Sanierung verdrängt die Armen


Die Pläne der künftigen Großen Koalition treiben die Gebäudesanierung zu Lasten der Armen und der Kommunen weiter.
Die großen Parteien, CDU/CSU und SPD, sind in ihrem Koalitionsvertrag überein gekommen, den Energieverbrauch der Häuser weiter zu senken. Bis 2050 wollen sie einen nahezu klima-neutralen Gebäudebestand in Deutschland haben. Dazu soll der Energieverbrauch gesenkt und die Nutzung Erneuerbarer Energien im Wärmesektor vorangetrieben werden. Erfolg verspricht dieses ehrgeizige Vorhaben aber nicht.
Schon vor einem Jahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium in seinem Monitoring-Bericht „Energie für die Zukunft“ festgestellt, dass im Gebäudebereich „sowohl die Energieeffizienz als auch der Einsatz erneuerbarer Energien deutlich zu steigern“ seien. Um einen klima-neutralen Gebäudebestand zu erhalten, sei es notwendig, den Wärmebedarf drastisch zu senken, so dass der restliche Bedarf aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Außerdem sollte die Sanierungsrate von einem Prozent der Gebäude pro Jahr auf zwei Prozent gesteigert werden.
Die Umweltschutzorganisation Greepeace gibt an, dass etwa 65 Prozent der Häuser in Deutschland als schlecht gedämmt gelten und etwa 60 Prozent aller Fenster schlecht isoliert seien. Ginge die Sanierung im selben Tempo weiter wie bisher, würde es mehr als 100 Jahre dauern, bis das Sanierungsziel erreicht sei. Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe (DUH) werden in einem unsanierten Altbau 40 Liter und mehr Heizöl pro Quadratmeter im Jahr verbraucht. Niedrigenergiehäuser verbrauchen dagegen nur sieben Liter und Passivhäuser nur 1,5 Liter.
Der Koalitionsvertrag sieht nun vor, dass der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mehr Geld zur Verfügung gestellt werden soll, um die Förderung auszubauen. Es ist allerdings fraglich, ob dies ausreichen wird. So kam eine Studie vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) und dem Forschungscenter Betriebliche Immobilienwirtschaft an der Technischen Universität Darmstadt (FBI) zu dem Schluss, dass sich der Energieverbrauch von Gebäuden bis 2050 nur um 64 Prozent reduzieren lasse, wenn sich der Trend so fortsetze und die Leitlinien der Bundesregierung nicht ändern. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Kosten für das Wohnen werden auch erheblich steigen.
Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Gebäudesanierung belaufen sich demnach auf – inflationsbereinigt – 1,7 bis 2,1 Billionen Euro bis zum Jahr 2050. Die durchschnittlichen Kosten für ein Einfamilienhaus liegen bei 140.000 Euro und für ein durchschnittliches Mehrfamilienhaus muss der Besitzer 303.000 Euro aufwenden. Viele Eigenheimbesitzer werden die nötigen finanziellen Mittel nicht aufbringen können, so die Studie weiter.
Das Wohnen in einem Einfamilienhaus verteuere sich von der ersten Sanierungsmaßnahme bis zum Jahr 2050 um durchschnittlich 260 Euro pro Monat, in einem Mehrfamilienhaus um 140 Euro pro Wohneinheit. Haushalte mit einem monatlichen Einkommen unter 2.000 Euro müssen laut Studie mit einer Kostenexplosion zwischen 19,6 und 26,4 Prozent rechnen. Besonders betroffen seien Alleinstehende, Alleinerziehende und Rentner. „Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von 900 bis 1300 Euro zahlen nach Sanierung die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen. Das ist dramatisch und bricht den Sozialpakt“, sagte Prof. Dr. Andreas Pfnür, Leiter des Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft.
Gleichzeitig stiegen die staatlichen Kosten für Wohngeld und Kosten der Unterkunft um bis zu 40 Prozent oder 7,4 Milliarden Euro pro Jahr. Die Sanierung produziere neue Hartz-IV-Empfänger, Pfnür weiter. Wer bisher nur knapp dem Hartz-IV entkam, wird nach der Sanierung ALG-II beantragen müssen.
In den Koalitionsverhandlungen ist allerdings nichts beschlossen worden, was auf einen sozialen Ausgleich der Kosten hindeuten würde. Es deutet auch alles darauf hin, dass die öffentlichen Mehrkosten für Wohngeld und Kosten für die Unterkunft auf die Kommunen abgewälzt werden. Im Koalitionsvertrag fehlt ein Hinweis darauf, dass die Bundesregierung den Fehlbetrag übernehmen wird.

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