Sally Butcher: Snackistan

Von Magentratzerl

Cover by Pavillion Books

Schlag auf Schlag geht es weiter mit dem Bücher rezensieren im Rahmen der großen Aktion “Jeden Tag ein Buch”. #jteb

Logo By Ariane Bille

Und ich entschuldige mich schon mal katzbuckelnd – ja, schon wieder ein Buch über die orientalische Küche. Aber Sally Butcher zählt zu meinen absoluten Lieblingen. Also musste ich auf der Stelle ihr neues Buch haben; eine Rezension hatte ich gar nicht geplant. Aber nun hat auch Claudia, die den wunderbaren Blog Food with a View betreibt,  Sally Butcher entdeckt, und wir haben beschlossen, Euch mit zwei synchronen Rezensionen zu unterhalten.

Sally Butcher betreibt mit ihrem persischen Ehemann einen Lebensmittelladen in London-Peckham. Entsprechend der Titel ihres ersten Buches: Persia in Peckham, das nur auf Englisch erhältlich ist. Das zweite Buch, Veggiestan, das sich mit der orientalischen vegetarischen Küche befasst, gibt es auf Deutsch. Und es ist einfach unersetzlich. Und nun also Snackistan. Da geht es um Meze, Streetfood und Comfort Food.

Warum ich Sally Butcher so zu schätzen weiß? Nun, Sally Butcher kann kochen. Aber sie kann noch etwas – sie kann schreiben. Wer britischen Humor mag, ist hier richtig. Sally Butchers Bücher liefern nicht nur wunderbare Rezepte, sondern auch Lesevergnügen. Zwischen den  – im Plauderton verfassten – Rezepten  strotzt auch Snackistan nur so von wunderbar erzählten Geschichten, Hintergrundinformation und Tipps. Jedes neue Kapitel beginnt mit einer ebenso erheiternden wie weisen Geschichte des Mullah Nasruddin.

Das Buch startet mit einer kurzen Einführung in die Geschichte des Street Food und der Meze. Wir erfahren, worum es im Buch geht: um Lieblingsessen aus dem Mittleren Osten (der geographische Raum reicht von Griechenland bis Afghanistan) – kleine Mahlzeiten, die Zuhause eingenommen werden, Köstlichkeiten von Straßenverkäufern, und Comfort Food, das an daheim erinnert. Gleichzeitig macht Sally Butcher uns darauf aufmerksam, dass Snacks oder Streetfood nicht zwangsläufig durch eine besonders fixe Zubereitung glänzen, sondern eher durch ein wohliges Ergebnis (an dieser Stelle fehlt ein kleiner Seitenhieb auf Kollegen, die 15-Minuten-Menüs oder 3-Zutaten-Gerichte präsentieren, nicht )

Der Rezeptteil startet mit Nüssen und Knabbereien – wer hätte das gedacht, genau meines. Nach einer flammenden Rede gegen Kartofffelchips bekommen wir Anregungen für eingelegtes Gemüse, zahlreiche salzige Knabbereien aus Nüssen und Hülsenfrüchten, Gemüsechips oder Popcorn mit Harissa.

Danach gibt es Fischiges: Garnelen-Yiouvetsi aus Griechenland steht ebenso auf der Liste wie gegrillte Sardinen im Weinblatt oder mit Reis gefüllte Muscheln aus Armenien.

Im Kapitel “Fleisch am Spieß” gibt es – genau: Fleisch am Spieß, aka Kebap. Iranischen Kebap, gegrillte Wachteln am Spieß, Shish Kebap, afghanischen Kebap aus Lamm, Kartoffeln und Hülsenfrüchten – kommt im Sommer hier alles auf den Grill.

Danach gibt es noch mal Fleisch – diesmal ohne Spieße. Es gibt nicht nur Filet – auch Hirn oder Leber stehen auf der Liste, verbunden mit dem freundlichen Hinweis, dass man sich in vielen Ländern des Mittleren Ostens Verschwendung schlichtweg nicht leisten kann. Daher am Ende des Kapitels auch einige Tipps zum Kochen mit Resten. Aber natürlich gibt es auch Fleischbällchen, mit Lammhack gefüllte Trockenpflaumen oder Schwiegermamas Hühnchen-Rezept.

Danach gibt es heiße und kalte vegetarische Meze und Salate. Diese Kapitel sind eine Fundgrube für kleine Mahlzeiten, Vorspeisen und Salate. Es gibt Spinat mit Rhababer und Granatapfel (ausgewiesen als Snack für einen hungrigen Ladeninhaber), Saganaki, pürierte Dicke Bohnen aus dem Sudan, Dips und Joghurt-Salate und…..die Auswahl ist hinreissend.

Das Kohlehydrate-Kapitel ist meins. Ich muss noch das Rezept für Injera, das äthiopische Fladenbrot, das ich so liebe, testen. Vielleicht scheitere ich ja dieses Mal nicht. Aupßerdem gibt es Laghman, kirgisische Nudeln mit Chili-Knoblauch-Sauce und Gemüsetopping, natürlich auch Pakora und Manti  – und iranischen Broteintopf und Sandwiches der Sonderklasse.

Und Süßes, Süßes gibt es auch. Und auch reizt mich so einiges. Zum Beispiel diese Eislollis  – Kardamom-Kaffee, Fenchel, Minze und grüner Tee, herrlich. Natürlich gibt es auch Kuchen, Konfekt wie persische Dattel-Quadrate oder Sesam-Karamell und gefülltes Obst.

Wenn man so viel gegessen hat, braucht man am Ende etwas zum Herunterspülen: Orangenblüten-Minz-Limo räumt den Magen auf; Tamarinden-Cooler aus Kaschmir erfrischt und verschiedene Tees tun ihr übriges.

Die Rezepte funktionieren – und sind unterhaltsam geschreiben. Ich bin außerdem dankbar dafür, dass die Zutaten in verschiedenen Maßeinheiten angegeben sind. Gramm, Unzen, Cups – danke dafür! Viele englische Bücher sind ja leider nur in Cup-Einheiten gehalten, was ich als recht anstrengend empfinde.

Bei meiner Vorliebe für salzige Knabbereien mußte ich natürlich auf der Stelle die gerösteten Safran-Mandeln, die gerösteten Kichererbsen und die trockengerösteten Erbsen testen – wunderbare Snacks.

Ein Fan von Krautsalat bin ich ja eher nicht. Aber ich hatte noch einen Rest Weißkraut im Kühlschrank und der wanderte in den Krautsalat mit Sumach. Diese Variante hat sogar mir geschmeckt. Die Krautstreifen werden kurz blanchiert, der Essig durch Sumach ersetzt, und als Bonbon gibt es noch geröstete Hanfsamen oben drauf.

Man’eesh, die libanesische Pizza, erinnert an Lamachun im Kleinformat. Wir hatten die Variante mit Lammhacktopping, und das war ein Knaller aufgrund der Würzung mit Granatapfelsirup, Chili und Piment.

Den in Pekmez gegarten Karotten sah ich mit etwas Misstrauen entgegen: Karotten sind ja schon etwas süßlich, und dann noch die Süße des Traubensirups  – aber ich hatte mich getäuscht, die Süße steht den Karotten hervorragend.

Eine Enttäuschung war dann aber die Kibbeh-Pie mit Fisch und Zitrone. Die Würze der Salzzitrone hat sich ja gut gemacht in der Füllung der Pie, aber die Kruste aus Bulgur und Fisch war nach dem Backen leider recht trocken.

Die saftige, süß-scharfe Hühnerleber mit Granatapfelsirup hingegen, die war klasse. Schnell gemacht ist sie auch, und es wird sie garantiert immer wieder geben.

Kuchen gab es auch – dieser Kuchen mit türkischem Kaffee und Joghurt, der macht zwar optisch nicht sooo viel her und ist innen recht feucht, aber der Geschmack ist genial; das Rezept werde ich Euch nicht vorenthalten

Das Resumée halte ich kurz: wer orientalisches Essen mag, kurzweilig geschriebene Kochbücher zu schätzen weiß und der englischen Spreche mächtig ist, der braucht dieses Buch.

Ob Claudia das wohl auch findet? Wer das wissen möchte, der schaut hier nach.