SALZBURGER FESTSPIELE ferngesehen: die Punkerin Anna Netrebko

Von Verdin @verdinguenter
Von Günter Verdin Anna Netrebko als Punkerin Mimi im Gothic-Style mit einer auf den Kopf geklatschten ,wenig schmeichelhaften Frisur muss man wirklich nicht nah gesehen haben! Und dass der Regisseur der (zeitversetzten) ORF-Übertragung von Puccinis "La Boheme" das lebensfrohe Antlitz der Diva just in Grossaufnahme zeugt, als Rodolfo besorgt feststellt:"Wie krank sie aussieht", ist nur komisch. Die Fernsehübertragung einer Oper bietet zwar den Vorteil, die Darstellungs-und Ausdruckskraft von Ausnahmesängerinnen wie der Netrebko in allen Facetten und ganz nah miterleben zu können, anderseits raubt sie uns aber auch die Illusion, dass Sänger und Figur eins sind. Die wunderbare Netrebko, saengerisch wie darstellerisch in Hochform, hatte schon vor der Premiere befürchtet, eine Vierzigjährige im Punkkostuem könnte lächerlich wirken... Ein anderer Nachteil einer Fernsehübertragung ist die Tonqualität, die bei den ORF-Technikern in qualifizierten Händen liegt. Freilich hört man etwa, wenn ein Tenor wie Piotr Beczala als Rodolfo mit aller prächtiger Stimmgewalt zuschlägt, wie die Lautstaerkeregler runtergezogen werden, was den Genuss doch sehr schmälert. Ein weiteres, wenn auch kleines Problem, ist die Erklärungswut der Kommentatoren. Die in ihrer zur Schau getragenen ,leider unkritischen Begeisterung für Kunst und Künstler unübertreffliche Barbara Rett schildert gerne, was der Zuseher ohnedies erblickt; dreimal versicherte sie uns ausserdem an diesem Abend, dass "La Boheme" bis dato noch nie bei den Salzburger Festspielen zu sehen war. Und wenn ein Interviewer beim entbehrlichen, weil nichts sagenden "Blick hinter die Kulissen" eine Künstlerin nichts anders zu fragen weiss als: "Wie fühlen Sie sich?", dann sollte er es besser bleiben lassen. Wir jedenfalls fühlten uns bei der ORF-Übertragung zwischen Empathie und Ernüchterung hin und her gerissen. Aber das interessiert zu Recht auch niemanden..