Golden Gate Bridge, National Historical Landmark.
Separate Velo- und Fussgänger-Spur
Bald nach der Brücke kamen wir durch das herzige Städtchen Sausalito, überquerten einen Hügel, wo am helllichten Tag Rehe in Sichtweite von Wohnhäusern weideten, dann hatten wir diese äusserst dicht bevölkerte Regionen verlassen. Wir kamen durch einige weitere Dörfer und am frühen Nachmittag hatten wir schon das Ziel des Tages, den Samuel P. Tayler State Park erreicht. Mit den grossen, majestätischen Redwood-Bäumen hatte dieser Park gewisse Ähnlichkeiten mit dem Pfeiffer Big Sur SP. Ausser, dass einiges recht baufällig wirkte, Zäune zusammengebrochen und, zumindest in der Hiker/Biker Site, ein Tisch abgebrochen war. Wir hatten ausserdem Glück, dass wir am Wochenende dort vorbeikamen, unter der Woche ist der Park aus Spargründen geschlossen. In der Feuertonne fanden wir noch heisse Gluten vor und verbrachten so den Nachmittag damit, mit unserem kleinen, privaten Feuer zu spielen.
Redwood-Wald.
Die Nacht war mir nicht als ungwöhnlich kalt aufgefallen, der Morgen war es jedoch sehr. Es war zwar nicht das erste Mal, dass wir klamme Finger hatten bis die Velos startbereit waren, so sehr hatten meine Zehen und Finger aber noch nie geschmerzt, das war ganz und gar nicht mehr witzig. Von dem Abschnitt hier haben wir eine Karte der Adventure Cycling Association und da wir die Beschreibung aus dem Buch nicht immer toll finden, dachten wir, wir könnten nun mal nach dieser neuen Karte fahren. Irgendwo müssen wir aber eine Abzweigung verpasst haben, jedenfalls drehten wir eine grosse (äusserst hübsche) Runde, bis wir den Weg auf den HWY 1 wiederfanden. Die zusätzlichen rund 15 km wären ja noch gegangen, mehr in die Beine gefahren waren die vielen steilen Hügel, die wir in dieser Schweiz-ähnlichen Region überqueren mussten.
Wieder zurück auf der Hauptstrasse, änderte sich landschaftlich eigentlich wenig. Links und rechts befanden sich Höfe, es grasten Rinder, mal schwarze Angus, mal gefleckte Milchkühe, zwischendurch gab es auch mal einige Schafe und Schweine. Was sich hingegen sehr wohl geändert hatte, als wir aus den Hügeln rausgekommen waren, war der Wind. Zuvor praktisch nicht-existent, war er nun sehr böig. Meist von vorne, dann von links, mal von rechts und zu unserer Überraschung sogar mal kurz von hinten. Faszinierend, wie schnell man da plötzlich vorwärts kommt. Wegen der Zusatz-Runde wurde der Tag dann aber doch recht lang, und während man dem Höhenprofil im Buch durchaus einige Hügel entnehmen konnte, so war das Auf und Ab doch irgendwie intensiver als wir erwartet hatten (oder wir waren schon müde wegen den Zusatz-Hügeln am Morgen).
Irgendwann kamen wir aber doch durch das Dorf Bodega Bay und nur wenige Kilometer danach wies ein Schild auf den Bodega Dunes State Park hin (82.59 km, 6:27 Stunden). Wie alle Hiker/Biker Sites in letzter Zeit kostete auch hier das Zelten für Ciclistas $ 5 pro Person. Unpraktisch war aber der sandige Boden, kombiniert mit Wind, und nicht alle unserer Heringe hätten einer plötzlichen Böe standgehalten. Mehr als über die Heringe waren wir allerdings über die Äste besorgt, die über unserem Zelt gierten und knarrten. Auch in diesem Park waren wieder einmal die Folgen der Wirtschaftskriese zu sehen. In den Klos gab es zwar noch jene Blechboxen für Papiertücher (zum Hände trocknen), die waren jedoch leer und hatten einen Hinweis draufgeklebt, dass wegen staatsweiten Budgekürzungen keine Papiertücher mehr zur Verfügung gestellt werden können. Interessanterweise waren dafür die heissen Duschen gratis, was wir natürlich gnadenlos ausnutzten.
Yep, Kalifornien muss sparen.
Es ist uns schliesslich kein einziger Ast auf den Kopf gefallen und es hat uns immer noch kein Waschbär ein Loch in die Schlafmatten gebissen. Ausserdem war der nächste Morgen nicht so arschkalt, der Start darum bedeutend einfacher. Die ersten rund 16 km bis Jenner waren verhältnismässig flach, dann stellte sich uns wieder ein höherer Hügel in den Weg. Das Positive daran war, dass wir dort im Windschatten des Berges den Hang hochkrochen und so nicht vom kalten Gegengebläse belästigt wurden, das während unserer Pause seinen Arbeitstag begonnen hatte. Das änderte sich natürlich blitzartig als wir den höchsten Punkt erreichten. Schnell wurde die Abfahrt nur, weil sie eben auch ganz schön steil war. Damit lag die eine lange Steigung zwar hinter uns, die dutzenden kurzen, steilen Flussbetten nagten dann aber auch ganz schön an unserem Durschnittstempo und unseren Nerven. Wir wussten, dass auf Mittwoch Regen angesagt war und die graue Wolkendecke machte klar, dass evtl. auch schon der Dienstag Nachmittag/Abend feucht werden könnte. Solange wir unterwegs waren, tropfte es auch ein paar Mal, so richtig zu regnen begann es jedoch nicht. Und: Für einmal hatten wir Rückenwind. Und diesmal nicht nur so ein schwaches Windli, dass man nur bemerkt, wenn man ein Tüchlein in die Luft hält, sondern einen ausgewachsenen Wind, der uns spürbar vorwärts schob.
Somit erreichten wir den Gualala Point Regional Park schon um 16 Uhr (76.85 km in 5:25 Stunden). Beim Eingang stand nichts von Hiker/Biker und für eine reguläre Site wurden $ 28 verlangt. Hä, wie bitte??? Da aber auch stand, ein Ranger würde vorbeikommen und einziehen, entschlossen wir uns, es daraufan kommen zu lassen. Im Park selber fanden wir dann aber Info zu Hiker/Biker und die dort erwähnten $ 5 tönten schon massiv besser. Auch dieser Park befand sich im Wald, teilweise mit grossen Redwoods oder auch kleineren, vielstämmigen Bäumen. Unter diesen eher buschartigen Bäumen waren auch die Velosites platziert, leider stellte sich heraus, dass diese Bäume viel regendurchlässiger waren als die Redwoods und am späteren Nachmittag begann es so zu pissen, dass wir zum Abendessen ins Duschhaus flohen.
Es regnete auch fast die ganze Nacht hindurch und auch am Morgen goss es fröhlich weiter. Die Aussicht auf zusammenpacken im Regen ödete uns extrem an. Das Zelt pflutschnass, die Schlafsäcke ziemlich feucht und überhaupt und sowieso. So schliefen wir eben aus und krochen erst etwa um halb zehn während einer Regenpause aus dem Zelt. Interessanterweise entdeckten wir vor dem Innenzelt Fussspuren auf dem Footprint, sprich irgend so ein Vieh, vermutlich ja ein Racoon, war in unserem Zelt herumspaziert, hat aber offensichtlich kein Futter gefunden (weil das alles in der Holzbox eingeschlossen war). Der Fund machte aber klar, dass die Typen in Zelte eindringen können ohne, dass Leichtschläfer wie Martina dies bemerken. Da es trocken blieb, gingen wir zu Fuss nach Gualala um einzukaufen und es uns in einem Café bequem zu machen. Drinnen zu sitzen und dem Regen draussen zuzuschauen ist schon viel spassiger als im engen, kalten Zelt zu hocken und zu hoffen, irgendwann wieder raus zu können ohne nass zu werden.
Buschiger Wald.
Fremder Fussabdruck im Zelt.
Irgendwann mussten wir aber natürlich zurück und schafften das sogar ohne weitere Schauer. Den ganzen Abend über war alles ok und wir freuten uns schon über ein annähernd trockenes Zelt als es urplötzlich wieder wie aus allen Kübeln goss. Immerhin nur kurz, dann waren wieder Mond und Sterne zu sehen. In der Nacht hatten wir diesbezüglich Ruhe, Martina weckte mich aber kurz vor 2 Uhr und deutete auf die Waschbären, die vor unserer Holzbox sassen, mit irgendeinem Papier am Boden und mit essen beschäftigt waren. Die Tür des Kastens war aber immer noch verschlossen (mit Vorhängeschloss), so waren wir nicht übermässig besorgt. Da ich aber eh kurz rausmussste, ging ich gleich nachschauen, wie es im Innern des Futterschrankes aussah. Nicht witzig. Wegen einer abgebrochenen Ecke war die Tür mit feinem Drahtgitter geflickt worden, das die Viecher jedoch kurzerhand zur Seite gebogen hatten. Insgesamt hatten sie zwei Säcke von Martinas Snacks ausgeräumt und ein 500 gr-Pack Teigwaren zerrupft. Von den Hörnlis waren einige am Waldboden verteilt, der Rest aber noch zu retten, die Snacks, die offensichtlich besser schmecken, waren ratzebutze weg. Die Waschbären waren auch nicht besonders scheu, klar verzogen sie sich ein paar Meter, als ich rauskam, aber sonderlich weit flohen sie nicht. Etwa eine Stunde später hörten wir recht lautes knacksen und knirschen und guckten wieder raus, um die die Situation zu checken. Da waren die drei Typen aber gemütlich am restliche Pasta vom Boden pflücken. Ich hoffte, dass ich unser Zeug weit genug vom Loch weggeräumt hatte, so dass es von aussen nicht mehr erreichbar war.
Sausieche, das isch oise Food!
Ja, hatte ich, am Morgen fehlte nichts zusätzlich. Das fanden wir aber erst mit etwas Verspätung heraus, da es ziemlich genau um 6.30 Uhr wieder zu regnen begann. Was wir so widerlich fanden, dass wir gleich eine Stunde länger liegen blieben. So mussten wir zwar alles feucht bis triefend nass zusammenpacken, später kam aber doch die Sonne raus und es wir wurden nicht weiter verpisst. Der Tag war nicht weiter speziell, es ging auf und ab, teilweise auch recht steil, sonst passierte nicht viel, selbstverständlich war es aber kalt und windig. Wir hatten geplant, im Manchester State Beach Park zu campen, fanden in Manchester (35.39 km, 2:48 Stunden) aber heraus, dass der geschlossen war. Blöd. Die nette Pöstlerin, die uns das mitteilte, war aber auch bei Warmshowers und lud uns kurzerhand zu sich ein. Da sie gute 20 Meilen weiter nördlich wohnte, war klar, dass wir da nicht mehr hinradeln konnten. Sie hatte aber ein grosses Auto und so gelang es uns, all unser Zeug inklusive Velos einzuladen. Da sie aber erst um 17 Uhr Arbeitsschluss hatte, hängten wir neben dem Postbüro in der Sonne herum, trockneten unsere Sachen und trafen zwei weitere Toureros, die zur Abwechslung einmal sehr gesprächig waren und sich lange mit uns unterhielten.
Auch unsere Warmshowers Host Lady war eine sehr interessante Person. Sie leitet eine kleine, private Feuerwehrstation, d.h. konkret, sie hat ein Feuerwehrauto in ihrer Garage. Ihr Vater hatte vor langer Zeit die Non-Profit-Organisation gegründet, die inzwischen aber auch mit Steuergeldern finanziert wird und Teil des offiziellen Feuerwehr-Netzes der Küste ist. Die Feuerwehrleute sind alles Freiwillige, Geld gibt es keines, dafür ab und zu Ausrüstung, die behalten werden kann, und ein jährliches Dankeschön-Essen. Diese Organisation der halbprivaten Milizfeuerwehr sei gar nicht so selten in abgelegenen Regionen und kleinen Dörfern. Und die Sache scheint gut zu funktionieren.
Wir hatten diesmal aber kein luxuriöses, warmes Zimmer, sondern die Wahl zwischen campen und in der Garage schlafen. Die Wiese wäre zwar zum zelten gut geeignet gewesen, auf Gras wird aber immer alles sehr nass, so entschieden wir uns für die Garage, die trocken aber kalt war. Morgens um 8 Uhr hatten wir gerade mal 5 °C, was es uns schwer machte, aus den Schlafsäcker rauszukriechen. Judy, die frei hatte, brachte uns aber eine Thermoskanne mit heissem Kaffee und plauderte eine Weile mit uns. So war es dann schon 10 Uhr bis wir wieder auf den Bicis sassen und noch immer war es schweinekalt. Gross anders als tags zuvor war es nicht, immer wieder führte die Strasse in ein Flussbett hinunter, wo wir wieder rauskrabbeln mussten. Und um 11 Uhr trafen wir wieder unseren treuen Lieblingsfeind, den Nordwind. Nicht superstark, aber lästig und kalt.
Wir schafften nur 42.9 km (in 3:03 Stunden), was aber durch die erschwindelte Distanz im Auto am Abend zuvor wettgemacht wurde. Im MacKerricher Beach SP ware die Hiker/Biker Site, wie in den meisten Campgrounds, etwas eine Abschaum-Site mit kaum ebenem Boden und Dauerschatten. Dazu waren die Duschen/Klos abgeschlossen und wir mussten erst jemanden auftreiben um aufzumachen. Ausser uns waren nur ganz wenige Leute da, was vielleicht etwas zu der komischen Atmosphäre beitrug. Die erste Person, mit der ich mich unterhielt, stellte sich aber als äusserst bemerkenswert heraus. Patty war ehemalige Hürdenspringerin, US Meisterin und Rekordhalterin und Teilnehmerin der Olympischen Spielen '68 in Mexiko City und '72 in München. Da sie von unserem Unternehmen genauso fasziniert war, wie wir von ihr, lud sie uns zu einem Glas Wein ein. Aus dem wurde dann kältebedingt eine heisse Schokolade, bzw. Tee, das grosse Feuer, das ihr Mann Bob gebaut hatte, half aber auch ganz schön kräftig. Wir hatten vom Camp Host (meistens Pensionäre, die dort gratis wohnen, beim Putzen und Unterhalt helfen und für Infos und allfällige Hilfe zuständig sind) einen Sack Feuerholz erhalten als "Entschädigung" für die verschlossenen Duschen, so wir hatten immerhin einen Haufen Holz beitragen können.
Dank sehr spannender Unterhaltung, gingen wir "spät", sprich 22 Uhr ins Bett, da wir am Morgen früh weiterfahren wollten. Patty's frühmorgendliche Einladung zum Kaffee konnten/wollten wir aber nicht ablehnen und aus der kurzen Verzögerung wurde ein sehr später Start. Aber in dem kleinen VW Bus war es so gemütlich und draussen so ungemütlich, wer würde da raus wollen? Da man aber um 12 Uhr auschecken muss, und auch Patty und Bob weiterwollten, war das dann der Auslöser, der uns einen Tritt in den Ar.... gab. Wir bereuten es aber überhaupt nicht, hier kurzerhand einen halben Tag "verhängt" zu haben, so nette und interessante Leute trifft man nicht überall, und Leute zu treffen ist immerhin eines der erklärten Ziele der Reise. Das Unglaublichste an diesen beiden war, dass sie, wohl aus Mitleid mit uns frierenden Chicas, uns kurzerhand 100 Dollar für ein Hotelzimmer geschenkt hatten!! Wir waren ganz schön platt und sind entschlossen, dieses Geld eines verpissten, miesen Tages gut zu investieren und unseren Sponsoren zu gedenken. Patty and Bob, thank you so much for your kindness and help, your incredible. Patty, I think I found that movie of the '68 Olympics.
Dass man an nur einem Nachmittag nicht mehr allzuweit kommt, ist klar. Dazu kam, dass ein relativ hoher (2'000 feet) Hügel anstand und so eigentlich nur der etwa 15 Meilen weit entfernte Westport State Beach Park blieb, was die Steigung auf den nächsten Tag verschob. Der Tag war wunderschön, kein Wind, es war warm und das Meer leuchtete türkisblau. Natürlich ging es konstant auf und ab, was aber ohne Gegenwind überhaupt nicht tragisch war. Wir kamen um 15 Uhr beim Westport Beach an (26.48 km, 1:55 Stunden) und fanden zu unserer Freude heraus, dass Biker dort nur $ 3 bezahlen müssen und sich eine Tent Site aussuchen können. Es gab auch keine Bäume, d.h. wir hatten zur Abwechslung einmal einen sonnigen Platz. Wunderbar. So sass ich also nichtsahnend am Tisch und schrieb in der Sonne Tagebuch, als ich aus der Richtung meines Velos plötzlich ein Peng! Pfschschscht! hörte. What the Fuck??? Dass da irgendwie ein Platten involviert war, war offensichtlich. Eine nähere Untersuchung des Mantels ergab aber nicht in erster Linie ein Loch im Schlauch sondern einen geplatzten Reifen. Explodiert, einfach so!!!
Gar nicht gut.
Das war nun natürlich nicht so praktisch. Wir befanden uns da ziemlich im Nirwana, nicht mal Westport wäre so richtig in Laufdistanz gewesen. Mit Hilfe des freundlichen Camp Hosts fand ich heraus, dass es in Fort Bragg, dem nächsten grösseren Ort, einen Veloladen gab, der aber, da gerade Samstag, tags darauf geschlossen sein würde. In Mendocino, nochmals etwa ein dutzend Meilen weiter, gab es ein Kanu- und Velovereih, der auch Radkomponenten verkauft und am Sonntag offen ist. Aber wie da hin kommen? Busse gibt es nur südlich von Fort Bragg, blieb also Hitchhiken. Das musste aber logischerweise bis Sonntag warten, am späteren Nachmittag eine Hitch-Tour zu unternehmen ist nicht erfolgversprechend. Der Reifen, der da so plötzlich seinen Geist aufgegeben hat, war übrigens nicht ein Schwalbe Mantel, sondern jener günstiger Ersatz, den ich in Guatemala gekauft hatte. Die etwa 5'500 bis 6'000 km haben Michelin hier offensichtlich überfordert.
Am Sonntag stellten wir uns dann gegen Mittag an die Strasse und hielten den Daumen raus. Viel Verkehr herrschte nicht, natürlich einerseits weil eben Sonntag war, andererseits vielleicht ach wegen dem schlechten Wetter, das allfällige Ausflügler eben nicht zum Rausgehen motivierte. Was soll man schon im Nebel wollen? Wir hatten trotzdem Glück und mussten nicht allzulange warten, bis uns ein junges Paar mitnahm. Sie war aus Mendocino und kannte den Laden, zu dem wir wollten, so blieb schon mal eine Sucherei erspart. Im Auto geht sowas bekanntlich zügig und nach etwa einer halben Stunde hatten wir den Big River überquert und gleich dahinter befand sich "Catch a Canoe", der Kanu- und Fahrradverleih, wo ich hoffte, einen neuen Reifen zu finden. Ich hatte vom Campground aus angerufen und erfahren, dass sie keine wirklich breiten Strassenreifen in der gesuchten Grösse hatten, ich also die Wahl zwischen Mountainbike- und schmalen Strassenmänteln hatte. So war das denn auch und nach einer Weile durch das Sortiment graben, fiel die Wahl auf einen 1.25 Inch Strassenreifen. Rick, der Inhaber des Ladens fand unsere Reise cool und gab mir das Teil und zwei neue Schläuche zu einem sehr guten Preis ab. Vielen Dank! Als ich die Sachen motierte, begutachtete ich das Loch noch von der Innenseite her. Der Reifen sah aus, als hatte er eine tiefe Schürfwunde, der Schlauch hatte ein Reisenloch, das aussah wie ein Explosionskrater. Dazwischen hatte ich ja ein spezielles Schutzband liegen gehabt, das sich auch noch brav und unversehrt dort befand, der explodierende Reifen hatte sich trotzdem regelrecht ein Stück aus dem Schlauch herausgebissen. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat, ohne das Schutzband auch nur anzukratzen.
Schutzband hat total versagt.
Rick war, wie schon ein Ranger beim Campground, besorgt, als er hörte, dass wir zum Zeltplatz zurückhitchen wollten. Er machte einige Telefonanrufe, fand aber niemanden, der uns nach Westport mitnehmen konnte. So bot er uns kurzerhand an, uns nach seinem Arbeitsschluss um 16 Uhr selber hinzufahren. Wieder einmal waren wir platt ab der Hilfsbereitschaft fremder Leute und nahmen das Angebot dankend an. So kamen wir zu einem Rücktransport und unser nette Helfer zur Gelegenheit, unsere Velos zu inspizieren. Die scheinen auf Fachleute hier eine spezielle Anziehungskraft auszuüben. Falls also jemand auf dieser Strecke einen Veloladen braucht, im Catch a Canoe gleich südlich von Mendocino arbeiten sehr nette Leute, die Touring Cyclists gerne helfen.
Nach diesemerfolgreichen Ausflug und mit einem neuen, wenn auch sehr schmalen, Reifen amVelo waren wir bereit zur Weiterfahrt. Auf uns wartete der höchste Hügel dergesamten Pacific Coast Bike Route, sage und schreibe 1950 Fuss, sprich 594 mhoch! Wow, da waren wir natürlich angemessen beeidruckt, vor allem, da davornoch ein weiteres Hügeli stand, so quasi zum aufwärmen. Obwohl der Morgentrotzt Nebel nicht so extrem kalt gewesen war, war aufwärmen wie immer willkommen.Freundlicherweise lag der Nebel auch nicht mehr unmittelbar auf dem Boden, sodass man zumindest sein direktes Umfeld erkennen konnte. Logischerweise fuhren wirjedoch in die graue Suppe hinauf, was im Wald wie so oft gar nicht so schlechtaussah. Die Abfahrt war dann aber unangenehm kalt und auch die Pause imnächsten Tal führte fast zu Schüttelfrost-Anfällen. Nach ein paar relativ flachenKilometern begann dann aber jene ach so krasse Steigung und uns wurde baldwieder warm. Dieser zweite Hügel war nicht mehr so steil und für eine längereAuffahrt so richtig angenehm. Wir hatten auch bald blauen Himmel, sonnig war esaber nicht, wir befanden uns immerhin in dichtem Wald. Da solche Bergfahrtenbekanntlich zu Hunger führen, setzten wir uns nach ein paar Stunden auf einen sonnigenFlecken neben der Strasse und genossen unsere Tortillas mit Bohnen und Tomaten.Kurz nachdem wir weitergefahren waren, stellten wir fest, dass wir eigentlichschon auf dem „Gipfel“ waren und endlich konnten wir durch ein Loch in denBäumen hinaussehen. Was wir da erspähten, war nicht überraschend: Wald.
Wald, soweit das Auge reicht.
South Fork Eel River.
Die Abfahrtwar dann, wie immer natürlich, viel zu kurz. In diesem Fall war sie abertatsächlich nur etwa halb so lang wie der Aufstieg, dann hatten wir schon denSouth Fork Eel River erreicht, erkletterten ein kurzes Hügeli und fuhren dannam kleinen Dorf Legget vorbei und bogen auf den vielbefahrenen Highway/Freeway101 ein. Kurz darauf kamen wir beim Standish-Hickey State Recreation Area an, wowir eine grosszügige Hiker/Biker Site und warme Duschen fanden (43.31 km, 3:44Stunden).Wieder einsaukalter Morgen. So um die 0 bis 5°C, wie meistens, was nicht mehr alsangenehme Radeltemperatur gelten kann. Ganz speziell intensiv empfinden dasjeweils Zehen und Finger, die oft stundenlang kalt bleiben. Die paarläppischen Wellen im Boden wärmten nicht wirklich auf, der Kaffee, den wir bei einerTankstelle auftreiben konnten, war zwar heiss und die Bank stand in der Sonneaber eben auch im Wind, was den Effekt so ziemlich zunichte machte. DieLandschaft war schön wenn die Strasse dem Eel River entlang führte, der mit denbewaldeten Hügel ringsum so ganz klischeehaft nach Nordamerika aussah. InGarberville, einer kleineren Stadt, nutzten wir das Vorhandensein eines grossenSupermercados und stockten Futter auf. Als wir aber am späteren Vormittag in die Avenue of theGiants einbogen, wurde es so richtig interessant. Wie der Name der Strassevermuten lässt, leben da extrem grosse Wesen, Bäume in diesem Fall. Die sind sorichtig unglaublich hoch und dick und haben eine Ausstrahlung, die nur schwerzu beschreiben ist. Und wenn man sie da im Wald stehen sieht, fällt gar nichtwirklich auf, wie riesig sie sind, weil eben fast alle so sind. Aber Bäume, die fast so dick sind wie ein Auto lang ist, sind ganz einfach verdammt fett. Und gemässInfoblatt werden sie bis zu 2‘000 Jahre alt. Kaum zu glauben, dass man esgeschafft hat, einige dieser monströs grossen Pflanzen nicht zu fällen. Wirfragten uns, was wohl die Typen der Holzindustrie gedacht haben, als sie dieseBäume zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatten. Vermutlich dasselbe wie die Walmörder, alssie die Lagunen in Mexiko entdeckt hatten: Eine Goldgrube. Offenbar hatte aberirgend ein Genie die Idee, dass man nicht alle dieser alten Giganten töten soll und sostehen sie immer noch dort und Touris wie wir trauen ihren Augen kaum.
Sie sind unglaublich gross!
Unsernächste Zeltplatz, der Burlington Campground im Humbolt Redwood SP (74,73 km in5:04 Stunden), befand sich selbstverständlich auch in den Redwoods. Nicht ineinem Teil mit richtig alten Bäumen, schattig und kalt war es trotzdem. Aberauch als Biker durften wir uns irgend eine Site aussuchen und mussten trotzdemnur $ 5 pro Person bezahlen. Sehr sympatisch. Der darauffolgende Morgen wurdewieder kalt und ungemütlich, als wir wieder zwischen solchen unglaublichen, jaehrfurcht gebietenden Bäumen hindurch pedalten, konnten wir aber nicht anders alsnochmals zu stoppen und Fotoshootings zu veranstalten.
Sehr grosser Baum...
...der war mal noch viel grösser gewesen.
Nachetlichen Kilometern durch dichte Redwood-Wälder war Schluss mit Giants und wir musstenwieder auf den 101. Dort gab es zwar einen Seitenstreifen, der immerwährendelaute Verkehr war aber trotzdem mühsam. Immerhin war es dort sonnig und somitetwas weniger kalt. Dafür auch nicht mehr spannend. Ab und zu mal ein mickrigesHügeli, sonst gab es nichts mehr zu sehen, nicht mal mehr den Eel River, deruns in den letzten Tagen begleitet hatte. Und selbstverständlich war es windig.Wie immer aus dem Norden/Nordwesten und wie immer kalt. Das Ziel des Tageswar ein privater (und darum teurer) Campground nördlich der Stadt Eureka.Wenige Kilometer vor Eureka überholte uns aber ein lokaler Velofahrer, der kurzdarauf anhielt, auf uns wartete und uns zu sich nach Hause einlud. Wer würde soetwas schon ausschlagen? Bestimmt nicht jemand, der nicht die geringste Lusthat, einen weiteren Abend frierend auf einem Zeltplatz zu verbringen. Alsofolgten wir Jay und landeten in einem hübschen Haus mit kleinem Garten undseparaten Gästezimmer (75.52 km, 4:47 Stunden). Das Zelt legten wir in dieSonne und die Schlafsäcke kriegten sogar eine kurze Behandlung im Tumbler.Danach waren sie so aufgeplustert, dass wir sie kaum mehr erkannten. Jay hatteauch Familie, seine Frau Sonny und zwei Kinder im Alter von sieben und achtJahren. Der Jüngere, August, war so scheu, dass er in unserer Anwesenheit keinWort herausbrachte.Auf einmega feines Abendessen folgte eine gemütliche Nacht und ein ebenso gutesFrühstück. Dann setzten wir uns wieder in die Sättel und waren glücklich überdie Abwesenheit des Windes. Jay and Family, thank you so much for allyour kindness and hospitality. It was great meeting you and enjoying anunexpected dinner and warm night in a house! Nach rund 15 km hatten wir Arcata erreicht, die nächst grössere Stadt,wo nochmals Futterbeschaffung angesagt war. Und wir brauchten Benzin zumkochen. Als wir das letzte Mal in einem Ace Hardware Store gefragt hatten,hatten die kein White Gas gehabt. Hier schon. Eine Galone. Das sind fast vierLiter! Wir entschieden uns aber, das zu kaufen, die kleineren Behälter, die esallenfalls sonst irgendwo gibt, kosten nicht viel weniger, obwohl nur etwa einViertel der Menge drin ist. Ich schaffte es sogar, die Galone in einerVordertasche zu verstauen.Viel mehr Aufregendes passierte nicht mehr. Wir fuhren wieder Freeway bis die Schildereine Umfahrung für Velos anordneten und wir einige Kilometer durchLandwirtschaftsland geschickt wurden. Dann ging es zurück auf den FWY, dann gabes wieder ein kurzes Umwegli und wieder zurück auf den 101. Bis wir auf denScenic Drive abbogen, der Teil des alten HWY 1 ist, unmittelbar an der Küsteentlang führt und recht spektakuläre Aussicht bietet. Verkehr gab es da nurwenig und ab und zu sogar ein Abschnitt mit Kies. Das Strässli war schmal undkurvig, ziemlich genau so, wie es Spass machte.
Hübsche Küste Nr. 3.
Wir fandendann ohne Probleme das Haus unserer WS in Trinidad. Die Lady war noch bei derArbeit, wie versprochen war aber das Garagetor offen und so konnten wir insHaus „einsteigen“. Wir checkten telefonisch bei Carol ein, machten es unsbequem und genossen die zweite Dusche in zwei Tagen. Nur nicht übertreiben. AmAbend kam dann unsere sehr nette Gastgeberin, die schon viele Ciclistas undandere Reisende gehostet hat, nach Hause, später kamen noch zwei weitere Leute,die ebenfalls zwei Nächte bleiben werden. Cool, das ist schon fast Party hier.