Sag es laut!

Von Sabine Hahlweg @TheEmpress84
Sandra, 34, zog in ihrer Studentenzeit von Kirchberg nach Wien und blieb dort. In den nächsten Jahren wurde die Studentenbude ein Zuhause, der Job wurde zum Beruf und Tobias wurde vom „G'schichtl“ zum Verlobten. Sandra wuchs „im Ländlichen“ auf und wusste, dass ihre Hochzeit nicht ohne der traditionellen Bräuche auskommen wird. Das lag weniger an der schön geplanten Hochzeit selbst, sondern viel mehr an den Gästen.
Die Freundinnen freuten sich über einen „unvergesslichen“ Polterabend mit selbst bemalten T-Shirts, einem Zug durch die Gemeinde und über den Verkauf lustiger Sex-Utensilien, welche sie im Internet erstanden hatten. Sie wusste, dass sie in der Kirche heiraten wird, weniger deshalb weil sie den Klerus für zeitgemäß hält, sondern viel mehr weil ihre Mutter immer vom weißen Kleid in der Kirche träumte, wenn sie von „Sandras großem Tag“ sprach. Sie ahnte, dass sie eine Mitternachtseinlage bekommen wird, weniger weil sie Angst hatte, dass keine Stimmung aufkommen würde, sondern weil sie wusste, dass die „Kirchberger Blaskapelle“ seit Wochen Sketches einstudiert, um sie als Überraschung zu ihrer Hochzeit aufzuführen. Obwohl sie das alles nicht unbedingt unter ihrer Traumhochzeit - zu zweit barfuß am Strand getraut von einem Buddhistischen Mönch - verstand, war sie doch bereit all die Traditionen zu erdulden und trotzdem ihre Traumhochzeit im Heimatort zu feiern (das mit dem Strand würden sie dann einfach auf der Hochzeitsreise nachholen).
Sie sagte ja zur Kirche, sie sagte ja zur Hochzeitszeitung mit peinlichen Kinderbildern von ihr am Cover und sie sagte ja zur 8-stöckigen Torte mit weiß/rosa Zuckerguss (Tante Anni ist begeisterte Tortenbäckerin und ließ es sich nicht nehmen, die Hochzeitstorte zu gestalten). Das Einzige, das sie nicht wollte, war „entführt“ zu werden. Sie sagte es ihrer Trauzeugin und ihren Freundinnen, sie sagte es ihren Eltern und sie sagte es ihrem Bruder. Der Tag der Hochzeit war wundervoll. In der Kirche wurde das Ave Maria vom „Kirchberger Kirchenchor“ mit Orgelbegleitung gesungen, draußen vor der Kirche wurde Reisgeworfen, dass Sandra noch Stunden später das jucken im Brautkleid spürte, die Blaskapelle spielte, laut, falsch und mit Begeisterung den Zillertaler Hochzeitsmarsch, die Buben aus der Umgebung sperrten ganz traditionell die Straße ab und verursachten einen kilometerlangen Stau und die Hochzeitstorte wurde mit Spritzkerzen in den verdunkelten Saal getragen. Ein rundum wunderschöner Abend.
An der Bar standen ein paar Jungs aus der Umgebung mit dem jüngeren Bruder der Braut. Geballtes Testosteron. Zu viele Schnäpse. „Tradition ist Tradition“. Unter dem Vorwand die Braut zum Tanz zu führen wurde sie gekidnappt. Wann sie zurückkam und wo sie in der Zwischenzeit war, ist nicht relevant. Sie kam in Tränen aufgelöst zur Hochzeit zurück, stürmte zu ihrem Mann und brach in hemmungsloses Weinen aus. „Ich hab den ganzen Scheiß ertragen und das Einzige, das ich wollte war, den ganzen Abend mit meinem Mann zu verbringen. Deshalb wollte ich nicht entführt werden“.
Durch diese dumme Aktion war in der Familie etwas auseinander gebrochen. Aber wie kam es zu diesem Hochzeits-Eklat? Sie hatte es doch kommuniziert. Ja, hatte sie. Aber nicht laut genug. Sandra hatte keine Schuld - mit dieser Eskalation konnte niemand rechnen. Wir können aber daraus etwas lernen. Wenn du einen ganz großen Wunsch hast, dann sag ihn so früh als möglich und sag es LAUT! Wenn du nicht entführt werden willst, schnappe dir ein Mikrophon und sag deinen Gästen, dass du den Abend noch immer frisch verliebt an der Seite deines Mannes verbringen willst. Dein Wunsch wird mit Sicherheit in Erfüllung gehen, denn niemand möchte in des Wunschbrechers Haut stecken – und den Unsicherheitsfaktor „kleiner Bruder“ ernenne schon im Vorfeld zu deinem „Bodyguard“.
Bild: M.E./pixelio.de
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