Der Streit scheint absurd: Apple geht gegen Samsung vor, seinen vermutlich wichtigsten Zulieferer, dessen wichtigster Kunde wiederum Apple ist. Mit Klagen und einstweiligen Verfügungen versucht Apple, dem koreanischen Konzern in mehreren Ländern den Verkauf seines Flachrechners Galaxy Tab 10.1 verbieten zu lassen. Mal wird mit Patentverstößen argumentiert, mal damit, das Gerät sähe dem iPad 2 zu ähnlich. Jetzt kontert Samsung mit dem modifizierten Galaxy Tab 10.1N - und Apple schießt erneut zurück: Vor dem Landgericht Düsseldorf hat Apple eine weitere einstweilige Verfügung beantragt, die auch den Verkauf des modifizierten Galaxy Tab 10.1N untersagen soll. Eine Anhörung zu dem Antrag ist für den 22. Dezember angesetzt.
Apple und Samsung stehen sich laut "Korea Times" in mindestens 23 Verfahren weltweit gegenüber. In Deutschland hat der Streit für Aufsehen gesorgt, als Apple sich vor dem Landgericht Düsseldorf gegen Samsung durchsetzen und eine einstweilige Verfügung erwirken konnte. Die verbietet es den Koreanern, das Galaxy Tab 10.1 in Deutschland zu vermarkten. Das Gericht begründete dies mit einem "übereinstimmenden Gesamteindruck" zwischen den Apple- und den Samsung-Produkten.
Samsung legte zwar Berufung gegen den Richterspruch ein, wollte sich das lukrative Weihnachtsgeschäft - Tablets sind dieses Jahr der Renner - aber offensichtlich nicht länger vermiesen lassen. Nun bietet Samsung in Deutschland sein Galaxy Tab in einer Spezialversion an: Das Modell 10.1N unterscheidet sich einem Samsung-Sprecher zufolge durch die Rahmenform und die Position der eingebauten Lautsprecher von der international verkauften Version - diese Merkmale sind Gegenstand des seit April schwelenden Rechtsstreits mit Apple.
Im direkten Vergleich mit dem ursprünglichen Galaxy Tab 10.1, wie es beispielsweise auf der Google-Entwicklerkonferenz Google I/O verteilt wurde, fällt auf: Es sind genau die beiden Änderungen zu erkennen, die Samsung als maßgeblich hervorhebt, um sein Gerät vom iPad 2 abzuheben - mehr aber auch nicht.
Der Aluminiumrahmen wurde seitlich einige Millimeter weit nach vorne gezogen - und mit ihm die zuvor seitlich montierten Lautsprecher. Das Ganze erinnert an einen Plattfisch, dessen Augen im Laufe der Evolution auf dieselbe Seite gewandert sind - das Galaxy sieht aber viel besser aus als ein Plattfisch.
Unter der minimal modifizierten Außenhülle hat sich dagegen nichts getan. Ein 1-GHz-Dualcore-Prozessor treibt das Tablet so an, dass es zumindest im Test nie zu Aussetzern oder Rucklern kam. Es ist anzunehmen, dass es sich um denselben Tegra-2-Chipsatz handelt wie beim Modell 10.1, auch wenn Samsung dazu nichts sagt.
Der Bildschirm entspricht mit 1280 x 800 Bildpunkten auf 10,1 Zoll Diagonale dem des ersten Modells. Der Arbeitsspeicher ist mit 1 GB gut bestückt. Beim Massenspeicher hat man die Wahl zwischen 16, 32 und 64 Gigabyte. Man kann zwischen einer reinen W-Lan-Version und einem Modell mit zusätzlichem 3G-Mobilfunkmodul wählen. Kontakt mit PC, Ladegerät oder - via optionalem Adapter - Fernseher stellt das Samsung-Tablet über einen Docking-Anschluss her, der dem Dock-Connector des iPads ähnlich sieht.
Bei den Details hat es dann aber doch einige Neuerungen gegeben, so dass man von einem Update sprechen kann: Das Mobilfunkmodul kann jetzt Daten mit bis zu 21 MBit/s empfangen - wenn man ein Netz findet, das diese Geschwindigkeit schafft. Vor allem aber ist auf dem 10.1.N die Android-Version 3.2 installiert, die etliche Verbesserungen gegenüber der auf dem Vorgänger installierten Version 3.01 enthält.
Außerdem hat Samsung eigene Apps vorinstalliert: Zum Beispiel Social Hub, in das man aktuelle Meldungen aus Twitter, Facebook, LinkedIn und von E-Mail-Konten gebündelt einlaufen lassen kann. Das funktioniert in der App ausgesprochen gut und übersichtlich. Das Widget zeigt dagegen wegen seiner großen Schrift nur sehr wenige Meldungen an.
Im Readers Hub fasst Samsung verschiedene Online-Angebote für Zeitungen, Magazine und Bücher zusammen. Außerdem ist der Music Hub installiert, ein in Kooperation mit 7Digital gestalteter Online-Musikshop. Dessen Angebot zeichnet sich dadurch aus, dass aktuelle Titel mit 1,49 Euro deutlich teurer sind als im iTunes Store oder bei Amazon. Dasselbe gilt auch für einen Teil der Alben.
Im alltäglichen Umgang macht das Galaxy Tab 10.1N Spaß, keine Frage. Es ist leicht, die Kanten sind angenehm abgerundet, man nimmt es gerne mit, wenn man unterwegs ist. Vor allem die Version mit 3G-Modul, mit der sich auch in der U-Bahn ohne Wartezeiten surfen lässt. Der Bildschirm kann mit höherer Auflösung und knackigen Kontrasten aufwarten, glänzt aber viel zu sehr. Trotzdem: YouTube-Videos will man darauf nur noch in HD betrachten.
Bleibt abzuwarten, wie es mit dem für Deutschland angepassten Galaxy Tab weitergeht. Knapp eine Woche nachdem Samsung den Verkaufsbeginn des Galaxy Tab 10.1N bekanntgegeben hat, holte Apple bereits zum neuerlichen Gegenschlag aus. Auch gegen das neue Modell hat Apple eine einstweilige Verfügung beim Düsseldorfer Landgericht beantragt, sagte ein Gerichtssprecher am Mittwoch. Darüber wird am 22. Dezember verhandelt. Bis dahin kann Samsung das modifizierte Modell ungestört Weihnachtseinkäufern anbieten.
Ob die das Angebot annehmen, ist freilich eine andere Frage. Denn Samsungs Preisgestaltung ist ausgesprochen eigenwillig. Während bei den W-Lan-Varianten jeweils 80 Euro Aufpreis für die Varianten mit verdoppeltem Speicher fällig werden, kostet das Upgrade von 16 auf 32 GB bei der 3G-Version 130 Euro. Der Preisunterschied zwischen 32 und 64 GB beträgt dagegen nur 50 Euro.
Ausschlaggebend dürfte am Ende aber sein, dass einzig das größte Modell, mit W-Lan-3G und 64-GB-Speicher, preislich mit dem iPad 2 mithalten kann. Es kostet 799 Euro, also exakt so viel wie das gleichwertige Apple-Tablet. Alle anderen Varianten des Galaxy Tab sind dagegen bis zu 60 Euro teurer als die hinsichtlich Speicherplatz und Netzwerkanbindung vergleichbaren iPad-2-Modelle. Angesichts dieser Unterschiede dürfte es Verkäufern schwerfallen, Argumente zu finden, die zwingend für das Galaxy Tab sprechen.