingten Alterung der Flugzeuge um sein Leben bangen muss. Wenn Lebensmittellieferungen aus dem Ausland ihre Fracht nicht ausladen dürfen und eine humanitäre Katastrophe bei Krebs- und anderen Schwerkranken wütet.
[...]
Dabei vergessen wir einen Zusammenhang, der uns im Westen selbstverständlich ist: Eine gesunde und prosperierende Mittelschicht bildet das Rückgrat einer demokratischen Gesellschaft. Just diese aber wird gerade in Iran zugrunde sanktioniert. Wie zudem eine Studie der Harvard University gezeigt hat, treffen die Sanktionen zuvörderst die jungen Menschen in Iran, jene Bevölkerungsmehrheit also, für die man bereits die Rolle des Fahnenträgers einer Demokratie nach westlichem Vorbild vorgesehen hat. Anders ausgedrückt: Ein vom wirtschaftlichen Überlebenskampf geplagter Mensch wird kaum die Muße besitzen, als Bürger in den demokratischen Kampf zu ziehen.
[...]
Zieht man die Erkenntnisse der Wissenschaft über Sanktionsfolgen in Betracht, stellt der Fall Iran ein Negativbeispiel dar: In die Enge getriebene autoritäre Regime erhöhen die Repression gegen die Opposition und sind zudem in der Lage, die Kosten von Sanktionen auf das Volk abzuwälzen, wodurch ihre Herrschaft eher verlängert wird. Den sanktionierenden Regierungen dürfte indes kaum entgangen sein, dass systemnahe Organe, wie die Revolutionsgarden, von den Sanktionen sogar profitieren. Das Regime baut dank der Sanktionen seinen technologischen und wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber der Zivilgesellschaft sogar noch weiter aus.
Darum haben sich Vertreter der iranischen Zivilgesellschaft und führende Oppositionspolitiker gegen Sanktionen ausgesprochen. Der Westen hat es jedoch vorgezogen, diese Stimmen einfach zu überhören.
Nic