Sachsen ist die deutsche Sonderheit schlechthin. Mitten im eigenen Land ist plötzlich Ausland. Was allerdings – fällt mir nun ein – einer Ukrainerin bekannt sein dürfte.
“Stelldirvor, du steigst in Lemberg in den Flieger, fliegst etwas durch die Luft und landest schließlich in Odessa. Oder – worst case – in Donezk. Im selben Land ist plötzlich ist alles anders, sogar die Sprache. So etwa – besser: genau so! – kann man sich die Ankunft eines Preußen in Leipzig vorstellen.”
“Wichtigste Sonderheit dortzulande”, doziere ich weiter, “ist die Kaffeeliebe der Eingeborenen.” Was wohl auf die Erfindung des Porzellans zurückzuführen sei. Oder – deutsch, deutsch am deutschesten – vielleicht auch auf die erste Kaffeehaus-Ordnung (1697).
Anyway: Aus Meißner Porzellan sollte Kaffee trinken, wer sich als “rischtscher” Sachse fühlen will. Die im Übrigen auch von “unserem” Eff-Zwo – geschrieben FII. – also von Friedrich der Großen “Kaffeesachsen” genannt wurden. Sächsischen Soldaten mangelte es im Siebenjährigen Krieg nämlich an Kampfmoral, sie probten den Aufstand unter der Losung …
“Ohne Gaffee gönn mer nich gämpfn!“
… so dass sich Sachsen-Offiziere gezwungen sahen, umfangreiche Kaffee- und Kuchengelage für ihre sächsischen Soldaten zu veranstalten ~ …
… ~ “Sagt man so”, füge ich unsicher hinzu, weil sie bereits die Augen verdreht. Doch trotzig liefere ich dennoch den Spruch “Was dem Preußen die Ordnung, ist dem Sachsen der Kaffee“, derweil sie mir deutlich erkennbar nicht zuhört.
Weshalb ich nun eine Pause einlege, …. ~~~
~
~~~ … nur um wenig später erneut Anlauf zu nehmen:
“Aber wusstest du auch, dass die Filtertüte – Gebrauchsmuster Nr. 347895 beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin, 1908 – durch Melitta Bentz, einer Sächsin, zum Patent angemeldet wurde? Und dass somit alle Kaffeekultur ausgerechnet von einem Kaffeevolk karikiert wurde?”
Klar. Sie weiß es und sie wußte es. Derweil ich hätte wissen können, dass sie es wusste. Immerhin kennt sie meine Hasstiraden wider der Filtertüte.
Erneute Pause. ~ Timeout ~
~
Bis ich einen weiteren – den letzten – aufklärerischen Versuch starte:
“Aaaaber wusstest du auch, dass Erich der Plattenbauer Ende der 1970er Jahre Devisen für Kaffee-Importe sparen wollte, indem er die Einführung eines mit Zichorien vermischten Kaffeemixes anordnete, was zu erheblichen Protesten in der Bevölkerung, insbesondere unter den Sachsen führte. Die humorigerweise den Spruch ”Ohne Gaffee gönn mer nich gämpfn!” erneut hervorkramten und zu ihrer Losung machten. Diesmal wider dem SED-Regime. …”
Erneut verdreht sie die Augen. Spricht langsam. Betont dabei jedes Wort.
“Wieso zum Teufel können wir nicht einmal – wenigstens einmal – einfach verreisen, wie andere Leute auch?”