Rundreise durch den europäischen Antisemitismus

Synagoge an der Dohany-Straße, Budapest

Synagoge an der Dohany-Straße, Budapest

Jörg Lau hat diesen Artikel bereits vorher angekündigt. Er schrieb vor einer Woche:

Ich war in den letzten zwei Wochen in Malmö, Amsterdam, Budapest und wieder in Amsterdam, um mir ein Bild von den Schwierigkeiten der jüdischen Gemeinden mit einem neuen (?) Antisemitismus zu machen. [...] Und das vorläufige Ergebnis ist: nicht gut.

Nun liegt sein “Reisebericht” vor. Er wird in der morgigen ZEIT erscheinen und ist heute in seinem Blog bereits les- und diskutierbar. Es ist tatsächlich erschreckend, was Lau berichtet.

Sein Bericht über die Lage der gläubigen Juden in den Niederlanden gipfelt in dem Satz: “Eine Million Besucher kamen letztes Jahr ins Anne Frank Haus und ließen sich vom Schicksal dieser Ikone des Leides unter den Nazis bewegen. Wozu dient die Vergangenheitsbewältigung, wenn zugleich die Familien von Überlebenden aus dem Land gegrault werden?”

Ich kann es nicht nachprüfen, es klingt für mich aber plausibel, wenn Lau schreibt, dass ein Großteil des wiedererstarkenden Antisemitismus von muslimischen Jugendlichen ausgeht. Hier werden ebenso schwachsinnige (und einfache) Lösungen und Parolen verbreitet wie seinerzeit in Deutschland. Was den Nazis sozialdarwinistische Rassentheorie ist den islamisch Verblendeten Religion.

Was könnten Ursachen dafür sein? Dass sich zum einem der auf eine Religion berufende Staat Israel im Nahen Osten von allen umliegenden Staaten unterscheidet. Unter anderem auch durch seine Religion (es gibt auch andere Gründe, aber darauf will ich heute nicht hinaus). Kann es vielleicht auch daran liegen (das ist meine These zumindest für den europäischen Raum), dass sich muslimische Jugendliche in Europa ausgegrenzt fühlen (und es ja auch in vielen Dingen tatsächlich sind) und sich so Noch-Schwächere heraussuchen als Opfer und Feindbild.
Leider scheint dieses Modell mensch-immanent zu sein: wenn ich mich nicht gegen einen übermächtig erscheinenden Gegenüber wehren kann, suche ich mir einen schwächeren Feind. Nur menschlich ist es nicht.

Lau weist aber (zu Recht) darauf hin, dass man den aktuellen Antisemitismus nicht allein den Muslimen “in die Schuhe” schieben kann. (Denn das wäre genau das eben kritisierte Modell – nur eine Ebene höher.) Er schreibt:

Ungarn hat nahezu keine Muslime und doch ein wachsendes Problem mit Judenhass. Hier hat nämlich – wie in Teilen Ostdeutschlands – der Rechtsradikalismus Wurzeln geschlagen und sich unter Ministerpräsident Viktor Orbán als normaler Teil des politischen Lebens etabliert.

Willkommen in der Mitte der Gesellschaft! Ich meine, dass Jörg Lau hier eine zu bürgerliche Brille aufgesetzt hat: der Antisemitismus, der Fremdenhass insgesamt, ist im Osten Deutschlands vielleicht anhand von Glatzen und Springerstiefeln sichtbarer. Aber die Leute von Pro-Irgendwas, die der Partei “Freiheit” oder Sarrazins Apologeten tragen Anzug, Schlips und geputzte Slipper. Und haben Medienmacht. Verkaufen so die “christlich-jüdische Leitkultur” und grenzen damit nicht nur alle Anders-Religiösen, sondern auch das gesamte Drittel der Nichtreligiösen aus ihren Überlegungen aus.

Das neue Phänomen des muslimischen Antisemitismus jedoch ist ein besonders heikles Thema für die Einwanderungsgesellschaften West- und Nordeuropas. Die Hassbekundungen einer kleinen Teilgruppe meist junger, männlicher Migranten muslimischer Herkunft gegenüber Juden gefährden den Religionsfrieden in einem zunehmend multireligiösen Europa.

Wenn unter “multireligiös” auch “nichtreligiös” subsumiert ist, stimme ich Jörg Lau zu. Jedoch mag ich zu bedenken geben: was wäre, wenn keine der Religionen ernst genommen würde? Könnte das nicht Frieden stiften bzw. die Grenzen dorthin verlegen, wo sie tatsächlich zu suchen sind: an den Schnittstellen der sozialen Teilhabe an der Gesellschaft?
Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass das ganz sicher politisch noch unerwünschter ist. Da werde kollaterale Opfer von zum Beispiel Bombenattentaten zwar zähneknirschend, aber hingenommen.

Am Beispiel der Stadt Malmö stellt Lau eine interessante Frage: “Müssen sich schwedische Juden von Israel distanzieren, um sich das Recht auf Unversehrtheit als Bürger zu verdienen?” Das ist genau der Kern, die Quintessenz aller Missverständnisse vieler Gutmeinender. Es ist aber genau auch diese Entweder-Oder-Sicht, die aus jedem Einwanderer aus dem Nahen Osten per se einen Moslem macht (es sei denn, er ist ein als genau solcher auch plakatierter Christ, z.B, aus dem Irak).

Nein, weder müssen sich schwedische Juden für die Dinge rechtfertigen, die der Staat Israel tut. Und genauso wenig müssen sich in Deutschland Muslime dafür entschuldigen, wenn wieder irgend ein verblendeter Islamist irgendwo auf der Welt sich und andere Menschen, in die Luft gejagt hat.1

Leider berichtet Lau nicht, was er für die Ursachen des ungarischen Antisemitismus hält. Zu sagen, dass das während des Kommunismus nur versteckt war ist ein wenig… wenig.
Könnte es nicht sein, dass es zwischen der Perspektivlosigkeit eines Teiles der ostdeutschen Jugend (die dann einfachen, demagogischen Rattenfängern nachläuft – als hätte es das nicht schon einmal in Deutschland gegeben) – und der gefühlten eines Großteils der ungarischen Bevölkerung gewisse Parallelen gibt?

Einfache Lösungen – wie der Antisemit sie liebt – werden häufig dann gesucht, wenn das Gefühl vorherrscht, der Gesellschaft gegenüber machtlos zu sein.

Es ist wichtig, diese Themen anzusprechen. Nun kommt es darauf an, Konsequenzen daraus zu ziehen. Zu handeln.

Nic

  1. ich unterstelle Jörg Lau nicht, dass er diese Unterscheidung nicht macht! Im Gegenteil.

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