Die S-Bahn hat vier Probleme: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die S-Bahn in Berlin versagt derzeit auf ganzen Linien – der Winter hat sie glatt überfahren. An launigen Titelzeilen herrscht derzeit kein Mangel, dafür aber offenbar an Menschen, Maschinen und Geld.
Die BZ schrieb gestern sogar fett über ihre Titelseite „Liebe S-Bahn-Bosse, dass hat selbst die DDR besser hingekriegt.“ Nun ist es keineswegs so, dass ich diesen Witz für besonders gelungen hielte – als ob die DDR ein S-Bahn-Chaos nach dem anderen produziert hätte. Meines Wissens hat sie das gerade nicht. Denn dass die S-Bahn fahren muss, war im real existierenden Sozialismus beschlossene Sache, und da wurden im Winter entsprechend Leute abgestellt, die dafür gesorgt haben, dass die Weichen nicht einfrieren und die Türen funktionieren.
Titelblatt BZ vom 7.12.2010 zum
S-Bahn-Chaos in Berlin
Es ging ja nicht darum, mit dem Laden Geld zu verdienen, was heute der eigentliche Grund für das Chaos ist. Die S-Bahn wurde erfolgreich kaputt gespart und jetzt schieben sich die Verantwortlichen gegenseitig den Schwarzen Peter zu. So geht es nun einmal zu im Kapitalismus. Das Warten von Zügen kostet Geld, also spart man sich das einfach, merkt ja keiner. Das geht ein paar Jahre gut, bis irgendwas passiert. Dann bricht ein Rad, zum Glück kommt niemand zum Schaden, aber es weil nun Experten einmal genauer hinsehen, stellt sich heraus, dass jahrelang vorgeschriebene Wartungsarbeiten einfach nicht gemacht wurden.
Das Material wurde auf Verschleiß gefahren und ist irgendwann verschlissen, und dann geht das Chaos los. Denn man braucht ja auch Werkstätten und Leute, um die lange aufgeschobenen Wartungs- und Reparaturarbeiten abzuarbeiten. Wurde alles weggespart! Die Leute entlassen, die Werkstätten geschlossen. Nicht, weil sie nicht gebraucht würden, sondern weil man sie nicht mehr bezahlen will. Die Stellwerke mit Computern besetzt und nicht mit Menschen. Dumm nur, dass der Computer im Winter nicht mit Besen und Brechstange raus gehen kann, um die Weiche zu stellen, wenn Schnee und Eis dazu kommen. Der gibt einfach seinen Dienst auf und die S-Bahnen kommen nicht mal mehr in die eilig wieder in Betrieb genommene Werkstatt, wo der Austauschmotor diesen Winter sogar schon bereit liegt – ist ja nicht so, dass die S-Bahn-Chefs gar nichts gelernt hätten.
Aber die Sache ist halt, dass man entweder eine S-Bahn haben kann, die zuverlässig funktioniert, oder eine, aus der man auf Teufel komm raus Gewinne quetschen will. Bis das Eisenbahnbundesamt kommen muss, um Mindeststandards zu erzwingen, die früher einmal ganz selbstverständlich waren. Als es noch darum ging, den Leuten günstig öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, damit sie von A nach B kommen. Und nicht darum, dass Aktionäre ihren Schnitt machen können. Den Preis dafür zahlen die entnervten S-Bahn-Nutzer – derzeit doppelt und dreifach. Denn auch unsere Zeit ist Geld!