Sag es doch mit Sokrates

Ich tue es, Redakteure großer Tageszeitungen und Magazine tun es und Anwärter auf akademische Titel und spätere Karrieren im Bundestag tun es auch, wenngleich Letztere es mitunter absichtlich ausversehen falsch machen: Zitate verwenden.

Viele große Männer und Frauen haben in der Vergangenheit große Dinge gesagt oder geschrieben, die bis heute im kollektiven Gedächtnis der Menschheit erhalten geblieben sind. Die Rede ist von Männern und Frauen wie Sokrates, Friedrich Nietzsche, Albert Einstein oder Marie Curie. Diese Menschen sind schon lange tot, aber ihre Worte leben weiter.

Sag es doch mit Sokrates

Was macht ein Zitat überhaupt zitierbar? In der Regel sind Zitate nur wenige Zeilen lang und bringen Sachverhalte besonders treffend auf den Punkt. Sie sind präzise, oftmals witzig oder berührend und haben eine Aussagekraft, die der von 20 Mal so langen Texten übersteigt. Fairerweise darf nicht verschwiegen werden, dass manche Zitate auch einfach von der Berühmtheit ihres Urhebers leben und nur in Zusammenhang mit dessen Karriere und Persönlichkeit echte Relevanz erhalten. Mitunter werden Zitate sogar Persönlichkeiten zugeschrieben, die diese Worte vermutlich nie gesprochen oder geschrieben haben, deren Namen jedoch das nötige Gewicht haben, um diese Zitate durch die Jahrhunderte zu tragen. Dem Thema der falsch zugeordneten Zitate widmet sich (augenzwinkernd) auch diese Facebook-Seite.

Zitate sind immer ein gutes Stilmittel, um Texte aufzuwerten, mühsame Beschreibungen zu umgehen oder schlicht Lücken zu füllen, für die man keinen eigenen Inhalt findet. Auf die Idee, nur im Alltag über Zitate zu kommunizieren, würde aber wohl kaum jemand kommen. Oder doch ...?

Der innere Aristoteles

„Hey, guten Morgen!"
„Heute ist morgen schon gestern." (Rainer M. Papenfuss)
„Klar, wenn du das sagst. Wie war dein Abend gestern?"
„Am Abend schätzt man erst das Haus." (Johann Wolfgang von Goethe)
„Wahres Wort. Haste Fernsehen geguckt?"
„Mit dem Geist ist es wie mit dem Magen: Man kann ihm nur Dinge zumuten, die er verdauen kann." (Winston Churchill)
„Da hast du auch wieder Recht. Ich habe ja diesen Krimi im Ersten gesehen. War nicht so dolle."
„Was es alles gibt, was ich nicht brauche." (Aristoteles)
„Mmmh. Schon Pläne für die Mittagspause?"
„Pläne sind Mythen der Realität." (Prof. Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger)
„Das heißt dann wohl Nein. Wir könnten uns Pizza holen."
„Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich bin immer mit dem Besten zufrieden." (Oscar Wilde)
„Dann also Pizza."

Top 5 der nützlichsten und häufigsten Zitate (die nicht immer richtig wiedergeben werden)

Diese Auswahl ist natürlich rein subjektiv oder, um es mit den Worten Muhammad Alis zu sagen: „Ich weiß nicht immer, wovon ich rede. Aber ich weiß, dass ich recht habe."

1. „Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." (Albert Einstein)

Ob dieses berühmte Zitat wirklich aus dem Mund oder der Feder von Albert Einstein stammt, ist nicht zweifelsfrei sicher, aber es passt so perfekt zu ihm, dass niemand seine Urheberschaft ernsthaft anzweifeln möchte. Das Zitat lässt sich auf unzählige Weise verwenden, denn es fasst sehr pointiert zusammen, dass wir Menschen trotz großer wissenschaftlicher Fortschritte noch immer anfällig für Torheiten jeder Art sind und uns in vielen Bereichen wahrlich nicht mit Ruhm bekleckern. Hier dann bitte beliebiges Beispiel einfügen.

2. „Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin)

Vorratsdatenspeicherung, Kameraüberwachung, Bargeldabschaffung - zu diesen modernen Themen wurde und wird das Zitat aus dem 18. Jahrhundert zahlreich verwendet. Es taucht in Überschriften von Zeitungsartikeln auf, wird in Reden wiedergegeben oder auf Plakate gedruckt. Wortwörtlich ins Deutsche übersetzt sagte Franklin allerdings: „Wer wesentliche Freiheit aufgeben kann, um eine geringfügige bloß jeweilige Sicherheit zu bewirken, verdient weder Freiheit, noch Sicherheit." Inhaltlich gibt es zwischen der verkürzten Version und der Originalübersetzung keine großen Unterschiede, gleichwohl erlaubt die von Franklin genutzte Formulierung „wesentliche Freiheit" einen größeren Spielraum. Ein bisschen Freiheit aufzugeben erschien Mr. Franklin durchaus legitim.

3. „Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden." (Sokrates)

Dieses Zitat gegen Selbstzufriedenheit und Stillstand lässt sich auch viele Jahrhunderte nach Sokrates' Tod noch vortrefflich nutzen, um einerseits zu motivieren und andererseits jenen den Wind aus den Segeln zu nehmen, die meinen, dass sie schon alles erreicht haben. Sokrates' weise Worte sind vor allem im akademischen Umfeld, zum Beispiel als Aufmacher für Hausarbeiten, beliebt, da man so Bescheidenheit und Fleiß suggeriert, während man gleichzeitig damit angibt, ein Zitat von Sokrates zu kennen.

4. „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." (Mahatma Gandhi)

Kann überhaupt jemand anderes als der legendäre, friedliche Revolutionär Mahatma Gandhi diese Worte gesprochen haben? Ja, ein Mann namens Nicholas Klein. Viele Experten gehen davon aus, dass das berühmte Zitat eigentlich auf den US-Gewerkschafter Klein zurückgeht, der 1918 in einer Rede vor den Mitgliedern der Textilgewerkschaft sagte:

„Und, liebe Freunde, in dieser Geschichte findet ihr die Historie unserer gesamten Bewegung wieder: Zuerst ignorieren sie dich. Dann machen sie dich lächerlich. Dann greifen sie dich an und wollen dich verbrennen. Und dann errichten sie dir Denkmäler. Und das ist genau das, was den vereinigten Arbeitern der Bekleidungsindustrie Amerikas passieren wird."

Mahatma Gandhi ist eine große Persönlichkeit der Geschichte, Nicholas Klein nicht. Außerdem schränkt der Bezug zu den vereinigten Arbeitern der Bekleidungsindustrie Amerikas die Tragweite der Worte doch stark ein. Vielleicht haben Mr. Kleins fehlende Berühmtheit oder der mangelnde Glanz der vereinigten Arbeiter der Bekleidungsindustrie Amerikas letztlich dazu geführt, dass das Zitat Gandhi zugeschrieben wurde, vielleicht hat dieser das Zitat tatsächlich einmal übernommen und etwas abgewandelt. So oder so trägt der Name Gandhi es durch die Jahrhunderte. Nur die vereinigten Arbeiter der Bekleidungsindustrie Amerikas haben davon nichts.

5. „Das ist schön bei den Deutschen: Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht." (Heinrich Heine)

Dieses Zitat von Heinrich Heine aus dem Jahr 1824 kann man eigentlich immer, wenn es irgendwie um Deutschland geht, aus der Kiste kramen. Es ist ein recht flexibles Zitat. Es lässt sich sowohl wohlwollend verstehen, mit den Deutschen als sympathische Exzentriker, die man irgendwie mögen muss, als auch zynisch und abwertend auslegen. In letzterem Fall ist das „schön" natürlich ironisch gemeint und die Deutschen erscheinen als gefährliche Spinner, die immer einen Weg finden, ihren Irrsinn auszuleben. In Anbetracht dessen, was knapp 110 Jahre nach Erscheinen dieses Zitates in Deutschland geschah, gewinnen die Worte natürlich besonders an Brisanz.


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