In seinem einleitenden Beitrag „Der Scheideweg des Laizismus” beschreibt Thomas Hummitzsch zu Recht das Dilemma säkularer Verbände zwischen „positiver und negativer Gleichbehandlung”: Wie sollen sie sich angesichts immenser staatlicher Finanzierungen und sonstiger Privilegien verhalten? Wollen diese Verbände zum Teil nicht bloß einen „Teil vom Kuchen abbekommen?
Hummitzsch schreibt: „…plädieren die Verfechter eines praktischen Humanismus für die Gleichberechtigung im Zuge der Ablösung der historischen Staatsleistungen”. (S. 7)
Was aber nichts anderes heißt, daß hier der Vereinsegoismus des Humanistischen Verbandes (HVD) durchschimmert, der sich immer weniger als Weltanschauungsgemeinschaft betrachtet, daher auch immer weniger den Laizismus im Blick hat, der sich stattdessen immer mehr auf „Geschäftsfelder” konzentriert und deshalb eben vom Staat so alimentiert werden möchte wie die beiden Amtskirchen nebst Caritas und Diakonie.
Der Kulturwissenschaftler Horst Groschopp hat seinen ersten Beitrag überschrieben mit „Laizismus und Kultur”. Der Autor stellt fest, daß es Deutschland nur einen „schwach organisierten Humanismus” gibt und daß dieser sich „zwischen Konfession und Kulturorganisation bewegt”. In seinem Aufsatz konzentriert er sich auf fünf wesentliche Aspekte dieses Themas.
Er beginnt mit Begrifflichem (Laizismus, Weltanschauung) und gibt einen kurzen Überblick über das Entstehen einer vielfältigen humanistischen Bewegung seit Mitte des 19. Jahrhundert. Den zweiten Aspekt beschreibt Groschopp als das „Ende priesterlicher Herrschaftsformen” und leitet über zum dritten: „Kultur und Humanismus”.
Um dieses Problem zu verdeutlichen, gibt der Autor ein Beispiel aus der jüngsten Geschichte:
„Mitte Dezember 2007 verabschiedete der Deutsche Bundestag seine große Kulturenquete. Der Begriff Humanismus kam darin nicht einziges Mal vor, was an sich ein Skandal ist. Ich habe damals als Präsident des HVD dagegen folgenlos protestiert, weil den Kirchen im Kulturbereich neue Fördergelder eröffnet wurden. (…) Daß der HVD wenigstens stellvertretend fast im Minderheitengutachten der LINKEN genannt worden wäre, ist daran gescheitert, daß die zuständige Politikerin im entscheidenden Verhandlungsmoment, den Humanistischen Verband nicht von der Humanistischen Union zu unterscheiden vermochte…” (S. 24)
Bei der von Groschopp nicht namentlich genannten Politikerin handelt es sich um die vielfach überschätzte Luc Jochimsen, die übrigens vor einigen Jahren wieder in die evangelische Kirche eingetreten ist und die in Thüringen eine Veranstaltungsreihe „Kultur neu denken” promotet. Allerdings kommen hier keine Säkularen zu Wort, sondern primär Theologen und, politisch korrekt, Vertreter des Judentums und des Islam…
Der Autor beschreibt hier auch den Unterschied des HVD zu den Freidenkern: „Die neue Losung[des HVD; SRK] lautete: Trennung von Kirche und Staat auf dem Wege der Gleichberechtigung.”(S. 24)
Aber, ist das nicht etwa Laizismus? Zu fragen ist da doch nur, was man unter Gleichberechtigung zu verstehen hat oder verstehen will.
Informativ, trotz aller Knappheit, ist der vierte Aspekt „Historisches zur öffentlichen Kulturförderung” dargestellt. Als Stichwort sei hier nur das von der Adenauer-Regierung zur Staatsdoktrin erhobene „Subsidiaritätsprinzip” genannt:
„In dem Maße, wie die Argumente der ‚Daseinsvorsorge‘ an Einfluß verloren und die Konkurrenz unter den Kulturanbietern, die öffentliches Geld beziehen, zunahm, drangen die beiden christlichen Kirchen in die Regelkreise der öffentlichen Kulturförderung ein – allerdings mit dem Platzvorteil der Privilegierung als ‚Religionsgesellschaften‘.” (S. 30)
Lt. Groschopp nutzen die privilegierten Kirchen die Kultur als Element der Missionierung; und er stellt in dem Zusammenhang drei wichtige Fragen: „Es ergibt sich (…) die Frage nach der Zukunft der (historisch bedingten) Privilegierung von Kult- gegenüber Kultureinrichtungen. (…) Was unterscheidet die Inszenierung eines Kirchentages von einem Popfestival, einen Gottesdienst von einem Ritual auf einer anderen Bühne? Wer bekommt wie viel für was?” (S. 31)
Nicht zustimmen kann der Rezensent jedoch dem von Groschopp gezogenen Fazit, daß der„Begriff des Laizismus unnötig (ist) bei der Analyse der Kultursituation, in der sich Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften befinden”. (S. 32) Zumal der ansonsten von ihm überaus geschätzte Autor hierfür keine plausible Begründung liefert.
Auf der HAB-Konferenz stellte der Jurist und Philosoph Thomas Heinrichs „Überlegungen zum Verhältnis von Politik/Weltanschauung und Politik” an: „So wenig wie möglich und so viel wie nötig”.
Heinrichs arbeitet zunächst heraus, daß Religionen stets politisch sind und in menschlichen klassengespaltenen Gesellschaften in erster Linie ein „wesentlicher Legitimationspfeiler von Herrschaft” sind. Wenn er aber von Staat spricht, so sollte er aber dennoch differenzieren zwischen Monarchien „von Gottes Gnaden” und demokratischen Republiken („Alle Macht geht vom Volke aus.”). Wobei, auch bürgerliche Staaten kommen nicht immer ohne Gottesbezüge aus (siehe Grundgesetz und diverse Landesverfassungen hierzulande). Insofern beklagt der Autor zu Recht das Fehlen eines „Religionsgesetzbuches” in Deutschland.
Bezugnehmend auf die über Art. 140 GG inkorporierten Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung, listet der Jurist eine ganze Reihe von verfassungswidrigen Zuständen in Bezug auf die Trennung von Staat und Kirche auf. Wie z.B. den Einzug der „Kirchensteuer” (einiger privilegierter Kirchen) durch die Arbeitgeber und deren Weiterleitung über die staatlichen Finanzämter an die betreffenden Kirchen.
Heinrichs spricht das Problem deutlich an und aus, wenn er schreibt: „die Einziehung der Mitgliedsbeiträge der Kirchenmitglieder, die sogenannte ‚Kirchensteuer‘.” (S. 42)
Eindeutig verfassungswidrig sind auch die Übertragung des pflichtigen „Lebenskundlichen Unterrichts” für Bundeswehrangehörige und des „Berufsethischen Unterrichts” für Polizeiangehörige durch den Staat an die evangelischen Landeskirchen und die katholische Kirche.
Der Jurist zählt dann eine fast endlose Reihe von einfachgesetzlichen Regelungen auf, durch die der Staat die beiden Großkirchen in jeder Hinsicht privilegiert – gegenüber säkularen Organisationen und auch gegenüber den mehr als 100 weiteren Religionsgemeinschaften in Deutschland.
Nicht zuletzt spricht er das bereits erwähnte Subsidiaritätsprinzip an:
„Neben den speziell (…) erlassenen Regelungen gibt es allgemeine gesetzliche Regelungen, die jedoch faktisch auf die Kirchen ausgerichtet sind und von ihnen in großem Umfang her in Anspruch genommen werden.
Zentral ist hier das Subsidiaritätsprinzip in § 4 Abs 2 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe). Es besagt, daß (…) der Staat nur dann eigene Angebote machen soll, wenn nicht genügend geeignete Angebote von freien Trägern gemacht werden Die ‚freien Träger‘, an die hierbei gedacht ist, sind die Kirchen. Das ergibt sich direkt aus § 75 SGB VIII, durch die die Kirchen als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt werden. (…)
Auch wenn heute im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mehr Anbieter auftreten als früher, besteht in Teilbereichen immer noch ein Monopol der Kirchen. Auch dieser Privilegierung der Kirchen liegt wohl die nirgendwo explizit formulierte [politische; SRK] Grundentscheidung zugrunde, daß die Kirchen für die moralische Erziehung der Kinder / Jugendlichen zuständig” seien. (S. 48/49)
Dies ist vielleicht die passende Antwort auf die vom HVD (und auch von Horst Groschopp) vertretene „Aufbaustrategie”. Mittels dieser möchte der HVD ja ebenfalls in den umfassenden Genuß von Staatsgeldern kommen und greint, wenn man den Kirchen die staatliche Finanzierung nähme, dann könne man auch keine humanistischen Einrichtungen mehr finanzieren. Aber da werden nun bewußt oder unbewußt die staatliche Finanzierung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften als solche vermengt mit der Finanzierung „Freier Träger” und der von diesen betriebenen Einrichtungen.
Heinrichs stellt schließlich ganz direkt die Frage, ob Demokratie Religion verträgt. Er antwortet darauf u.a.:
„Eine demokratische Gesellschaft (…) bedarf keiner transzendenten Legitimation und daher auch keiner Religion. Eine ganz andere Frage ist es, ob der einzelne Bürger einen Bedarf nach Religion / Weltanschauung hat. (…) Erst wenn Religionen und dogmatische Weltanschauungen ihren immanenten Anspruch nach ihren Grundsätzen zu gestalten, aufgeben, ist überhaupt Demokratie möglich. Die Entpolitisierung der Religion ist daher die Grundvoraussetzung der Säkularisierung und die Säkularisierung Grundvoraussetzung einer Demokratisierung des Politischen.” (S. 53)
Abschließend unterbreitet er konkrete dringend notwendige Reformvorschläge für die endliche Realisierung des Verfassungsgebotes der Trennung von Staat und Kirche.
Heinrichs‘ Ausführungen finden Ergänzung durch einen Aufsatz von Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dieser geht auf verfassungsrechtliche Probleme mit der Gottesklausel im Grundgesetz ein. Konkret beleuchtet er das am Beispiel des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes. Hier ließ am 3. Oktober 2010 der Präsident des Gerichts, ein gläubiger Katholik, an prominenter Stelle im Gebäude ein Kreuz anbringen. Deiseroth macht diesbezüglich klar: „Eine strenge Unterscheidung zwischen unabhängiger Rechtsprechung und klerikal-missionarischer Glaubenswerbung ist und bleibt nach dem Grundgesetz unverzichtbar.” (S. 84)
Lobenswert ist, daß der Autor in seinem Beitrag den Begriff Gott stets in Anführungszeichen setzt.
Für den Rezensenten stellte der Beitrag von Ingrid Matthäus-Maier (im Band wurde der Vortragsstil beibehalten) den Höhepunkt auf der Konferenz dar. Die Rednerin stellte dort eine juristische und politische Betrachtung an mit dem Titel „Laizismus in Deutschland?”.
Den Schwerpunkt legte sie dabei auf entsprechende Debatten in der FDP Anfang der 1970er Jahre und auf einen 2010 gegründeten Arbeitskreis „Laizisten in der SPD”. In der Diskussion wurde seinerzeit auch auf gleichzeitig erfolgte laizistische Gründungen in der Partei DIE LINKE (hierzu sprach der Rezensent) und laizistische Bestrebungen innerhalb der Grünen hingewiesen.
In der Frage „Auf- oder Abbaustrategie” widerspricht Ingrid Matthäus-Maier in aller Deutlichkeit der von Horst Groschopp vertretenen „Aufbaustrategie” des HVD und plädiert ihrerseits für einen konsequenten Laizismus.
Sie geht daher auch auf das Problem der Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ein. Hierzu schreibt sie:
„Man kann für oder gegen die sogenannte Aufbaustrategie sein. Ein Weg zur Trennung von Kirche und Staat ist sie jedenfalls nicht. (…) [Die Kirchen; SRK] werden keinesfalls den Zugriff auf Kinder im Kleinkindalter und in der Grundschule aus der Hand geben – zusammen mit der Taufe ist dies[der sogenannte Religionsunterricht; SRK] das Einfallstor für ihre kirchliche Missionierung.” (S. 93)
Dem Herausgeber ist zu danken, daß er dem Beitrag von Ingrid Matthäus-Maier drei wichtige Dokumente angehängt hat: Die „Forderungen der Jungdemokraten zur Trennung von Kirche und Staat” vom 28.01.1973, den FDP-Parteitagsbeschluß „Freie Kirche im Freien Staat” vom 1. Oktober 1974 sowie die „Forderungen” der SPD-Laizisten vom 16. Oktober 2010.
Der zweite Komplex dieses Sammelbandes wird eingeleitet mit einem Aufsatz von Jürgen Hartmann (Jurist und CDU-Politiker) „Das deutsche Staatszeremoniell und seine weltanschaulich-religiöse Pluralität”. Einzuwenden ist schon am Titel, daß eine solche Pluralität in der Bundesrepublik eben nicht gibt!
Wie es sich für einen früheren leitenden Angestellten der Konrad-Adenauer-Stiftung wohl gehören muß, werden in dem Zusammenhang u.a. die Jugendweihe und das Staatszeremoniell der DDR („Bruderkuss”; protokollarische Rangfolgen in der „klassenlosen Gesellschaft” der DDR) denunziert. Hierzu sei nur gesagt, daß sich die DDR niemals als „klassenlos” (auch nicht in ihrer Verfassung) bezeichnet hat, sondern stets auf zwei Klassen (Arbeiter, Genossenschaftsbauern) Bezug nahm.
Durchaus lesenswert sind jedoch die historischen Reminiszenzen (Kaiserreich, Weimarer Republik) und die bundesdeutschen Entwicklungen sowie die diversen Formen des staatlichen Zeremoniells.
Hartmann plädiert ohne Wenn und Aber für Kreuz-Symbole bei Staatsakten und in den Klassenräumen von staatlichen Schulen. Auch das Kommando „Helm ab zum Gebet!” beim Zapfenstreich ist für ihn ein unbedingtes Muß.
Es folgt ein Beitrag des Religionswissenschaftlers Jörg Rüpke „Überlegungen zur öffentlichen Festkultur aus ritualtheoretischer Perspektive”.
In Auseinandersetzung mit Rüpke, und dessen beengter Weltsicht, schreibt Hummitzsch treffend:
„Für den Religionswissenschaftler Jörg Rüpke scheidet der StaStaat aufgrund des Fehlens einer gemeinschaftlichen Weltanschauung als Veranstalter staatlicher Rituale aus. Es könne nicht mehr Aufgabe des Staates sein, Staatsakte mit dem Ziel der gesellschaftlichen Integration zu organisieren. (…) Fragt sich, was aus der öffentlichen Fest- und Zeremonialkultur wird, wenn diese nicht der Staat organisiert? Gibt es bald nur noch kirchlich geprägte Zeremonien…?” (S. 15)
Zugespitzt könnte man auch sagen, für Rüpke und seinesgleichen gibt es keine (mündigen) Staatsbürger mehr, sondern nur noch Gläubige (vereinnahmt von den sogenannten Amtskirchen…).
Insa Eschebach, ebenfalls Religionswissenschaftlerin, geht auf die Totenehrungen (im früheren Frauen-KZ) Ravensbrück ein und wendet sich hier den „Religiösen und nichtreligiösen Sprachen des Gedenkens” zu.
Wie selbstverständlich wird von ihr Kultisches als originär christlich angesehen. Als ob nicht das Kirchenchristentum die Rituale und Festtage anderer antiker Kulturen und Religionen vereinnahmt hätte… Auch Eschebach kann sich Seitenhiebe auf die DDR nicht verkneifen und arbeitet mit falschen Bezeichnungen. Nur ein Beispiel: Die „Kampfgruppen” werden von ihr als „sogenannte Kampftruppen” bezeichnet.
Und wenn sie schreibt, daß „seit den 1990er Jahren auch politische Repräsentanten Deutschlands” in diese Gedächtnisarbeit einbezogen wurden, dann wird mit einer solchen Einseitigkeit die DDR gänzlich ignoriert.
Zur Berliner „Neuen Wache” heißt es bei ihr: „Nach der Umgestaltung der Neuen Wache 1993 weist nun nichts mehr auf die frühere Nutzung” hin. (S. 154)
Ja, wer hat denn umgestaltet und wer hat diese Umgestaltung veranlaßt? Übrigens, das der DDR heutzutage unterstellte einseitige Gedenken an (kommunistische) Widerstandskämpfer wird von ihr allerdings selbst ad absurdum geführt: „Der Kubus [in der Gedenkstätte; SRK] enthielt damals die Asche eines unbekannten Soldaten [der Wehrmacht; SRK] und eines unbekannten Widerstandskämpfers.” (S. 154)
Voll anschließen kann sich der Rezensent den Ausführungen des Philosophen Joachim Kahl: „Ein kritischer Blick auf die öffentliche Trauer- und Gedenkkultur in Deutschland”.
Ausgehend vom „Fall Augstein” setzt sich Kahl mit der pfäffischen Dreistigkeit und der Kumpanei der Politik auseinander, selbst dezidierte Atheisten mittels „ökumenischer Gottesdienste” für die Kirchen vereinnahmen.
Kahl geht auch auf den Begriff der Ökumene (Ökumenizität) ein und daß dieser antike Begriff durch die christlichen Kirchen vereinnahmt und in sein Gegenteil verkehrt worden ist.
Er fragt in aller Deutlichkeit: „Wieso Gottesdienste? Sollte es nicht um einen Dienst an Menschen gehen?” (S. 163) Wenn weiterhin auch Nicht- und Andersgläubige mit ökumenischen Gottesdiensten vereinnahmt würden, dann „schlägt Trauerkultur in Trauerunkultur um”. (S. 163)
Über „Ansprüche an eine moderne Erinnerungskultur” geht es im zweiten Beitrag von Horst Groschopp „Humanismus und Geschichtskultur”: Lutherehrung 2017 – und der Humanismus?”
Er schreibt: „In der großen Kulturenquete des Deutschen Bundestages vom Dezember 2007 kommt der Begriff Humanismus nicht ein einziges Mal vor, umso mehr werden die Kirchen als Kulturträger gewürdigt.” (S. 167)
Der Autor geht in seinem Beitrag den Fragen nach, was Geschichtskultur ist und was Erinnerungskultur von Geschichtskultur unterscheidet. Er geht dann kurz auf den „DDR-Humanismus” und die „Humanistengemeinden” vor rund 100 Jahren ein. Drei „Politische Vorschläge” (darunter für eine „Enzyklopädie des Humanismus”) runden diesen Aufsatz ab.
Sehr lesenswert ist der Aufsatz des Religionswissenschaftlers Horst Junginger „Religiöser Humanismus”, auf den hier leider aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann.
Auf S. 186 schreibt Junginger zur Enzyklika des Papstes Leo XIII. vom 20. Juni 1888:
„Das Wesen der menschlichen Freiheit bestehe nicht in eigensüchtiger Gleichmacherei, sondern in der Unterordnung des Menschen unter das durch die Kirche vermittelte Gesetz Gottes.”
Freiheit ist also die Unterordnung des Menschen unter die Priesterkaste! So und nicht anders muß man auch die salbungsvollen Worte eines heutigen pastoralen Freiheitslehrers richtig verstehen. So wie die Priesterkaste unter „Liebe” und „Friede(n)” gänzlich anderes verstehen als mündige und aufgeklärte Staatsbürger…
Junginger setzt sich ferner mit dem Theologen Karl Barth auseinander, nach welchem dies gelte:
„Lehne der Mensch, in welcher Variante des Humanismus auch immer, die christliche Wahrheit ab und setze sich selbst an die Stelle Gottes, müsse das zwangsläufig zu inhumanen Verhalten führen.” (S. 189)
Hier erübrigt sich wohl jeder Kommentar!
Ausführlich geht der Autor dann auf die drei „Humanist Manifestos” von 1933, 1973 und 2003 ein und stellt abschließend die Frage, ob es überhaupt eines religiösen Humanismus bedürfe.
In den Sammelband wurde schließlich noch ein Beitrag des Literaturwissenschaftlers Heinz-Bernhard Wohlfahrth aufgenommen: „Politischer Humanismus und universelle Veränderungspflicht”.
Für den Rezensenten ist dies leider eine abgehobene akademische Betrachtung, die der Überschrift nicht gerecht wird.
Es ehrt die Humanistischen Akademien aber immer wieder aufs Neue, daß auf ihren Veranstaltungen nicht nur Humanisten im engeren Sinne zu Wort kommen, sondern nicht minder auch Theologen, und daß auf diese Weise wirklich kontrovers diskutiert werden kann.
Siegfried R. Krebs
Horst Groschopp (Hrsg.): Humanismus – Laizismus – Geschichtskultur. Schriftenreihe der Humanistischen Akademie Berlin, Bd. 6. 226 S. m. Abb. brosch. Alibri-Verlag. Aschaffenburg 2013. 18,00 Euro. ISBN 978-3-86569-114-9
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]