SINDELFINGEN. Als am Samstagabend etliche Besucher in die Christuskirche strömten, wollten sie weder an einem abendlichen Gottesdienst teilnehmen noch an einer Feierlichkeit. Irgendwie war es am Ende dennoch beides, da Markus Nau und der Sindelfinger Kammerchor ja ihr Jubiläum feierten.
Vielleicht sollte jeden Sonntag eine Bigband in der Christuskirche spielen, so voll wie die Bänke am Samstagabend im Gotteshaus in der Vorderen Halde waren. Hier wurde das „Sacred Concert“ von Duke Ellington zum Event für Alt und Jung, teilten sich doch Senioren und Familien mit Kleinkindern die Sitzreihen der Kirche.
Anlass war der 25. Geburtstag des Sindelfinger Kammerchors, der 1987 an ebenjener Christuskirche gegründet wurde.
Grund genug für Mitbegründer Markus Nau, zum Jubiläum dort ein Konzert zu geben.
Die Wahl des Stadtmusikdirektors fiel auf das „Sacred Concert“ von Duke Ellington, womit sich Nau einen lange gehegten Wunsch erfüllte. Und das sah das Publikum ihm am Sonnabend auch an, wenn er enthusiastisch den Chor und die STB Bigband dirigierte und sich dann und wann vor Anstrengung mit einem Taschentuch die Stirn abwischte. Wer genau
hinsah, bemerkte sogar, wie Nau nach Vollendung von Ellingtons umfangreichem Stück „Freedom Suite“ triumphierend die Hand zur „Becker-Faust“ ballte.
Die Freude am Erfolg dürfte daran gelegen haben, dass das „Sacred Concert“ als musikalische Herausforderung gilt. Ganze drei dieser Konzerte komponierte die Jazz- und Swing-Legende Duke Ellington zwischen 1966 und 1975. Vor 19 Jahren fassten dann der dänische Chorleiter John Høybye und sein Kollege Peder Pedersen die drei Konzerte zu einem
rund einstündigen Jazzoratorium zusammen. Dieses vermisst zwar Duke Ellingtons preislich ausgezeichnetes Lied „In the Beginning God“, macht ansonsten jedoch Bigband und Chor zu gleichwertigen Partnern. Die STB Bigband hatte mit Duke Ellingtons Jazzoratorium übrigens bereits vor rund eineinhalb Jahren eine erste Konzerterfahrung gemacht und im Herbst 2010 das Stück in der Pelagiuskirche in Darmsheim aufgeführt.
Aber nicht nur Chor und Bigband kamen zum Einsatz, sondern auch die beiden Sängerinnen Pearl Bretter und Christine Euchenhofer sowie der Nürnberger Stepptänzer Klaus Bleis waren gefragt. Mit ihrer dunklen und kraftvollen Soulstimme begleitete Pearl Bretter einige Lieder der ersten Hälfte, während Euchenhofer ihr Sopransolo in Ellingtons oratorischem
„T.G.T.T.“ zur Geltung brachte. Mysteriös und lebendig, aber durch und durch beschwingt gab sich das „Sacred Concert“ und versetzte mit seiner Musik zurück in die goldenen 1920er.
Gerade das Stück „The Shepherd“ rief Ellingtons Vergangenheit im legendären New Yorker „Cotton Club“ in Erinnerung, wo er sich mit seinem zum Bigband-Stil ausgeprägten Swing einen Namen machte. Heute gilt der 1974 verstorbene Afroamerikaner als Mittler zwischen den unterschiedlichen Musikgenres, indem er Klassik, Jazz und Popmusik vereinte. Ellington hat einfach mit der Musik gespielt“, informierte Christuskirchenpfarrerin Kathrin Lichtenberger zu Beginn. „Sein Stil entspricht nicht dem, was an Universitäten gespielt wird.“
Stepptanz fasziniert das vielköpfige Publikum
Ungewöhnlich war auch der Auftritt von Stepptänzer Klaus Bleis zum Stück „David Danced Before the Lord“. Fasziniert beobachteten die Zuschauer, wie Bleis’ Füße über das Parkett wirbelten und die an Kastagnetten erinnernden Klackgeräusche produzierten. Geradezu eine hypnotische Wirkung entwickelte Bleis mit seinem Tanz, sodass er im Anschluss vom Publikum auch den größten Applaus des Abends erhielt. Abgesehen vom Konzertende, versteht sich.
Dieses sorgte je nach Blickwinkel sogar für einen ganz eigenen und leicht makabren Charme. Denn als sich die Zuschauer zum Applaudieren erhoben und freudig „Wuuuuuh!“ riefen, waren in der Christuskirche aus sitzender Position nur noch die Menschenmasse und der Jesus am Kreuz zu sehen. Mit ihrem Beifall erklatschten sich die Zuschauer schließlich
zwei Zugaben des Kammerchors und der STB-Bigband. Aufgrund fehlenden Materials wurde kurzerhand nochmals das Schlusslied „Praise God“ angestimmt, in dem sich auch Bleis erneut den Applaus des Publikums sicherte.
Als Hymnus auf die Macht Gottes sowie die Freiheit gilt das „Sacred Concert“, und die Lebensfreude von Ellingtons Jazzoratorium sprang auch auf die Reihen der Christuskirche über. Vielleicht sollte ja wirklich jeden Sonntag eine Bigband im Gottesdienst spielen.