Was für eine Zäsur! Luden die Christdemokraten aus Bayern doch tatsächlich den Orbán ein. Den Todesstrafenbefürworter Orbán. Den Gegner der Pressefreiheit Orbán. Den, der gegen Sinti und Roma hetzt und die Republik Ungarn in bloß noch Ungarn unbenannte. Diesen reaktionären und autoritären Charakter Orbán. Diesen kleinen Pfeilkreuzler. Ja, genau den luden sie ein und verpflichteten ihn als Ausputzer vor der Abwehr. Mit Ausputzer spielt heute keiner mehr. Aber alte Taktiken sind scheinbar wieder in. Und so ein Einschnitt ist es für Bayern nun auch wieder nicht, sich mit solchen politischen Kalibern zu treffen. Das hat man auch schon gehabt. Sogar mehrfach. Das gehörte stets zur guten bayerischen Außenpolitik dazu, wie das laut ausgerufene »Kruzifix!« beim Frühschoppen nach dem Gottesdienstbesuch, wenn einem ein Weißbier aufgetragen wird, dass eine viel zu breite Schaumkrone trägt.
Ach, da ist man gerne pragmatisch. Nicht mit linken Regierungen. Aber mit den rechten Hardlinern schon. Da sagt sich der Trachtler mit Parteibuch: »Ma muass ois so nehma wias is. Da Herrgott werd' se scho wos dabei dacht hom, wenn er an Voik so an Bazi an sei Spitzn gibt.« Hinnehmen und den Dialog suchen. Wandel durch Annäherung? Wohl nicht. Also Annäherung schon. Aber warum Wandel? Doch einen linken Regierungschef muss man durch Ignoranz und sture Härte umstimmen. Wandel durch Distanz eben. »Ma muass se de Bazis scho erziahng!«
Daher liest sich die bayerische Außenpolitik auch wie ein Who is Who der modernen Despotie. Alles was Rang und Namen und Totschläger hatte ist dabei. Mit jedem hatte man was zu bequatschen. Strauß war damals den griechischen Obristen sehr nahe. Er schätzte es, dass sie Stabilität in eine Gegend des europäischen Kontinents brachten, in der sonst der Kommunismus gewütet hätte. Er und seine Gamsbartgenossen unterhielten sich mit Salazar und Franco. 1977 reiste der spätere bayerische Ministerpräsident nach Chile, um den 125. Jahrestag des Beginns der deutschen Einwanderung zu begehen. Dort lernte er den Ökonomen Hayek kennen. Kritische Worte zu Pinochet gab es keine; Hayek war schon eher kritisch: Er beanstandete, dass es eine internationale Rufmordkampagne gegen diesen neuen chilenischen Vorbildstaat gab. Strauß lehnte sich an die Diktatur an. »Warum a ned?« Mit der Apartheid hatte er auch keine Probleme. Die Welt mag Südafrika gemieden haben, aber der Freistaat war immerhin ein Freistaat, damit er machen konnte, was er wollte - auch mit Rassisten.
1983 berichtete der »Spiegel«: »Franz Josef Strauß treibt weiter Außenpolitik auf eigene Faust. Anfang Juni hatte der bayrische Ministerpräsident Mobutu Sese Seko, den Staatschef von Zaire, empfangen, ohne die Regierung in Bonn davon in Kenntnis zu setzen.« Damals half die bayerische Landespolizei dem Diktator eine Antiterrorgruppe auszubilden. Damit ja kein Widerstandskämpfer gegen den Despoten auch nur eine Chance hatte. Eine andere Szene schilderte Günter Wallraff (der übrigens in Griechenland von jenen Obristen gefoltert wurde, die Strauß sympathisch fand). Er gab sich als Türke und Mitglied der Grauen Wölfe aus, einer rechtsextremen türkischen Partei, die selbst vom Verfassungsschutz als faschistisch eingeordnet wurde. Ohne mit der Wimper zu zucken gab ihm Strauß ein Autogramm - auch (oder gerade) weil er und seine Partei keinerlei Berührungsängste mit dieser rassistischen, antisemitischen und radikalen Gruppierung hatte.
Soweit zum Verhältnis zwischen bayerischer Landesregierung zu halbseidenen Administrationen. Aber es gibt auch noch das Verhältnis bayerische Landregierung zu Bundesregierung. Denn dieses zweite Verhältnis spielt im außenpolitischen Auftreten Münchens immer tief hinein. Da steckt Trotzreaktion drin. Als wolle man Berlin (oder seinerzeit Bonn) mal zeigen, wie man Politik wirklich macht. Gerade mit den harten Jungs, die man in der Bundeshauptstadt eher distanziert behandelt, während man natürlich trotzdem mit ihnen Geschäfte abwickelt. München schenkt sich da den Firlefanz und hat keine Berührungsängste. Weil man wer sein will im Bund. Minderwertigkeitskomplexe? Oh ja! Natürlich. Das und natürlich das Business. Aber dieser Komplex, in Deutschland aufgegangen zu sein, nur eine kleine Nummer zu sein, das dominiert das Verhalten aller Christsozialen noch immer. Das berühmte bayerische Selbstbewusstsein ist eine Flucht in Statussymbolik. Mia san mia, schreit man doch nur so laut, weil man weiß, dass mia a bloß wia olle andan san. Und das stinkt natürlich Leuten, die in Trachten schlüpfen und sich bei Parteitagen um die Ohren hauen, dass sie die auserwählten Männer und Frauen dieser Republik sind.
Jetzt eben Orbán. Eben auch, weil er nützlich sein kann. Und dass er einer dieser Figuren ist, mit denen sich Demokraten nicht an einen Tisch setzen sollten, macht die Sache nicht schwieriger. Nein, sie macht die Sache für München erst spannender. Denn damit kann man wieder beweisen, wie verantwortungsvoll man doch ist. Man setzt sich sogar mit solchen Leuten an einen Tisch. Berührungsängste gibt es da keine. Man ist ihnen ja auch irgendwo nahe. Von Ein-Parteien-Staat zu Ein-Mann-Despotie ist es doch ein kleiner Schritt. Man versteht sich. Weiß wie man sich als Solist so fühlt. Und außerdem all diese Typen, Mobutu, Pinochet oder halt Orbán - verarbeiteten sie nicht auch einen Minderwertigkeitskomplex mit ihrer Politik der Isolation, Ausgrenzung, der Furchteinflössung und Gewalt? Sind das nicht die klassischen Strategien, die sich Leute ausdenken, die sich unvollkommen fühlen? Das ist der gemeinsame Nenner. So von Neurotiker zu Neurotiker parliert es sich eben manchmal nicht so kompliziert. Mit Ungarnrettern reden Bayerntümler eben auf Augenhöhe. Die einen von Europa geschmäht, die anderen vom Rest Deutschlands. Da verstehen sich halt zwei.
Aber man sollte natürlich nicht alles pathologisieren. Das bayerische Landesregierungen so mit miesen Kerlen kuscheln, ist ja keine reine Psychose. Das wäre zu einfach. Es ist nur ein Erklärungsmuster. Ein anderes wäre, dass die CSU eben gerne rebellisch ist, aber natürlich nur im reaktionärsten Sinne des Wortes. Schließlich müssen sich diese Bayern in einer arg linken Republik arrangieren. Sie halten die guten Sitten am Leben. Regulieren die linke Regierung Merkels. Und Außenpolitik mit Despoten mag zwar einen pathologischen Hintergrund in Bayern haben, aber letztlich arrangiert man solche Treffen doch nur, weil man sich mit Leuten, die brachial vorgehen, einfach identifiziert. Die ganze Rhetorik der Staatspartei klingt so, wie Orbán sie in Ungarn ins Politische umsetzt.
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Ach, da ist man gerne pragmatisch. Nicht mit linken Regierungen. Aber mit den rechten Hardlinern schon. Da sagt sich der Trachtler mit Parteibuch: »Ma muass ois so nehma wias is. Da Herrgott werd' se scho wos dabei dacht hom, wenn er an Voik so an Bazi an sei Spitzn gibt.« Hinnehmen und den Dialog suchen. Wandel durch Annäherung? Wohl nicht. Also Annäherung schon. Aber warum Wandel? Doch einen linken Regierungschef muss man durch Ignoranz und sture Härte umstimmen. Wandel durch Distanz eben. »Ma muass se de Bazis scho erziahng!«
Daher liest sich die bayerische Außenpolitik auch wie ein Who is Who der modernen Despotie. Alles was Rang und Namen und Totschläger hatte ist dabei. Mit jedem hatte man was zu bequatschen. Strauß war damals den griechischen Obristen sehr nahe. Er schätzte es, dass sie Stabilität in eine Gegend des europäischen Kontinents brachten, in der sonst der Kommunismus gewütet hätte. Er und seine Gamsbartgenossen unterhielten sich mit Salazar und Franco. 1977 reiste der spätere bayerische Ministerpräsident nach Chile, um den 125. Jahrestag des Beginns der deutschen Einwanderung zu begehen. Dort lernte er den Ökonomen Hayek kennen. Kritische Worte zu Pinochet gab es keine; Hayek war schon eher kritisch: Er beanstandete, dass es eine internationale Rufmordkampagne gegen diesen neuen chilenischen Vorbildstaat gab. Strauß lehnte sich an die Diktatur an. »Warum a ned?« Mit der Apartheid hatte er auch keine Probleme. Die Welt mag Südafrika gemieden haben, aber der Freistaat war immerhin ein Freistaat, damit er machen konnte, was er wollte - auch mit Rassisten.
1983 berichtete der »Spiegel«: »Franz Josef Strauß treibt weiter Außenpolitik auf eigene Faust. Anfang Juni hatte der bayrische Ministerpräsident Mobutu Sese Seko, den Staatschef von Zaire, empfangen, ohne die Regierung in Bonn davon in Kenntnis zu setzen.« Damals half die bayerische Landespolizei dem Diktator eine Antiterrorgruppe auszubilden. Damit ja kein Widerstandskämpfer gegen den Despoten auch nur eine Chance hatte. Eine andere Szene schilderte Günter Wallraff (der übrigens in Griechenland von jenen Obristen gefoltert wurde, die Strauß sympathisch fand). Er gab sich als Türke und Mitglied der Grauen Wölfe aus, einer rechtsextremen türkischen Partei, die selbst vom Verfassungsschutz als faschistisch eingeordnet wurde. Ohne mit der Wimper zu zucken gab ihm Strauß ein Autogramm - auch (oder gerade) weil er und seine Partei keinerlei Berührungsängste mit dieser rassistischen, antisemitischen und radikalen Gruppierung hatte.
Soweit zum Verhältnis zwischen bayerischer Landesregierung zu halbseidenen Administrationen. Aber es gibt auch noch das Verhältnis bayerische Landregierung zu Bundesregierung. Denn dieses zweite Verhältnis spielt im außenpolitischen Auftreten Münchens immer tief hinein. Da steckt Trotzreaktion drin. Als wolle man Berlin (oder seinerzeit Bonn) mal zeigen, wie man Politik wirklich macht. Gerade mit den harten Jungs, die man in der Bundeshauptstadt eher distanziert behandelt, während man natürlich trotzdem mit ihnen Geschäfte abwickelt. München schenkt sich da den Firlefanz und hat keine Berührungsängste. Weil man wer sein will im Bund. Minderwertigkeitskomplexe? Oh ja! Natürlich. Das und natürlich das Business. Aber dieser Komplex, in Deutschland aufgegangen zu sein, nur eine kleine Nummer zu sein, das dominiert das Verhalten aller Christsozialen noch immer. Das berühmte bayerische Selbstbewusstsein ist eine Flucht in Statussymbolik. Mia san mia, schreit man doch nur so laut, weil man weiß, dass mia a bloß wia olle andan san. Und das stinkt natürlich Leuten, die in Trachten schlüpfen und sich bei Parteitagen um die Ohren hauen, dass sie die auserwählten Männer und Frauen dieser Republik sind.
Jetzt eben Orbán. Eben auch, weil er nützlich sein kann. Und dass er einer dieser Figuren ist, mit denen sich Demokraten nicht an einen Tisch setzen sollten, macht die Sache nicht schwieriger. Nein, sie macht die Sache für München erst spannender. Denn damit kann man wieder beweisen, wie verantwortungsvoll man doch ist. Man setzt sich sogar mit solchen Leuten an einen Tisch. Berührungsängste gibt es da keine. Man ist ihnen ja auch irgendwo nahe. Von Ein-Parteien-Staat zu Ein-Mann-Despotie ist es doch ein kleiner Schritt. Man versteht sich. Weiß wie man sich als Solist so fühlt. Und außerdem all diese Typen, Mobutu, Pinochet oder halt Orbán - verarbeiteten sie nicht auch einen Minderwertigkeitskomplex mit ihrer Politik der Isolation, Ausgrenzung, der Furchteinflössung und Gewalt? Sind das nicht die klassischen Strategien, die sich Leute ausdenken, die sich unvollkommen fühlen? Das ist der gemeinsame Nenner. So von Neurotiker zu Neurotiker parliert es sich eben manchmal nicht so kompliziert. Mit Ungarnrettern reden Bayerntümler eben auf Augenhöhe. Die einen von Europa geschmäht, die anderen vom Rest Deutschlands. Da verstehen sich halt zwei.
Aber man sollte natürlich nicht alles pathologisieren. Das bayerische Landesregierungen so mit miesen Kerlen kuscheln, ist ja keine reine Psychose. Das wäre zu einfach. Es ist nur ein Erklärungsmuster. Ein anderes wäre, dass die CSU eben gerne rebellisch ist, aber natürlich nur im reaktionärsten Sinne des Wortes. Schließlich müssen sich diese Bayern in einer arg linken Republik arrangieren. Sie halten die guten Sitten am Leben. Regulieren die linke Regierung Merkels. Und Außenpolitik mit Despoten mag zwar einen pathologischen Hintergrund in Bayern haben, aber letztlich arrangiert man solche Treffen doch nur, weil man sich mit Leuten, die brachial vorgehen, einfach identifiziert. Die ganze Rhetorik der Staatspartei klingt so, wie Orbán sie in Ungarn ins Politische umsetzt.
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