Bücher über den zweiten Weltkrieg habe ich eigentlich schon zu Genüge gelesen. Das dachte ich mir jedenfalls, bevor ich Frau Sepetys neuen Roman Salz für die See in die Hände nahm, der mich eines Besseren belehrte. Denn die Autorin erzählt keineswegs ein weiteres Mal von der Judenverfolgung im grausamen Nazideutschland, sondern von der Geschichte vier junger Erwachsener - einer Polin, einer Litauerin, einem Preußen und einem Deutschen - welche ebenso Opfer eines furchtbaren Krieges sind. Verbunden werden die vier Schicksale durch ihre Zusammenkunft auf der Wilhelm Gustloff, eines als Fluchttransport genutzten Kreuzfahrtschiffs, welches 1945 durch ein sowjetisches U-Boot versenkt wurde.
Ich bekam eine andere Seite der Schrecken des zweiten Weltkrieges zu sehen, von der ich so nur wenig wusste. Hungernde Menschen, frierende Kinder, alle auf der Flucht vor den Russen und den nationalsozialistischen Deutschen und wo man nur hinschaut, wartet der Tod. In jedem Satz der Protagonisten spürt man ihre Verzweiflung und den winzigen Funken Hoffnung, der nur selten zum Vorschein kommt. So handelt es sich bei diesem Buch keinesfalls um ein angenehmes, aber um ein wichtiges, denn die Autorin lässt uns mithilfe gut recherchierter Fakten in eine Welt eintauchen, die wir so hoffentlich nie wieder erleben müssen.
Nach der Lektüre war ich selbst etwas schockiert, wie viel ich doch über die Verfolgung der Juden, über Konzentrationslager und Antisemitismus wusste, wie wenig jedoch über russische Gulags, das Massaker von Nemmersdorf und eben die Versenkung der Wilhelm Gustloff, die weit mehr Tote zu verschulden hatte, als die allseitsbekannte Titanic. Frau Sepetys hat mir deswegen nicht nur ein lesenswertes, authentisches Buch geliefert, sondern mich - auch mithilfe ihres ehrlichen und fesselnden Nachwortes - wieder etwas klüger gemacht. Man kann sich kaum mehr wünschen.