Salman Rushdie – Luka und das Lebensfeuer

Von Nicsbloghaus @_nbh

Mit Entsetzen habe ich fest­ge­stellt, dass ich bis­her noch nicht eines der Bücher eines mei­ner gro­ßen Schriftstellerhelden beschrie­ben habe… Salman Rushdie, den mir eine gute Freundin irgend­wann ein­mal ans Herz legte, ist mir inzwi­schen an die­ses gewach­sen. So auch die Sammlung sei­ner Bücher in mei­ner klei­nen Privatbibliothek.

Was sind schon die Märchen der Gebrüder Grimm? Schreckliche, mör­de­ri­sche, menschen- und kin­der­feind­li­che bru­tale Erzählungen. Sie sind schwer wie Blei und soll­ten Kindern heut­zu­tage eigent­lich nur in den Disney-Fassungen zuge­mu­tet wer­den. Ich habe immer Angst gehabt, wenn ich in den dicken alt­deutsch gedruck­ten Büchern mei­ner Großmutter las, die die gesam­ten Märchen der Grimm-Brüder besaß. Die bos­haf­ten Hexen, Stiefmütter und aller­lei trü­bes Gesindel haben mir Angst ein­ge­jagt. Das sind auch die Märchen, die mir im Kopf blie­ben, nicht die weni­gen hel­len, leich­ten, freund­li­chen.

Nein, ich mochte Märchen nie!

Und dann kam Salman Rushdie! Mit sei­ner zau­ber­haf­ten Welt der Zeit. Voller böser Geister, die dann doch nicht grau­sig sind son­dern nur so tun, als ob. Mit Helden, die ängst­li­cher sind als Mäuse und Freunde haben, die es gar nicht geben kann…

Luka und das Lebensfeuer ist ein wun­der­vol­les, hel­les, tan­zen­des, lus­ti­ges Märchenbuch für große Kinder und junge Erwachsende. Man braucht nur ein wenig Phantasie und muss sich fern hal­ten von all dem, was wir “nor­mal” und “logisch” nennen…man muss sich ein­las­sen auf diese wit­zige Idee, dass der Sohn eines begna­de­ten Geschichtenerzählers sich in ein Abenteuer begibt, in dem es Punkte zum Zwischenspeichern gibt. Man sollte daran glau­ben, dass Hund der Bär und Bär der Hund spre­chen kön­nen und die magi­sche Welt von all den ver­ges­se­nen Göttern bewohnt wird, die von den Menschen lang ver­ges­sen wur­den.

Salman Rushdies Buch ist ein bezau­bern­der Ausflug in das Land der Phantasie – ein Lobgesang auf die (ori­en­ta­li­sche) Kunst des Geschichtenerzählens. Und damit dicht an dem dran, was für mich den Zauber von Rafik Schami’s Büchern aus­macht. Rushdie kann auch anders, viel erns­tere Themen ebenso spie­le­risch behan­deln. Sein bekann­tes­tes Buch – “Die sata­ni­schen Verse” – ist ein Beispiel dafür.

Doch “Luka und das Lebensfeuer” passt nicht in die Schublade “magi­scher Realismus” – das Buch ist pure Magie. Wundervoll gespon­nen aus den Phantasiefäden des ewig andau­ern­den Erzählens. Gespeist aus dem See der Weisheit, wo gleich unter der Oberfläche die blit­zen­den Schwärme der Pfiffigfische zu sehen sind, ebenso die leuch­tend bun­ten Neunmalklugen und die etwas bläs­se­ren Tiefseeschlaumeier. Gespeist durch den Sturzbach der Worte und mit den unglaub­lich wild bewach­se­nen Eilande der Theorien sowie die Inseln vol­ler Elfenbeintürme der Philosophen und die unbe­wohn­ten Gestade der Falten.

Das Buch ist ebenso ein Lobgesang auf das Erzählen als auch auf die Freundschaft. Denn Luka, der in die Welt der Magie reist, kann sich auf fal­sche und rich­tige Freunde ver­las­sen. Und auf sich selbst. Und wenn man – wie es nicht nur Drewermann aus Grimms Märchen ver­suchte – einen Gewinn aus dem Buch zie­hen möchte (Hey, wir sind Preußen und lesen nichts nur des Spaßes wegen!) dann das: die Welt ist wun­der­bar. Und Salman Rushdie erin­nert uns daran.

Ein wenig hieroglyphisch sollte man auf Seite 220 schon können

Nic

Salman Rushdie, Luka und das Lebensfeuer, rororo 2012, ISBN 3499255324, 8,99 Euro