Samuel Beckett
Nach all dem täglichen Mist, ist es wieder an der Zeit den Herrgottswinkel aufzusuchen und die nächste Ikone zu plazieren.
Sam Beckett, ja der der auf Godot wartete ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Beckett
aber auch der Widerstandskämpfer, der Alkoholiker, der Depresive,
... der Dichter.
Wenn Wiki augenblicklich (21-06-2011, morgen kann dort was ganz anderes stehen), schreibt:
Heute wird Beckett - trotz gelegentlicher Ehrenrettungen - immer weniger gelesen, zumal seine erzählenden Werke als schwierig gelten, denn sie besitzen in der Regel keine erkennbare Handlung und vermitteln eine Atmosphäre von Sinnleere, Überdruss und Aussichtslosigkeit.
dann wird es wirklich höchste Zeit einen Menschen hier zu plazieren, der für mich Angelpunkt und Sprachrohr darstellt.
Für mich waren die "Bilder" die er geschaffen hat in ihrer Absurdheit immer der Ausdruck "reiner Fiktion" und deshalb faszinierend. Auch wen aktuelle Biographien heute zum Teil erfolgreich versuchen, diese Bilder als gar nicht so abstrakt sondern vielmehr als aus der Biographie entstanden, zu identifizieren, ist Beckett für mich noch immer einer der ganz großen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts.
Schwierig?
Für wen der mitunter Vaudeville-artige Roman "Murphy" (34-37) schwierig ist, dem bereitet wohl auch Chaplins Frühwerk Kopfzerbrechen und wen die Kargheit des Spätwerks schreckt, der hat nur Angst vor dem Wesentlichen.
Sinnleere, Überdruss und Aussichtslosigkeit?
Hallo, das ist das 21. Jahrhundert und vor 2600 Jahren hat das ein dicklicher, indischer Prinz schon gepredigt (http://de.wikipedia.org/wiki/Buddhismus ), also wie lange kann man den auf der Leitung stehen?
Aber ernsthaft. Der konsequente Weg von sprudelnder Wortakrobatik im Geiste eines James Joyce zur absoluten Reduktion "auf das Wesentliche" demaskierte dieses "Wesentliche" als hohl und erbärmlich.
Wie sehr dies bewußt geschah, zeigen Aussagen wie Beckets Antwort auf die immer wieder gestellte Frage, was er denn mit "Warten auf Godot" sagen hätte wollen:
Gäbe es eine andere Form das Auszudrücken, hätte ich sie ja gewählt und nicht dieses Stück geschrieben.
Wenn man die Dokumentation seiner Regiearbeit an "Godot" in Deutschland sieht (München? wann?), ging es ihm überhaupt mehr um die Melodie der Sprache als um deren vorgeblichen Inhalt, den zu mißtrauen er offenbar gelernt hat.
"Godot" ist überhaupt so eine Wasserscheide;
die noch durch Slapstick aufgelockertem aber bereits auf höchste Kargheit reduzierten Szenen mit den Landstreichern gemahnen an das Spätwerk, während die Wortkaskaden im Monolog des "Lucky" noch die Sprachfülle und- beherrschung des Intellektuellen und Sprachlehrers erkennen lassen, der "Murphy" geschrieben hat.
Für mich ist Beckett der Prototyp des Künstlers, der sich zwar aller Facetten seiner Kunst mühelos bedienen kann, jedoch genau dadurch zunehmend auf diese Tricks verzichtet, um zu immer höherer Verdichtung zu kommen.
Dadurch erinnert er an Shakespeare/Prospero, der am Ende des "Sturms" seinen Fähigkeiten abschwört und sich bis zu seinem Lebensende als "einfacher Mensch" (nach Strattford) zurückzieht. Ich denke, dass diese Sehnsucht für viele, "nicht so einfachen Menschen" nachvollziehbar sein sollte.
Für wen das inhaltslos ist, der ist eben irgendwo am Wege ausgestiegen und ist nie bis zu diesen Problemen vorgedrungen.
Wie hat einmal ein Kritiker über Godot’s Stücke gesagt:
Sie sind wie Idioten, man kann sie mit Cremetorten bewerfen oder mit Kanonen beschiessen, sie gehen ihren Weg."
Wollen wir es hoffen, dass das auch für Beckets Gesamtwerk Geltung hat; dass seinen Fragen nicht mehr aktuell wären, das kann doch wirklich nicht sein, und dass jemand bessere Antworten darauf gefunden hätte, wäre mir auch entgangen.