Sandra Maischberger: angekommen im braunen Milieu?

Mit dem Titel der gestern bei SAT3 ausgestrahlten Sendung:

Wer arbeitet, ist der Dumme? 

hat Sandra Maischberger einmal mehr den “braunen Sumpf” in Deutschland nach Kräften bedient.

An und für sich war bereits die Einladung einer “Putzfrau” (Heidi Ralfs) die Absicht, Geringverdiener in prekären Arbeitsverhältnissen gegen “Hartz-IV-Empfänger” auszuspielen!

Die Anführungszeichen bei “Hartz-IV” sollen andeuten, dass dieser Begriff bereits stigmatisierend wirkt, weil er mit dem Namen eines strafverfolgten ehemaligen VW-Managers in Verbindung gebracht wird, der, nebenbei bemerkt, zu einem ausgesprochener Gegner der SGB II – Regelungen geworden war, weil er ganz andere Vorschläge gemacht hatte.

Das Sozialgesetzbuch spricht jedenfalls von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten (vgl. zum Beispiel § 7 Absatz 1 SGB II).

Dass Heidi Ralfs, aber auch die anderen Teilnehmer, wenig vom Einkommensteuerrecht verstehen (wollen) bzw. schlicht die Fakten verdrehen, weil mit “brauner Akribie” die Leistungsberechtigten nach SGB II stigmatisiert werden sollen, zieht sich seit Jahren durch die Primitiv-Politik-Talk-Shows.

Denn den “braun” gefärbten Politikern und Journalisten muss man vorhalten, dass sie offenbar den steuerlichen Grundfreibetrag nicht kennen wollen, der jedem Arbeitnehmer bereits das Existenzminimum sichern soll!

Wer das nicht glauben will, der sollte sich einmal mit dem Einkommensteuerrecht befassen. Zitiert sei hier nur eine unverfängliche Veröffentlichung aus dem Portal für Finanzen und Versicherungen. Dort heißt es unmissverständlich:

Der Grundfreibetrag ist ein Begriff aus der Einkommensteuer. Das Einkommen wird bis zum Grundfreibetrag nicht in die Berechnung der Einkommensteuer mit einbezogen. Der Grundfreibetrag gilt für alle steuerpflichtigen Paare und Singles in Deutschland.

Der Freibetrag in der Einkommensteuer wird zur Sicherung des Existenzminimums erhoben. Niedrige Einkommen werden somit nicht zusätzlich von der Einkommensteuer belastet. Im Jahr 2002 lag der Grundfreibetrag bei 7.235,- Euro und im Jahr 2010 bei 8.004,- Euro. Da der Freibetrag laufend an die Lebenshaltungskosten angepasst wird, steigt der Betrag tendenziell immer weiter an. Für 2013 ist eine Anhebung vorgesehen, und zwar auf 8.124 Euro, im Jahr 2014 soll der Betrag dann auf 8.352 Euro steigen.

Die Berechnung des Steuerfreibetrages erfolgt auf Basis des gültigen Sozialhilferechts, das auch unter dem Begriff Hartz Vier bekannt ist. Der Grundfreibetrag ergibt auch aus den Hartz Vier-Leistungen wie dem Regelsatz, den Kosten für die Unterkunft und den Heizkosten. Der Steuerfreibetrag entspricht damit den ALG II-Leistungen eines Jahres. Nur Steuerpflichtige, die ein höheres Einkommen als ein Empfänger von ALG II-Leistungen haben, zahlen Einkommensteuer.

Pikant ist, dass der steuerliche Grundfreibetrag 2001, also vor der Euro-Einführung, 14.093 DM betrug!

Wie sich die Kaufkraft des EURO bis heute, insbesondere bezogen auf den täglichen Bedarf, also bei Lebensmitteln, Energie und Miete, verändert hat, sollte eigentlich jedem bekannt sein. Das gefühlte und überwiegend realistisch eingeschätzte Kaufkraftverhältnis DM:Euro liegt tatsächlich bei 1:1; es wird sich angesichts der ansteigenden Inflationsrate aufgrund der Eurokrise in den nächsten Jahren dramatisch verschlechtern.

Der steuerliche Grundfreibetrag 2012 beträgt 8.004 Euro; für 2013 sind 8.130 Euro geplant!

Aber darüber schweigen die “braun gefärbten” Journalisten und Politiker, wenn es um den Vergleich zu 2001 geht; danach müsste der steuerliche Freibetrag heute bei mindestens 14.000 Euro liegen, nicht bei 8.004 Euro! Es liegt nahe, warum die Politik den Bürgern bei der statistischen Erhebung von Zahlen eine auf Normalhaushalte zugeschnittene Statistik verweigert! So lassen sich leichter arme Arbeitnehmer und Leistungsberechtigte nach SGB II ausspielen.

Dass die Putzfrau noch nicht einmal 14.000 Euro im Jahr steuerfrei verdienen darf/soll, basiert auf der neoliberalen Politik der Umverteilung von unten nach oben. Der steuerliche Freibetrag aus 2001 macht darüber hinaus deutlich, dass das gewährte Existenzminimum (Regelsatz von derzeit 374 Euro/Monat zuzüglich der Brutto-Kaltmiete für einen Einpersonenhaushalt von durchschnittlich 340 Euro) zu niedrig bemessen ist.

Aber dennoch spielen die braun gefärbten Journalisten und Politiker Arbeitnehmer in prekären Arbeitsverhältnissen gegen Leistungsberechtigte nach SGB II aus, wie gestern in der Sendung von Sandra Maischberger zu besichtigen war.

Dass den Putzfrauen und anderen prekär Beschäftigten nur durch eine gerechte Steuerpolitik und der Einführung von ausreichenden Mindestlöhnen geholfen werden kann, ist den sorgsam ausgesuchten Gästen in solchen fragwürdigen Sendungen nicht klar. Sie fallen zumeist auf das raffinierte (massenpsychologisch bzw. wissenschaftlich fundierte) Machtspiel der Neoliberalen herein, mit dem die Armen gegen die Ärmsten ausgespielt werden; einfach perfide.

Dass die Sanktionsmechanismen des SGB II dafür sorgen sollen, dass mindestens 1/3 der Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen gehalten werden können, ist die Politik der Drohung in Armut und einer moderneren Art der Zwangsarbeit zu fallen, wenn angemessene Löhne und Gehälter gefordert werden. Dann nämlich droht das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit und der Versklavung über die Sanktionsmechanismen des SGB II!

Das hatte in der Sendung nur der Gast Ralph Boes zum Ausdruck gebracht, der sich bereits optisch, im Schneidersitz sitzend, von den anderen Gästen unterschied. Er zelebrierte eine andere Art der Freiheit, die insbesondere dem glühenden Befürworter der Sanktionsmechanismen, Markus Söder (CSU), nicht gefiel.

Ralph Boes wollte mit seiner Sitzhaltung öffentlich zum Ausdruck bringen, dass die Leistungsberechtigten nach SGB II selbstbewusster auftreten und sich wehren müssen, damit die erkennbar “braun gefärbte” Politik der 30er Jahre (zwanghafter Arbeitsdienst), das obrigkeitsstaatliche Verhalten der das System tragenden Beamten und Staatsdiener, nicht eine schlimme Renaissance erfährt.

Dass der Spruch von Markus Söder (CSU):”Leistung muss sich lohnen”, sich ausgerechnet im Kontext auf Leistungsberechtigte nach SGB II bezieht, ist eine besondere Art der Verhöhnung der Arbeitnehmer. Denn “Leistung” LOHNT sich nur dann, wenn die Arbeitgeber angemessene LÖHNE und GEHÄLTER bezahlen. Aber mindestens 1/3 der Arbeitnehmer sollen sich ja nach dem Willen der Alt-Parteien vor den Pressalien des SGB II fürchten und niedrige und niedrigste Löhne und Gehälter widerspruchslos akzeptieren; da bleibt dann nur noch der Vergleich mit den Beziehern von Leistungen nach SGB II/XII.

Und die Alt-Parteien können bedauerlicherweise nach wie vor darauf setzen, dass die politische Dummheit weit verbreitet ist und das Rühren an niedrigen Instinkten und Angst schon immer erfolgversprechend war und ist, auch bezogen auf Wahlen.

In beinahe jeder Politik-Sendung darf ein Exote, eine Exotin nicht fehlen. Bei Sandra Maischberger war es Gisela Muth, Herstellerin von Luxuskosmetikartikeln. Den Zuschauern musste eine skurril wirkende “High-Society-Lady” präsentiert werden, weil sich insbesondere die weiblichen Zuschauer nach Glamour und Adeligen sehnen. Das gehört zur Psychologie solch einer Sendung.

Peinlich und wenig sachkundig war der Auftritt von Franz Alt, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Ihm war anscheinend noch nicht einmal bekannt, dass nach wie vor die Jobcenter und Optionskommunen Sanktionen im Sinne von “Sippenhaft” verhängen, so dass Obdachlosigkeit bei Sanktionen droht. Krampfhaft suchte er zu verschleiern, dass die Regelungen nach SGB II klar verfassungswidrig sind, insbesondere die massenhaft verhängten Sanktionen (§§ 30 ff. SGB II).

Zur “Sippenhaft” folgendes:

Zu dem Regelbedarf gehören der Regelsatz (für Lebensunterhalt) sowie die Kosten der Unterkunft (KDU). Bei der Berechnung des Bedarfes werden die KDU überwiegend nach “Köpfen” aufgeteilt. Wird ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (z.B. ein Kind unter 25 Jahren) sanktioniert, dann werden auch die Leistungen für die MIETE gekürzt!

Insofern hatte der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit gestern die Öffentlichkeit getäuscht, weil er bestritten hatte, dass Sanktionen in KDU eingreifen.

Auch hier hilft ein Blick in das Gesetz. Nach § 31a Abs. 2 Satz 2 SGB II gilt folgendes:

…Bei wiederholter Pflichtverletzung nach § PflichtverletzungenSGB II > Leistungen > Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts > Sanktionen’>31 entfällt das Arbeitslosengeld II vollständig. …

Offenbar kennt selbst der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit das SGB II nicht, oder er will es nicht kennen!

Die klar verfassungswidrige  “Sanktionsvorschriften des SGB II” führen zu einer “Sippenhaft”, vergleichbar mit dem “braunen Gedankengut” der 30er Jahre. Daran kann es keinen Zweifel geben.

Zur Ehrenrettung nicht weniger Richter, Anwälte und Politiker und der Talk-Show-Teilnehmerin Katja Kipping (Die Linke) sei angemerkt, dass die Sanktionsparagrafen seit Anbeginn als klar verfassungswidrig kritisiert werden. Leider hatte das Bundesverfassungsgericht noch keine Gelegenheit, die Sanktionsregeln umfassend in einem konkreten Fall aufzugreifen, insbesondere nach der Verschärfung der Gesetzeslage ab 2011.

Resümierend kann festgehalten werden, dass die Sendung, gewollt oder ungewollt, einmal mehr die prekär Beschäftigten gegen die Leistungsberechtigten nach SGB II ausspielen wollte.

Nur Katja Kipping (Die Linke) hatte die geschickte Meinungsmache von Sandra Maischberger bei der “Gesprächsführung der Sendung” einmal zurückgewiesen bzw. mutig darauf aufmerksam gemacht.

Aber nur der Kenner der “Beeinflussungspolitik” dürfte noch erinnern, dass Sandra Maischberger in einem Fall sogar gegenüber Katja Kipping (Die Linke) zugab, dass mit ihrer Fragestellung Meinungen manipuliert werden sollen.

Wer das nicht glauben will dem sei empfohlen, noch einmal die Sendung im Internet zu verfolgen und genau hinzuhören.

Die sich ausweitende braune Tendenz in den Medien, insbesondere einigen “Politik-Talk-Shows” (Opium für die Öffentlichkeit), ist jedenfalls für den aufmerksamen Zuschauer nicht zu übersehen.



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